Die hier gegeben Informationen treffen keine Aussage über Kauf- oder Verkaufsabsichten. Darüber hinaus sagen sie nichts über Beteiligungen des Phönix-BörsenBriefes selbst noch naher Dritter aus. -------------------------------------------------- Autor: Matthias Wahler, Veröffentlichungsdatum: 15.11.2008
Die Perspektiven des Prozessfinanzierers sind nach wie vor unklar
Die Hauptversammlung der Juragent AG mit Vorlage des Jahresabschlusses 2007 fand am 27. Oktober 2008 und damit weit außerhalb der gesetzlichen Acht-Monats-Frist statt. Dies kann den Verantwortlichen jedoch nicht angekreidet werden, schließlich war in den Turbulenzen der jüngeren Vergangenheit an die Aufstellung eines Jahresabschlusses nicht zu denken. Dass es bei dem Prozessfinanzier große Probleme gibt, sollte spätestens bei der außerordentlichen Hauptversammlung am 31. März dieses Jahres auch dem letzten Aktionär klar geworden sein. Damals hatte die Familie von Sachsen als Großaktionär den Aufsichtsrat komplett ausgewechselt und kurz darauf auch den Vorstand ausgetauscht, um endlich eine vernünftige Arbeit zu gewährleisten, die unter dem Firmengründer und Ex-Vorstand Mirko Heinen sicherlich nicht zu erkennen gewesen war. Im Gegenteil hatte er vor seinem Abgang noch einen Großteil der Geschäftsunterlagen vernichtet und auch die EDV in einem katastrophalen Zustand zurückgelassen. Strafrechtliche Ermittlungen gegen Ex-Vorstand
Gegen ihn und andere ehemalige Mitglieder der Verwaltung laufen nun in Deutschland und der Schweiz strafrechtliche Ermittlungen – es ist deshalb nur zu verständlich, dass die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat vertagt werden sollte. Nach Meinung des Vertreters der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hätte dieser Punkt von der Hauptversammlung auch gleich abschlägig beschieden werden können. Das neue Management will aber erst die Ergebnisse abwarten, um basierend darauf dann eventuell noch eine Zivilklage einzureichen und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Heinen selbst kann zu den Vorwürfen nicht befragt werden: Offiziell ist er zwar noch in Berlin gemeldet, tatsächlich aber schon länger untergetaucht. Gerüchte besagen, dass er sich momentan in der Schweiz aufhält. Fehlbetrag im Geschäftsjahr 2007…
Der neue Aufsichtsrat hat zum 1. April 2008 Rechtsanwalt Georg-Christian Kilgus aus Stuttgart als Vorstand berufen. Ihm fiel es aus besagten Gründen nicht leicht, den Jahresabschluss 2007 zu erstellen. In seinem Vorstandsbericht sparte er die Zahlen, für die er ja nicht verantwortlich ist, deshalb komplett aus – sicherlich hätte dieser Vortrag auch keine Freude gemacht. Ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung rutschte das Jahresergebnis mit -129 TEUR (Vj. 591 TEUR) in den roten Bereich, was an sich schon eine sehr unschöne Entwicklung ist. Tatsächlich wäre der Fehlbetrag aber noch deutlich höher ausgefallen, wenn nicht durch eine Änderung der Bewertungsparameter bei den Prozessrückstellungen eine Ergebnisverbesserung von 4,6 Mio. Euro erreicht worden wäre. Wirklich verbraucht wurden darüber hinaus 4,2 Mio. Euro, womit sich die Bilanzposition insgesamt von 37,8 auf 28,9 Mio. Euro reduzierte. Inwieweit diese Auflösung tatsächlich gerechtfertigt sein könnte, lässt sich für Außenstehende nicht beurteilen. .. wäre eigentlich noch viel höher ausgefallen
Damit aber nicht genug. Bei strenger Auslegung des Niederstwertprinzips hätte der Vorstand zusätzlich noch Forderungen in Höhe von 3,5 Mio. Euro werberichtigen müssen, deren Werthaltigkeit nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. In erster Linie betrifft dies eine Zahlung von 3 Mio. Euro, die am 19. Dezember 2007 ohne Begründung an das ehemalige Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Gierk überwiesen worden war; ob eine Zustimmung des damaligen Aufsichtsrats zu dieser Überweisung vorlag, ist noch nicht geklärt. Dieses Geld wurde von Seiten Juragent inzwischen zurückgefordert und eine entsprechende Klage ist eingereicht – erst einmal sind die Millionen aber weg. Durch diese unsichere Forderung und die teilweise Auflösung der Prozesskostenrückstellungen, die in Summe zu einer Ergebnisverbesserung von 8,1 Mio. Euro führten, sah sich Wedemeyer & Partner als Abschlussprüfer veranlasst, sein Testat entsprechend einzuschränken. Großaktionär stimmt gegen die Dividende
Dies berücksichtigt, weist die Juragent AG für 2007 also ein tiefrotes Ergebnis aus. Ja noch schlimmer: Das Eigenkapital von 6,3 Mio. Euro wäre in diesem Fall komplett aufgebraucht gewesen. Insofern äußerten eine Reihe von Rednern ihr Unverständnis, dass ausweislich der Tagesordnung dennoch eine Dividende von 0,13 Euro ausgeschüttet werden sollte, die nur durch eine Entnahme aus den Gewinnrücklagen überhaupt dargestellt werden konnte. Zudem ist noch völlig unklar, wie sich das Geschäft in den kommenden Jahren entwickeln könnte, so dass sich auch darauf keine Argumentation aufbauen lassen würde. Schnell wurde deshalb die Vermutung laut, dass die Familie von Sachsen auf diesem Weg Geld aus dem Unternehmen ziehen will, um sich einen Teil ihres Engagements wieder zurückzuholen. Dieser Vorwurf bewegte Herrn von Sachsen schließlich, den Antrag zu stellen, von der Zahlung einer Dividende doch Abstand zu nehmen, was dann auch entsprechend beschlossen wurde. Es fehlen 584 Mio. Euro Prozessvolumen
Tatsächlich ist ja auch völlig unklar, ob die in den letzten Jahren immer wieder prognostizierte positive Geschäftsentwicklung tatsächlich eintreten wird. Sehr skeptisch stimmt hier die Aussage des Vorstands, dass in naher Zukunft noch ein Streitwertvolumen von stolzen 584 Mio. Euro generiert werden müsste, um die an die vier Prozesskostenfonds (PKF) gegebenen Zusagen zu erfüllen, über die das Geschäft seit dem Jahr 2005 abgewickelt wird. Dies dürfte alles andere als leicht werden, nachdem im gesamten Jahr 2007 lediglich 19,2 Mio. Euro in die Bücher genommen werden konnten. Wenn es jedoch nicht gelingt, ist wohl mit Regressansprüchen von Seiten der Fonds zu rechnen; noch sind keine anhängig, was sich aber schnell ändern könnte. In Summe belief sich das finanzierte Prozessvolumen Ende 2007 auf 280 Mio. Euro, wovon 228 Mio. Euro auf die PKF und 52 Mio. Euro auf die AG entfielen. Künftig auch Streitwerte unter 500 TEUR…
Natürlich kam auf der Versammlung immer wieder die Frage auf, wie dieses gewaltige Vorhaben gelingen soll – ein klares Konzept konnte Vorstand Kilgus aber nicht präsentieren. Zwar plant er sehr wohl verschiedene Modifikationen, um das Geschäft insgesamt besser ins Laufen zu bringen. So will er den bisherigen Mindeststreitwert von 500 TEUR pro Prozess nach unten öffnen, da er sich bei kleineren Beträgen eine schnellere Beendigung der Prozesse erhofft, was sich positiv auf den Cashflow auswirken wird – die enorme Lücke würde sich damit aber kaum füllen lassen. Die Verlängerung der Laufzeiten der einzelnen Fonds, die beim PKF I eigentlich schon Ende 2006 da war und bei den PKF II bis IV 2008 bis 2010 kommen wird, muss da wohl unbedingt in Anspruch genommen werden. Jeweils dreimal ein Jahr ist dies den Verträgen nach problemlos möglich, darüber hinaus wäre die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. … und Prüfungen vorwiegend im eigenen Haus
Kilgus will außerdem das bislang sehr aufwändige externe Prüfungsverfahren aufgeben, in dem Richter im Ruhestand die Erfolgsaussichten der angebotenen Prozesse prüfen und ihre Ergebnisse dann den PKF vorlegen. Ein Erfolg dieser Vorgehensweise lässt sich nicht messen, im Gegenteil ging in den letzten Jahren trotzdem eine Vielzahl von Prozessen verloren. Kilgus sieht in dem Vorgehen deshalb nur eine Scheinsicherheit, die mit einem hohen Kosten- und zeitlichen Aufwand eingekauft wird. Künftig sollen die Prüfungen vorrangig im Haus vorgenommen und nur in Ausnahmefällen externe Gutachter hinzugezogen werden, womit sich die Abschlüsse beschleunigen und das Streitwertvolumen erhöhen lassen sollten. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine Auflistung über die bisherigen Erfolgsquoten der Prozesse gewesen. Eine solche konnte der Vorstand aber nicht vorlegen, da die entsprechende Datenbank offenbar verloren gegangen ist und erst neu aufgebaut werden muss. Erfolgsmeldungen lassen auf sich warten
Geplant sind überdies verstärkte Marketingmaßnahmen. Der Bedarf an Prozesskostenfinanzierung ist schließlich zweifellos vorhanden und das Angebot muss nur bekannt gemacht werden. Parallel sollen die Kosten in allen Bereichen deutlich reduziert werden; als Zielgröße nannte Kilgus eine Reduktion der Fixkosten um 50 %. Mit diesem Maßnahmenbündel will er dann endlich den Erfolg erreichen, den sein Vorgänger immer wieder versprochen hatte, der aber nie eingetreten ist. Wie sich in der Diskussion herausstellte, hat das ehemalige Management wohl auch den zeitlichen Faktor unterschätzt. So ist beispielsweise bei dem Prozess über 10 Mio. Euro aus dem Jahr 2004 noch immer keine abschließende Entscheidung gefallen. Angeblich soll ja sogar ein noch größerer Prozess in der Schweiz über 100 Mio. SFR kurz vor Vertragsunterzeichnung gestanden haben; dazu hat Kilgus nun überhaupt keine Informationen mehr gefunden. 17 Mio. Euro in die Schweiz überwiesen
Apropos Schweiz: Neben der Juragent-Tochter gibt es dort bekanntermaßen noch die JuraSwiss AG, eine mysteriöse Gesellschaft, bei der nicht klar ist, wer sich dahinter verbirgt. Ohne nähere Begründung hat das ehemalige Management der Juragent AG an dieses Unternehmen am 16. Januar 2008 stolze 17 Mio. Euro überwiesen. Seltsamerweise hat der damalige sechsköpfige Aufsichtsrat diesem Vorhaben trotzdem bei nur einer Gegenstimme von Herrn Lang und einer Enthaltung von Herrn Kopf zugestimmt. Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen ist die Summe aber nun zumindest arrestiert und kann nicht abfließen. Nun muss zuerst einmal geklärt werden, ob die Überweisung in dieser Form überhaupt rechtlich Bestand haben kann. Immerhin ist die Kaution wieder zurückgeflossen
Ein bisschen was Positives gibt es aber auch zu berichten: Die Kaution über 1 Mio. Euro, die für den ehemaligen Aufsichtsrat und Mittelverwendungskontrolleur Wolfgang Gierk hinterlegt worden war, wurde im November 2007 zuzüglich Zinsen in Höhe von 104 TEUR an Juragent zurückgezahlt. Dieses war ja – verständlicherweise – ein Punkt, der der Juragent AG sehr schlechte Presse eingebracht hatte a la „Prozessfinanzierer kauft Mittelverwendungskontrolleur aus dem Knast frei“. Für den ohnehin schon stark angekratzten Ruf bedeutete dies einen weiteren Tiefschlag und kann sicherlich nicht als vertrauensbildende Maßnahme gewertet werden. Zumindest derartige Exzesse sollten mit dem Managementwechsel nun der Vergangenheit angehören. Ernüchterndes Fazit
Alles in allem erfuhren die etwa 30 Aktionäre, die sich zu dieser fast elfstündigen Marathon-Veranstaltung eingefunden hatten, jedoch keine großen Neuigkeiten – und schon gar keine positiven. Von einem Neuanfang kann bisher noch keine Rede sein. Es liegt aber am neuen Management, die nächsten Monate zu nutzen, um erstens die Vorgänge der Vergangenheit rückhaltlos aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen und zweitens ein klares Konzept für die Zukunft zu entwickeln. Die größte Herausforderung dürfte jedoch sein, das noch fehlende Streitwertvolumen von sage und schreibe 584 Mio. Euro zu akquirieren – noch ist nicht ansatzweise absehbar, wie dies gelingen soll. Es bleibt das ernüchternde Fazit, dass die Prozessfinanzierung sicherlich nach wie vor eine gute Idee ist. Die zentrale Frage, ob sich damit wirklich Geld verdienen lässt, ist aber noch immer unbeantwortet. Und letzteres wäre dringend und zeitnah nötig, um die Existenz der Gesellschaft weiterhin zu sichern. --------------------------------------------------
An dieser Stelle möchten wir (PBB) auch auf den Verteiler der hv-aktion.de zu Juragent hinweisen.
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