Guten Abend alle zusammen! Nachfolgend ein sehr interessantes Interview mit AMS-Boss Everke in der Süddeutschen Zeitung. Beste Grüße, Longie
"Ich kann sehr gut abwarten"
15. Mai 2020, 18:57 Uhr
Es war eine der spektakulären Übernahmen der vergangenen Jahre: Der kleine Chip- und Sensorikhersteller AMS aus der Steiermark in Österreich hat die deutlich größere und 110 Jahre alte Traditionsfirma Osram für 4,6 Milliarden Euro gekauft. Das Vorgehene von AMS-Chef Alexander Everke, 57, war durchaus umstritten, er hat das Geschäft mit fast brachialer Gewalt gegen viele Widerstände durchgesetzt und sogar zwei große, milliardenschwere Finanzinvestoren aus den USA ausgebootet. In seinem ersten großen Interview macht Everke, ein Liebhaber britischer Sportwagen, klar, dass er nie am Erfolg gezweifelt hat. Beide Unternehmen sollen so schnell wie möglich zu einer gemeinsamen Firma verschmelzen. Es wird, und das nicht nur wegen Corona, viel eingespart werden. Für die gut 22 000 Osram-Mitarbeiter sind das keine guten Nachrichten - die Arbeitnehmervertreter hatten ohnehin von Anfang an vor einer Übernahme durch AMS gewarnt. Ein Interview in Corona-Zeiten, geführt am Telefon.
SZ: Herr Everke, Sie sind ausgebildeter Kampfsportler. Verraten Sie uns, um welchen Kampfsport es sich da genau handelt?
Alexander Everke: Ich habe, als ich jung war, eine ganze Reihe von Kampfsportarten gemacht - Jiu Jitsu, Karate, Taekwondo, auch Judo ... Aber es ging mir dabei nicht nur um den Kampf und das Training an sich, auch die Philosophie dahinter interessierte mich sehr. Man lernt dabei sehr viel über die chinesische, japanische und auch koreanische Kultur.
Und - können Sie davon etwas für Ihren heutigen Job gebrauchen?
Unbedingt. Man muss zielstrebig sein und immer ein klares Ziel vor Augen haben. Das kann man in unserem Geschäft gut anwenden.
Sie sind Vorstandschef in einem Unternehmen, der Kampfsportler an sich ist aber doch ein Einzelkämpfer.
Sie haben recht, es geht hier nicht um Mannschaftssport. Aber der Kampfsport basiert auf Respekt, auch dem Gegner gegenüber. Darüber hinaus: Klar, mein Team ist mir sehr wichtig, da sehe ich mich keineswegs als Einzelkämpfer.
Sie sind auch James-Bond-Fan.
Ja, durchaus.
Auch so ein klassischer Einzelkämpfer.
Das mag sein, aber James-Bond-Filme schaue ich mir einfach gerne an, das ist Unterhaltung für mich.
Auch Ihre Übernahmeaktion in München ist schon ein bisschen kinoreif: Hier der kleinere Chiphersteller AMS aus der Steiermark, da der große und durchaus stolze Traditionskonzern Osram. Einfach war die Sache von Anfang an nicht - haben Sie die Aktion schon mal bereut?
Nein, die Akquisition von Osram ist sehr strategisch für AMS, wir haben uns das sehr gut überlegt. Unser Ziel ist es, den weltweit größten Hersteller von Sensorik und Photonik zu schaffen. Da ändert man nicht andauernd seine Meinung. Und es war von Anfang an klar, dass es nicht einfach werden würde.
Trotzdem: Das ist nicht nur strategisch, sondern auch kulturell ein gewagtes Experiment, auch für einen Kampfsportler.
Da muss ich widersprechen! Denn das ist kein Experiment. Ich bin sicher, dass wir die Integration der beiden Unternehmen hinbekommen werden, und zwar mit viel Gefühl und auf sehr kooperative Weise. Das Feedback der Osram-Mitarbeiter wird übrigens immer positiver. Ich bekomme Mails auch von Osram-Mitarbeitern, die sich sehr über die Übernahme freuen.
Wenn die Osram-Übernahme ein 100-Meter-Lauf wäre: Wie viel der Strecke hätten Sie denn dann schon geschafft?
Den Anfangssprint haben wir sicherlich schon geschafft. Jetzt liegt die Integration vor uns. Wir müssen die gemeinsamen Ziele definieren, die Mannschaft motivieren. Ich würde sagen: Wir haben circa die Hälfte der Strecke hinter uns. Aber: Was jetzt kommt, wird noch wesentlich wichtiger als der erste Teil. So eine Integration machen Sie nicht in einem Quartal.
Bleiben wir kurz bei den ersten 50 Metern: Der Aktienkurs von AMS hat sich in den vergangenen drei Monaten halbiert, bei der jüngsten Kapitalerhöhung von 1,65 Milliarden Euro sollen sogar krisenerprobte Banker ins Schwitzen gekommen sein...
Das Umfeld ist sehr schwierig, aber wir sind in der Corona-Krise finanziell gut aufgestellt, unsere Quartalszahlen waren zuletzt sehr gut und der Ausblick auf das laufende Quartal ebenfalls. Die Finanzierung ist solide, auch wenn einige etwas anderes behaupten.
Osram hängt sehr stark von der Autoindustrie ab, AMS ist auf Apple angewiesen. Die Autoindustrie liegt aber gerade ziemlich am Boden, Apple hat zu kämpfen. Wie schwer werden die Einsparmaßnahmen Osram treffen?
Gemischte Teams von AMS und Osram schauen sich gerade an, wo künftig gespart werden kann. Dabei wird natürlich auch das Portfolio von Osram gründlich geprüft. Nicht alles, was heute dazugehört, wird dabeibleiben können. Das Digitalgeschäft zum Beispiel müssen wir uns gut ansehen. Zudem setzt Osram als eigenständiges Unternehmen sein Restrukturierungsprogramm um, was wir sehr begrüßen.
Der nächste Schritt wird dann sein, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit Osram abzuschließen. Spätestens dann aber müssten Sie mit AMS auch Geld zuschießen, wenn es Osram wegen der einbrechenden Autokonjunktur schlechter gehen sollte.
Verantwortung übernehmen wir schon ab dem Closing, das wir bis Ende Juni erwarten. Wir sind dann mit 68 Prozent größter Aktionär, da werden wir ganz klar Verantwortung übernehmen. Wir wissen, dass Osram sehr stark vom Autogeschäft abhängt, auf schwierige Zeiten sind wir daher vorbereitet.
Sie müssen dann ja noch die restlichen Osram-Aktionäre auszahlen, das kostet noch einmal sehr viel Geld. Was, wenn es wegen der Krise am Ende doch nicht klappt?
Die Antwort ist ganz einfach: Die Option, dass es nicht klappt, gibt es nicht. Es wird klappen! Im Grunde hat es ja schon geklappt.
Wie geht es weiter, wann gehen AMS und Osram zusammen?
AMS und Osram werden eine Firma werden, und zwar so schnell wie möglich, das ist unser Ziel.
Und wo wird dieses Unternehmen beheimatet sein?
Die Zentrale wird in der Steiermark in Österreich sein, die Co-Zentrale in München. München wird wichtig bleiben, hier sind viele gute Mitarbeiter.
Und wie wird das Unternehmen heißen?
Die Marke Osram wird erhalten bleiben. Wie der Name des neuen Unternehmens am Ende genau sein wird, werden wir noch entscheiden.
Wie viele Mitarbeiter müssen gehen?
Da wir auf Synergien hinarbeiten, werden es auch insgesamt weniger Mitarbeiter sein. Die genauen Zahlen kann ich Ihnen aber heute noch nicht sagen. Mittelfristig wollen wir aber wachsen und Jobs schaffen. Da wir zu einem der größten Hersteller von optischen Sensoren heranwachsen wollen, werden wir auch weitere Übernahmen sondieren.
Da spricht jetzt wieder der asiatische Kampfsportler. Der Mann, der am Fluss sitzt und wartet, was vorbei schwimmt.
Das ist es nicht, beobachten ist das eine, suchen das andere. Ich kann sehr gut abwarten und mich umschauen. Technologie zukaufen; ist fester Bestandteil unserer Strategie.
Osram-Chef Olaf Berlien sagte vor einigen Tagen auf die Frage nach seiner Zukunft: "Ich bin weiterhin hoch motiviert und mit großer Freude dabei." Wie geht es mit ihm weiter?
Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zum Management, und wir werden nach Juni darüber sprechen, wie es weitergeht und welche Veränderungen im Aufsichtsrat nun anstehen.
Sie kennen den Osram-Aufsichtsratschef Peter Bauer schon aus Ihrer gemeinsamen Zeit bei Infineon. Gab es da noch offene Rechnungen?
Das war eine sehr professionelle Übernahme, die mit der Vergangenheit nichts zu tun hatte. Und von offenen Rechnungen weiß ich nichts.
Und der monatelange Ärger mit den Betriebsräten von Osram?
Wir suchen eine konstruktive Zusammenarbeit und gute Diskussionen mit den Arbeitnehmervertretern. Mein Ziel ist, dass man irgendwann vergisst, ob jemand von Osram oder von AMS kommt.
Wie lange hatten Sie sich Osram eigentlich angeschaut, bevor Sie zugeschlagen haben?
Ich hatte Osram schon lange im Blick als potenzielles Ziel, zwei Jahre etwa.
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