„Bei Steinhoff weiterer Milliardenverlust BILANZ-AFFÄRE - Abwärtstrend oder Wende zum Besseren? – Aktie nur noch ein „Penny-Stock“ Die Zukunft liegt im Nebel: das markante Hochregallager in Westerstede mit dem Logo von „Steinhoff Möbel“. In Westerstede war vor Jahrzehnten der Ursprung des heute kriselnden Weltunternehmens. BILD: Rüdiger zu Klampen DIE ZUKUNFT LIEGT IM NEBEL: DAS MARKANTE HOCHREGALLAGER IN WESTERSTEDE MIT DEM LOGO VON „STEINHOFF MÖBEL“. IN WESTERSTEDE WAR VOR JAHRZEHNTEN DER URSPRUNG DES HEUTE KRISELNDEN WELTUNTERNEHMENS. BILD: RÜDIGER ZU KLAMPEN Rüdiger Zu Klampen Weit verspätet wurde die Bilanz für 2017/2018 vorgelegt. Aber es wird schon weitergeschaut. AMSTERDAM/WESTERSTEDE. Der schwer angeschlagene Möbel- und Handelskonzern Steinhoff ist auch im zurückliegenden Geschäftsjahr tief in den roten Zahlen geblieben. 2017/2018 (das Geschäftsjahr endete Im September) wurde ein Verlust von 1,2 Milliarden Euro eingefahren. Das geht aus dem weit verspäteten, nun aber testierten Jahresbericht hervor, der in der Nacht zu Mittwoch vorgelegt wurde. Diese Zahl kann unterschiedlich interpretiert werden: Weiterhin bedrohlicher Milliardenverlust – oder aber ein vermeintlich günstiger Trend hin zu geringeren Defiziten. Denn für das Vorjahr 2016/2017 hatten korrigierte Zahlen immerhin noch rund vier Milliarden Euro Verlust angezeigt. Nun blickt die Finanzwelt auf den 12. Juli: Dann soll es Zahlen für das erste Halbjahr des neuen Geschäftsjahres geben: Wie gewinnträchtig laufen die aktuellen Geschäfte? Der heute von Südafrika aus geführte und in Amsterdam registrierte Konzern war durch einen Bilanzskandal in eine tiefe Krise gestürzt. Es läuft eine umfassende Restrukturierung. Es wurden bereits Vermögenswerte im Milliardenumfang abgeschrieben bzw. korrigiert. Zur schweren Belastung ist der Schuldenberg – immer noch im höheren einstelligen Milliardenbereich – geworden. Die Gläubiger halten einstweilen still. Es gibt immer neue Fristen. Der Kurs der in Frankfurt börsennotierten Aktie war abgestürzt, nachdem im Dezember 2017 Unregelmäßigkeiten in Bilanzen bekannt geworden waren. Nach dem Börsengang 2015 war die Firma zeitweilig mit über 20 Milliarden Euro bewertet worden. Heute liegt der Börsenwert bei nur noch einigen Hundert Millionen Euro – recht mickrig im Vergleich zum Schuldenstand. Aktie ein „Penny Stock“ Der Kurs, einst bei über fünf Euro, kostete am Mittwoch nach einem weiteren Kursrückschlag nur noch etwa acht Cent, nahe am Allzeittief. Steinhoff, einst bei Großanlegern und Pensionsfonds als vermeintlicher Wachstums- und Substanz-Wert begehrt, ist damit ein schwindsüchtiger „Penny-Stock“ geworden. Viele Anleger, darunter einige in der Region, sitzen auf hohen Verlusten. Das gilt auch für Kleinanleger. Unserer Zeitung ist ein Fall aus dem Oldenburger Land bekannt, in dem ein privater Investor „rund 70 000 Euro abgeschrieben“ hat. Das nach dem Sturz des früheren Vorstandsvorsitzenden Markus Jooste erneuerte Management hat nun bereits einige Besitztümer versilbert, um Geld in die Kasse zu bekommen – von einem Firmenjet bis zum Anteilspaket am Möbeldiscounter Poco. Zu den Opfern des Skandals zählen auch die Familien vieler Menschen, die in Westerstede für den Konzern tätig waren. Dutzende Kündigungen wurden nach Informationen unserer Zeitung ausgesprochen – und oft schon umgesetzt. Vor Ort im Ammerland fragt man sich aus guten Gründen, ob überhaupt noch Aktivitäten am Ursprungsort des Unternehmens, das in den 90er Jahren nach Südafrika verlagert wurde, übrig bleiben werden. Dazu hüllt sich der Konzern bisher in Schweigen – wie auch zu den heutigen Besitz- und Nutzungsverhältnissen bei dem Hochregallager mit dem Steinhoff-Logo an der A 28. Es ist seit Jahrzehnten für Vorüberreisende quasi das Westersteder Wahrzeichen. Bruno Steinhoff (81), dessen Westersteder Handelsvertretung in den 60er Jahren der Ursprung des heutigen Weltkonzerns mit 40 Marken und mehr als 120 000 Mitarbeitern war, hatte das imposante Gebäude zur Möbel-Lagerung errichtet. Der ihm bzw. seiner Familie zugerechnete, noch verbliebene Anteil gilt aktuell als minimal. Ergebnisse? Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in dem südafrikanischen Konzern bekam die Öffentlichkeit 2015, als es eine Razzia Oldenburger Ermittlungsbehörden gab. Bis heute wird wegen eventueller Bilanzfälschung ermittelt. Parallel dazu laufen nun seit den 2017 publik gemachten Bilanzproblemen Ermittlungen. Dabei soll es um künstlich aufgeblähte Buchungen und Transaktionen, die teils möglicherweise nie stattgefunden haben, gehen. Von einem Milliardenvolumen ist die Rede. Im Brennpunkt steht der einstige Vorstandsvorsitzende Jooste. Aber ein externer Prüfungsbericht weist im Zusammenhang mit möglicherweise irregulären Transaktionen auch auf eine mehrköpfige Gruppe weiterer Manager hin – teils aus dem Nordwesten. Wann werden die Ermittlungen in dem komplizierten Gestrüpp von Konzernstrukturen und Transaktions-Verläufen mit externen Firmen wohl abgeschlossen, in Oldenburg wie Südafrika? Das ist völlig offen. Derweil gibt es längst neue Fronten für die Möbelfirma. Neben den Schulden sind das auch Klagen von Anlegern, die sich falsch informiert fühlten. Daraus könnten erhebliche Belastungen erwachsen. Unter denen, die Forderungen formulierten, ist paradoxerweise sogar der frühere Aufsichtsratschef Christo Wiese.“ |