Wenn man eine Sehschwäche hat, kann man die Zahlen vielleicht toll finden.
Wer genauer hinsehen kann, dem fallen schon zahlreiche Merkwürdigkeiten auf.
1. Der Umsatz hat sich in den letzten 3 Jahren nicht organisch annähernd verzehnfacht. Woowa wurde im März 2021 übernommen. Dieses Unternehmen gehörte in den Jahren 2019 und 2020 noch gar nicht zum Konzern. Wie man da von organisatorischem Wachstum sprechen kann, ist für mich nicht nachvollziehbar. Das gilt aber auch für andere kleinere Beteiligungen, die in den letzten Jahren erworben wurden, und von denen nicht klar ist, inwieweit und wann sie in die Aufstellung von Seite 7 eingeflossen sind.
2. Der Zunahme des durchschnittlichen Bestellwerts verliert zunehmend an Aussagekraft, je größer der Anteil des Dmart Geschäfts wird. Die Belieferung mit Lebesnmitteln aus den Dmarts ist eine komplett andere Dienstleistung, die völlig anders in die GuV einfliesst. Wer das nicht vor Augen hat, dem ist auch nicht zu helfen. Man kann in einen Obstkorb mit Äpfeln und Birnen auch Melonen aufnehmen und dann erklären, dass das durchschnittliche Gewicht und der durchschnittliche Umfang der Früchte zugenommen hat. Außerdem, so steht es im Kleingedruckten auf S. 8: „...excluding the effect of vouchers and other discounts „ Mit anderen Worten: Die gewährten Rabatte werden hier nicht berichtet. Man tut so, als wäre alles ohne Nachlass bzw. Rabatt an den Mann/Frau gebracht worden.
3. Ob man in Asien Marktanteile gewinnt, lässt sich aus den Zahlen eben nicht herauslesen. Es fehlt schon an der Skalierung der Schaubilder auf den Seiten 18 und 20. Es ist auch nicht klar, wie die Marktanteile dann gemessen werden sollen: An der Anzahl der Bestellungen, dem Umsatz oder dem Bestellwert? Wer glaubt, er könne so etwas aus den beiden Schaubildern herauslesen, der leidet unter Autosuggestion. Auffallend auch: Japan wird in beiden Graphiken komplett ausgeklammert. Dabei verfügen die Japaner in dieser Region Asiens über das mit Abstand höchste Pro-Kopf-Einkommen. Vielleicht wären die Zahlen gar nicht mehr so überzeugend gewesen, hätte man neben Japan auch Länder wie Indien oder China in die Auswertung einbezogen. Dann stünden die Wettbewerber vielleicht sehr viel besser da als man selbst. Aber das sind, sehr überzeugend argumentiert, eben keine ‚Core APAC‘ Länder.
4. Es gibt auch keine deutlichen Profitabilitätssteigerungen in Südkorea. Denn zum einen wird hier nicht genannt, wie die vormalige koreanische Tochter Yogiyo gewirtschaftet hat. Zum anderen beziehen sich die Daten nur auf den ‚Own-Delivery‘-Rollout. Die eigenen Auslieferungen machen bei Woowa vielleicht 10 oder 15% der Auslieferungen aus. Der große Rest fehlt also in der Aufstellung völlig. Und generell: Für Woowa wurden mehr als 6 Mrd. € auf den Tisch gelegt. Das Kapital kostet Zinsen, die hier auch ausgeklammert werden. Ebenso wie die Abschreibungen, die für das operative Geschäft kaum entbehrlich sind. Da erwarte ich unter dem Strich schon etwas mehr!
5. Der bunten Kurve von S. 21 fehlt auch die Skalierung. Ein Wert von -5 zum Ende von Q3 lässt sich dieser Graphik damit nicht entnehmen. Wichtig hier auch die Überschrift: „...Asia segment excl. South Korea, Japan and Integrated Verticals incl. all group costs …“.
Ich habe bei solchen Satzstrukturen immer ein Verständnisproblem: Sind die Integrated Verticals in den Zahlen nun enthalten oder nicht. Gleiches gilt für die ‚group costs‘, was immer sich dahinter verbergen mag. Der Begriff wird ja nicht weiter erklärt. Am besten also, man ignoriert das alles.
Es wird schon alles klar, wenn man sich den Anhang zu der Präsentation ansieht: Dort steht auf S. 27 im Bereich Asien ein Verhältnis von AEBITDA/GMV von -1,9%.. Was da jetzt ein vermeintlicher Wert von -5% in einem anderem Teilsegment soll? Keine Ahnung.
Schön sind auch die Schaubilder auf den Seiten 14 und 15. Dort steht dann in der Unterzeile zur Überschrift. „...Values excluding Delivery Hero Korea and not yet including Woowa „ Was man sich denkt, wenn man sonst die Zahlen inkludiert, bei diesen beiden Folien aber nicht? Ich weiss es nicht. Ich halte es geradezu für absurd !!!
Vielleicht geht es bei diesem Zahlenwerk jedoch vor allem nur den darum, den nach Wachstum Süchtigen entsprechendes Zahlenmaterial vorzuwerfen, das sie gierig aufsaugen. Ohne es auch nur eine Sekunde zu hinterfragen. Damit die Maschine noch eine Weile weiterlaufen kann.
Das jedenfalls klappt weiterhin sehr gut. Darin ist das Management von DH – das muss man neidlos anerkennen - sicher Meister.
Et ceterum kann ich mich der Kritik der anderen an der Quartalsberichterstattung nur anschließen. Der Quartalsbericht ist inhaltlich unter aller Sau und eine Beleidigung für alle anderen Gesellschaften, die am geregelten Börsenhandel teilnehmen.
Manchmal ist es so, dass man unter eine Sehschwäche nicht leidet. Dann leiden eben die anderen drumherum. Wenn sie nicht alle blind sind. |