"Das Virus wird endemisch – und dann ist Corona vorbei? Wer das annimmt, ist naiv. Denn sorgenfreie Zeiten sollte man sich darunter besser nicht vorstellen.
Der Trott der Pandemie, dieses scheinbar ewige Hoch und Runter, Raus und Rein, Hüh und Hott, diese zermürbende Existenz in Dauerschleifen und Einschränkungen, das alles muss endlich ein Ende haben. Wer würde das nicht unterschreiben? Sinnvollerweise steckt dieses von allen ersehnte Ende in dem Begriff, der jetzt die Runde macht: Endemie.
Das Wort kommt aus der Epidemiologie, was die wiederum freut, weil die Epidemiologen – neben den Virologen – es waren, die in dieser Krise stets als die größten Spielverderber galten. Fürs Ende der Pandemie liefern sie nun also das passende Ausstiegsszenario. Zeitlich passt das auch: Öffnung und Lockerung ist der pandemiepolitische Trend bei einigen europäischen Nachbarn, in Dänemark, Großbritannien und Spanien etwa. Und auch dort beruhigt man sich mit der Formel: Das Virus wird endemisch, Gefahr gebannt. Das ist, blickt man auf das Infektionsgeschehen mit Omikron, einigermaßen optimistisch.
Der Erreger bleibt In nur einer Woche hat dieses Virus beinahe eine Million Menschen in Deutschland infiziert, in den USA mit schwacher Impfquote und großteils null Kontaktbeschränkungen dürften sich nach seriösen Schätzungen vierzig Prozent der Bevölkerung in zwei Monaten angesteckt haben. Zum Vergleich: In einer Grippesaison stecken sich in vier Monaten allenfalls zehn Prozent an.
Das Virus rauscht also derzeit wie kein zweites durchs Volk. Früher oder später, manche hoffen schon, bis Herbst, werden alle – und damit auch alle aus dem Kreis der Ungeimpften, die nicht gestorben sind – eine mehr oder weniger schützende Abwehr aufgebaut haben. Dann haben wir die Endemie im Land. Endemie heißt: Der Erreger bleibt. Es gibt, grob gesagt, eine Balance zwischen Immunität und Inzidenz. Er zirkuliert und flammt hin und wieder auf, wo die Immunität schwindet oder fehlt. Bei Kleinkindern etwa – oder Hochaltrigen.
Positiver Corona-Schnelltest: Der Anblick wird die Deutschen noch eine Weile begleiten. Schwindet der Immunschutz langsam, kommt das Virus vielleicht alle zwei Jahre zurück, schützen frühere Viruskontakte und Impfungen sehr gut, kann das Virus womöglich sogar jahrelang in Schach gehalten werden. Wahrscheinlicher aber ist nach den Erfahrungen mit der Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit dieses Virus, dass die Immunität schneller als gewünscht schwindet und kürzere Infektionszyklen folgen. Endemie bedeutet also nie das Ende.
Wer Endemie mit harmlos gleichsetzt, verkennt, dass Malaria und Lassa auch endemisch sind. Die Pocken waren es, bis sie mit einem radikalen Impfregime ausgerottet wurden. Zu meinen, schrieb der britische Virologe Aris Katzourakis in „Nature“, dass Endemie das natürliche Ende der Covid-Gefahren bedeute, sei geradezu „gefährlich“."
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/...t-harmlos-17761371.html
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