Kann man Wechselkurse vorhersagen? Von Wolfgang Münchau, Hamburg
Bislang gibt es kein vernünftiges Verfahren, den Wechselkurs einer Währung auch nur annähernd vorherzusagen. Die Theoretiker haben Modelle entwickelt, nach denen sich keiner richtet.
Die Praktiker benutzen charttechnische Modelle, die schlecht funktionieren, und eher an Hellseherei erinnern. Die Entwicklung der Wechselkurses gehört nach wie vor zu den unverstandenen Ereignissen in den Finanzmärkten wie am Euro-Dollar Kurs deutlich wird.
Bei der Erklärung der Wechselkursbewegungen durch ökonomische Verhaltensmodelle gibt es mittlerweile Erfolge, wenn auch noch keinen Durchbruch. Ein vielversprechender Fortschritt stammt aus einem obskuren Bereich der Statistik, der nichtlinearen Dynamik. Die meisten Prognosemodelle sind linear. Das heißt, die Zukunft ist eine gradlinige Projektion der Vergangenheit. Diese Modelle sind bislang in ihrer Prognoseeigenschaft enttäuschend.
Wechselkurse, so die Schlussfolgerung, haben kein Erinnerungsvermögen und verarbeiten neue Ereignisse schneller, als die Modelle diese erklären können. Vergangene und gegenwärtige Wechselkurse reichen demnach nicht zur Prognose zukünftiger Wechselkurse. Modelle mit nichtlinearer Dynamik dagegen scheinen die Zusammenhänge besser zu erfassen.
Auf dem Konstanzer Seminar für Geldtheorie und Geldpolitik vergangene Woche wurde ein solches nichtlineares Prognosemodell für Wechselkurse von zwei Wissenschaftlern aus den USA und Großbritannien präsentiert, mit überraschenden Resultaten. Lutz Kilian aus Michigan und Mark Taylor aus Warwick behaupten, dass ihre mittelfristigen Prognosen mittlerweile besser sind, als die von den Praktikern bevorzugten Chart-Modelle.
Nichtlineare Dynamik macht Hoffnung
Angenommen, der korrekte, auf der Kaufkraftparität beruhende Wechselkurs für den Euro sei 1$ plus/minus 5 Cent. Kein vernünftiger Investor würde bei einem Kurs von 0,95 $ Euro in der Hoffnung kaufen, einen todsicheren Gewinn von 5 Cent zu erzielen. Bei einem Kurs von 0.80 $ fällt es dagegen vielen Händlern leicht, eine Aussage darüber zu treffen, ob und wann der Kurs sich wieder erholt. Der Devisenhandel bekommt wieder eine Richtung.
Mit Hilfe eines nichtlinearen Modells ist den Wissenschaftlern eine Erklärung für das Marktverhaltens über längere Zeiträume von zwei oder drei Jahren gelungen. Mit den traditionellen Modellen ist dies bislang nicht geglückt. Bei den kurzfristigen Prognosen gibt es allerdings noch keine Hilfe aus der Wissenschaft - und wird es voraussichtlich in nächster Zeit auch nicht geben.
Die nicht-linearen Prognosemodelle sind zum großen Teil noch sehr neu und bedürfen weiterer Entwicklung. Es ist bei weitem noch nicht klar, ob es eines Tages gelingen wird, auch kurzfristige Prognosen zu treffen. Aber die positiven Resultate dieser Untersuchungen haben zumindest überraschende Bewegung in eine längst tot geglaubte Debatte gebracht. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, könnte es möglich sein, in absehbarer Zeit über mittelfristige Zeiträume einige Aussagen zu treffen.
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