Historisches Datum bei Siemens (Xetra: 723610.DE - Nachrichten - Forum) : Heinrich von Pierer geht, Klaus Kleinfeld kommt als neuer Chef. Über die Handy-Sparte wird noch vor dem Stabwechsel entschieden.
von Stephan Bauer, Euro am Sonntag 04/05
Der 27. Januar 2005 wird in der 157jährigen Geschichte des Siemens-Konzerns ein bemerkenswertes Datum. Daß mehr als 10 000 Aktionäre zur Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle erwartet werden, ist noch alljährliche Routine. Was den Tag heraushebt, ist der Stabwechsel an der Spitze. Klaus Kleinfeld, jung, energiegeladen und durch die Sanierung des defizitären US-Geschäfts aufgestiegen, tritt die Nachfolge von Heinrich von Pierer an. Der Konzernlenker wechselt in den Sessel des Aufsichtsratsvorsitzenden.
Zuvor aber will von Pierer noch die Weichen für die marode Handy-Sparte stellen. "Sanieren, verkaufen, schließen oder kooperieren" – so hat der Siemens-Boß zuletzt die Bandbreite der Optionen aufgezählt. Eine Entscheidung drängt: Von März bis September 2004 fuhr die Sparte rund 230 Millionen Euro Miese ein. Die Lage ist so prekär, daß von Pierer bei der Bilanzpressekonferenz im November ausnahmsweise keine Prognose zur Gewinnentwicklung des Konzerns gab.
Läuft es so weiter, häufen sich die Verluste. Die Credit Suisse schätzt das Minus auf über 420 Millionen Euro. Was also tun? "Am besten wäre es, Siemens würde verkaufen. Doch wahrscheinlicher ist ein Joint Venture", sagt etwa Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment.
Tatsächlich ist völlig unklar, ob es überhaupt Interessenten für das Geschäft gibt. Siemens’ chinesischer Handy-Partner Ningbo Bird, über dessen Vertriebsnetz die Münchner ihre Mobiltelefone in China verkaufen, hat bereits dankend abgelehnt. Eine Kooperation nach dem Vorbild Fujitsu-Siemens bei PCs erscheint vielen Beobachtern als plausibelste Variante. Motorola (NYSE: MOT - Nachrichten) , die koreanische LG und Japans NEC gelten als mögliche Partner. Mit NEC arbeitet man bereits bei Handy-Netzen, mit Motorola bei UMTS-Handys zusammen. Das Kalkül: Ein Joint Venture käme auf höhere Stückzahlen, könnte billiger produzieren.
Die Nerven der Belegschaft liegen unterdessen blank. Von einem Abbau von über 1000 Stellen allein in München war bereits die Rede. "Die Stimmung ist am Nullpunkt", stöhnt ein Betriebsrat. "Ich halte einen Arbeitsplatzabbau für nicht ausgeschlossen", sagt auch der Aufsichtsrat und Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Georg Nassauer.
Im Gegensatz zu vielen Analysten glaubt Nassauer indes noch an die Zukunft des Handy-Geschäfts bei Siemens. "Die Sparte kann man innerhalb eines Jahres drehen. Und das Argument, ein Konsumergeschäft wie Handys passe nicht zu Siemens, widerlegen etwa die Gewinne bei den Schnurlostelefonen", so Nassauer.
Dafür, daß Kleinfeld die Sparte selbst saniert, spricht auch eine Äußerung des Handy-Chefs in China, Peter Borger: "Wir wollen unseren Marktanteil im laufenden Jahr verdoppeln", meinte der selbstbewußt.
Erfahrungen mit Turnarounds hat Kleinfeld ja. Als Chef der US-Divisionen von Siemens hat der Aufsteiger gezeigt, daß er es kann. Kleinfeld verkaufte Teile, nahm seine Manager rigoros an die Kandare und drehte so das Geschäft in nur zwei Jahren auf über 500 Millionen Dollar Plus.
Wählte von Pierer als letzte Handlung die interne Lösung, so ließe das die Mitarbeiter noch lange nicht aufatmen: Über 10000 Leute verloren in dieser Zeit in den USA ihren Job. |