http://www.faz.net/s/...D986770262CE3C18AF~ATpl~Ecommon~Scontent.html nterview mit Klaus Martini
„Der Klimawandel wirkt sich im Geldbeutel positiv aus“
„Klimaschutz braucht mehr politische Unterstützung”: Klaus Martini 17. Oktober 2007 Klaus Martini entscheidet maßgeblich, wie die vermögenden Privatkunden der Deutschen Bank insgesamt 260 Milliarden Euro anlegen. Der Chief Investment Officer ist davon überzeugt, dass Klima-Aktien noch lange überdurchschnittliche Renditen abwerfen. Mit dieser Ansicht ist Martini momentan nicht allein. Viele Banken legen Zertifikate und Fonds zum Klimawandel auf. Martini aber beschäftigt sich seit langem mit Agrarwissenschaft und Rohstoffen. Viele Reisen führten ihn nach Lateinamerika und Asien.
Herr Martini, was macht Sie so sicher, dass Rohstoffe, erneuerbare Energien und Klimawandel nicht nur Modethemen sind, mit denen die Finanzbrache jetzt unerfahrene Anleger langfristig ins Verderben schickt?
Warum ins Verderben schicken? Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem sich abzeichnenden, rasanten Bevölkerungswachstum und den Rohstoffpreisen. Vor 50 Jahren gab es auf der Welt nur halb so viele Menschen wie heute. In 50 Jahren werden es noch einmal 50 Prozent mehr sein als heute. Derzeit wächst die Weltbevölkerung jährlich um 76 Millionen Menschen. Das sind fast so viele, wie in Deutschland insgesamt leben.
Warum ist Bevölkerungswachstum ein Anlagethema?
Weil die wenigsten Menschen auf Dauer Selbstversorger sein wollen. Fast alle wollen mobil sein und einen gewissen Lebensstandard haben. Das führt zu einem steigenden Verbrauch von Ressourcen wie Öl oder Fleisch. Selbst in Indien, wo aus religiösen Gründen bislang viele Menschen Vegetarier waren, wächst der Pro-Kopf-Fleisch-Verbrauch. Um die nötigen Tiere zu züchten, ist mehr Getreide als zuvor nötig. Das bedeutet: Mit steigender Weltbevölkerung wird das ökologische Gleichgewicht an vielen Stellen mit Nadelstichen verletzt. Es ist sehr viel Geld nötig, um Entwicklungen wie die Urbanisierung so zu steuern, dass mit begrenzten Ressourcen kein Raubbau betrieben wird. Sonst ist langfristig das Überleben der gesamten Menschheit in Gefahr.
Das sind große Worte. Warum rufen Sie nicht zu Spenden auf?
Ich bin davon überzeugt, dass überdurchschnittliche Renditen für Anleger über die nächsten Jahre hinweg und die Verbesserung der Lebensbedingungen auf der Welt Hand in Hand gehen können. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Nachfrage nach Öl ist wegen des rasant steigenden Verbrauchs in China explodiert. Jetzt ist schnell von Knappheit die Rede. Doch vieles ist eine Frage des Preises. Mit steigendem Wirtschaftswachstum und Wohlstand in China dürfte sich dort der Pro-Kopf-Verbrauch an Energie in den nächsten Jahren vervielfachen und sich dem amerikanischen Niveau nähern. Somit ist abzusehen, dass beispielsweise der Ölpreis steigen wird. Zugleich dürfte Öl stärker durch Gas und Kohle, aber auch durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Daraus folgt: Unternehmen, die im Energiesektor innovativ sind, werden noch Jahre lang überdurchschnittliche Erträge erzielen.
Wie kann ein Anleger von Bevölkerungswachstum und Rohstoffboom profitieren?
Ein Investmentfonds, der breit gestreut in Infrastrukturprojekte investiert, in Aktien innovativer Energieunternehmen und in Agrarrohstoffe, die wie Mais auch zur Energiegewinnung eingesetzt werden, sollte über mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte eine überdurchschnittliche Rendite erzielen. Mit der richtigen Anlage wirkt sich Klimawandel auch im Geldbeutel aus – und zwar positiv.
Klimaschutz ist en vogue. Aber für viele Länder sind das Luxusinvestitionen. Wie stark hängt eine Aktienanlage in Klimawandel-Fonds am Weltwirtschaftswachstum?
Klima-Aktien sind nicht so konjunkturabhängig wie Halbleiter- oder Automobilaktien. Aber falls die Weltwirtschaft in eine Rezession geriete, würden auch Investitionsvorhaben in den Klimaschutz reduziert. Das ist eines der größten Risiken für eine Anlage in einem Fonds, der auf den Klimawandel setzt. Doch ich halte das Risiko für überschaubar, denn zum einen sehe ich ausgehend von einem globalen Wirtschaftswachstum von rund 5 Prozent derzeit keinen Einbruch der Weltkonjunktur. Und zum anderen sind viele Klimaprojekte langfristig angelegt. Richtig ist aber auch, dass Klimaschutz mehr politische Unterstützung braucht. Subventionen, wie im Erneuerbaren Energien-Gesetz festgelegt, sind wichtig, um Innovationen in den Unternehmen anzuschieben. Hier hätte die Politik noch mehr Möglichkeiten, Weitblick zu zeigen.
Nun liegen Rohstoffe wie Öl oft nicht dort im Boden, wo sie benötigt werden. Länder wie Russland setzen Rohstoffe manchmal zur Erpressung ein. Inwiefern können politische Eingriffe die Rohstoff-Rendite beeinflussen?
Meiner Ansicht nach wird das Thema Versorgungssicherheit in Europa noch völlig unterschätzt. Ein Drittel des Weltvorrats an Nickel liegt zum Beispiel in Russland. Länder im Nahen Osten haben die größten Ölbestände. Hier sind politische Spannungen absehbar. Die Amerikaner reagieren, indem sie inzwischen mehr Öl aus Afrika als aus dem Nahen Osten beziehen und so ihre Abhängigkeit verringern. Die ungleiche Verteilung der Ressourcen ist ein Grund dafür, dass die Rohstoffpreise immer wieder größeren Schwankungen unterworfen sein werden. Eine Diversifikation mit Rohstoffinvestitionen in verschiedenen Ländern und Regionen reduziert das Risiko politischer Krisen in einzelnen Ländern.
Rohstoffanleger erhalten anders als Inhaber von Aktien oder Schuldtiteln keine jährlichen Einnahmen wie Dividende oder Zins als Ausgleich für das Risiko der Investition. Wie groß ist die Gefahr, dass es am Ende heißt: Außer Nerven aufreibenden Preisschwankungen ist an Rendite nichts gewesen?
Das Argument fehlender jährlicher Ausschüttungen verliert an Bedeutung, weil Anleger mit Rohstoffzertifikaten vor allem von den langfristig erwarteten Preissteigerungen profitieren wollen. Denn der steigende Rohstoffverbrauch durch die wachsende Weltbevölkerung, die Herausbildung einer Mittelschicht in den stark wachsenden Volkswirtschaften Asiens und Lateinamerikas sowie die ungleiche Verteilung der Rohstoffe mit den daraus zu erwartenden politischen Spannungen wirken insgesamt Preis treibend auf fast alle Rohstoffe.
Wirkt der Trend steigender Rohstoffpreise auch dauerhaft Wert steigernd auf die Währungen von rohstoffreichen Ländern wie Brasilien oder Australien?
Im Prinzip ja: Hohe Rohstoffpreise beflügeln die Währungen der Rohstoffexporteure. Ein weiteres Argument ist, dass die billigen Yen-Finanzierungen – das heißt, dass Anleger sich zu besonders niedrigen Zinsen in Yen verschulden und diese Kredite in höherverzinsliche Währungen umlenken – weiter anhalten werden. Ich rechne damit. Anleger dürften so verfahren, so lange der seit längerem schwache Yen nicht plötzlich aufwertet. Hinzu kommen aber noch andere Bestimmungsgründe für Währungsentwicklungen. In Brasilien zum Beispiel wird die Währung nicht nur von hohen Rohstoffpreisen unterstützt, sondern auch von Leistungsbilanzüberschüssen und steigenden Devisenreserven. Die australische Währung hingegen hat in jüngster Zeit einen starken Anstieg erlebt und könnte daher anfällig für Korrekturen sein.
Das Gespräch führte Hanno Mußler.
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