40.000 Euro für einen demolierten VW Phaeton: Drei Monate nach dem Unfalltod Jörg Haiders kauft das Bündnis Zukunft Österreich nun den automobilen Nachlass des Rechtspopulisten. Und steht plötzlich vor der Frage: Was wird aus der Limousine - Schrott, Kunstwerk, Mahnmal?
Hamburg - Selbst das österreichische Boulevardblatt "Kronen-Zeitung", sonst nicht unbedingt eine Heimstatt feinsten Verbalfloretts, nennt die Vorgänge um den Dienstwagen des tödlich verunglückten Rechtspopulisten Jörg Haider inzwischen eine "Groteske". Was noch stark untertrieben ist.
Rational betrachtet, Haiders Anhänger sagten vielleicht "pietätlos", geht es lediglich um einen Haufen Schrott, um das metallene Geklumpe des VW Phaeton, in dem der Kärntner Landeshauptmann am frühen Morgen des 11. Oktober 2008 gegen einen Betonpfeiler gerast war. Bei Tempo 142 und mit 1,8 Promille Alkohol im Blut.
Doch rational ging es in der Causa Haider eigentlich noch nie zu. Und daher halten es die Gefolgsleute ganz offensichtlich für ihre moralische Pflicht, das Unfallwrack nun aufzukaufen. Rund 40.000 Euro verlangt nach Angaben des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) eine Leasingfima als Eigentümerin des einstigen Dienstwagens vom Land Kärnten. Die Partei werde einspringen und die Rechnung übernehmen, kündigte Parteiobmann Uwe Scheuch an.
Ursprünglich plante Haiders Nachfolger als Landeshauptmann, Gerhard Dörfler, den Wagen mit Steuergeldern aufzukaufen und anschließend zu versteigern - oder einem Künstler zwecks ideeller Veredelung zur Verfügung zu stellen. Diese Pläne, offenbar unausgereift, sind damit sehr schnell wieder passé.
Jörg Haider und JFK
"Ich will das Wrack so lange haben, bis alle Untersuchungen abgeschlossen sind", sagte Dörfler und fügte hinzu: Auch nach dem Mord am US-Präsidenten John F. Kennedy habe es unzählige Ermittlungen gegeben, aber bis heute wisse niemand, was genau passiert sei. Die Limousine solle daher in Landesverwahrung bleiben.
Dass die alkoholisierte Todesfahrt Haiders doch erhebliche Unterschiede zum Attentat auf JFK aufweist, von den Lichtjahren politischer Bedeutung, die beide trennen, einmal ganz abgesehen, darauf ging Dörfler nicht näher ein.
Dafür hatte er schon in der vergangenen Woche in einem skurrilen Interview ("Meine Zweifel lasse ich mir nicht nehmen") mit der österreichischen "Kleinen Zeitung" Verschwörungstheorien befeuert. Er habe den Verstorbenen als asketischen Menschen gekannt und "ihn nie beschwipst gesehen", sagte Dörfler und spekulierte drauflos: Vielleicht seien Haider, diesem "Mythos", "etwas Ähnliches wie K.o.-Tropfen" eingeflößt worden: "wie bei Mädchen". Jedenfalls sei die angebliche "Alkoholisierung" ihm "völlig unverständlich", und er "werfe diese Frage auf, weil das unplausibel ist - und nicht zu Jörg Haider passt".
Allerdings, und hier endet der Dörflersche Glaubenssatz schon wieder, ehe er richtig Kraft entfalten konnte, wies die Grazer Gerichtsmedizinerin, die Haiders Leichnam als erste obduziert hatte, schon knapp zwei Wochen nach dem Unfall Spekulationen über K.o.-Tropfen zurück. "Ich habe keinerlei Zweifel an meinen Ergebnissen", sagte Kathrin Yen. "K.o.-Tropfen sind nachweisbar, aber der Test bei Haider war negativ."
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Klagenfurt sagte an diesem Dienstag SPIEGEL ONLINE, dass Yens Gutachten inzwischen durch eine zweite Expertise aus Innsbruck gestützt wird: "Die Alkoholisierung des Herrn Haider hat sich bestätigt." Andere Substanzen seien nicht festgestellt worden. Das Ermittlungsverfahren werde in den kommenden Wochen abgeschlossen. "Wir warten nur noch auf das Gutachten des Kfz-Sachverständigen."
Gefährliche Stelle
Die 40.000-Euro-Abwrackprämie des BZÖ jedoch ist nicht alles, was man sich jenseits der Alpen in Sachen Heldengedenken hat einfallen lassen. Der Zeitung "Österreich" zufolge plant der Kärtner Landeshauptmann Dörfler, an der Unfallstelle eine Kapelle errichten zu lassen, ein sogenanntes Marterl. Das sei mit der Witwe Claudia Haider besprochen. Dazu solle das 70 Quadratmeter große, etwa 30.000 Euro teure Grundstück gekauft und dort aus verkehrstechnischen Gründen auch gleich ein Parkplatz gebaut werden, sagte Dörfler der "Kronen-Zeitung": Die Unfallstelle sei nicht ungefährlich.
BZÖ-Sprecher Heimo Lepuschitz bestätigte den Bericht nun auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Das BZÖ werde sein geplantes Haider-Monument ausschließlich über Spenden finanzieren. Es habe "Proteste anderer Parteien" dagegen gegeben, die Kapelle aus Steuermitteln zu errichten. "Wir setzen nun auf die Bereitschaft der Kärntnerinnen und Kärntner, für das Marterl zu spenden."
In anderer Hinsicht indes ist dem Verblichenen bereits dauerhafter Ruhm zuteil geworden - wiederum dank der Schützenhilfe eines treuen Gefolgsmannes. So beschrieb der Haider-Intimus Stefan Petzner, 27, den Landeshauptmann am Tag nach dem Unglück unter Tränen als "seinen Lebensmenschen". Diesen Begriff kürte eine Jury aus österreichischen Gelehrten unlängst zum "Wort des Jahres".