Immobilien - Auf Sand gebaut - Die Konsequenzen

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Aus der FTD vom 24.10.2002 www.ftd.de/immobilien

Immobilien - Auf Sand gebaut
Von Matthias Lambrecht, Berlin, und Martin Diekmann, Hamburg

Jahrelang profitierten Immobilienanleger von Staatshilfen. Der geplante Subventionsabbau könnte den Markt ins Rutschen bringen.

Geht es nach dem rot-grünen Koalitionsvertrag, sind die fetten Jahre für Immobilienanleger bald Geschichte. Das Papier sieht vor, die Eigenheimzulage für kinderlose Hauskäufer zu streichen. Die degressive Abschreibung auf Gebäude wird abgeschafft, für die fortan allein gültige lineare Abschreibung ein Satz von nur noch zwei Prozent vorgeschrieben. Und wer eine vermietete Wohnung mit Gewinn verkauft, soll den auch nach Ablauf von zehn Jahren voll versteuern. Der lange mit Staatsmitteln gepäppelten Immobilienbranche würde der Subventionstropf aus der Vene gerissen.


Die Lobbyisten der Wohnungswirtschaft fürchten, dass die Zahl der Anträge auf Eigenheimzulage - 2001 wurden rund 580.000 gestellt - sich glatt halbiert. Die Folge: ein Rückgang der Bauinvestitionen um 28 Mrd. Euro pro Jahr, bis zu 250.000 zusätzliche Arbeitslose und Hunderte Firmenpleiten.



Schlechte Bilanz für Eichel


Für Finanzminister Hans Eichel sähe die Bilanz nach der Rechnung der Branchenverbände schlecht aus: Der erhofften Ersparnis von 5,8 Mrd. Euro stünden Einnahmeausfälle des Staates in Höhe von mehr als 14 Mrd. Euro gegenüber. "Es wird gespart, egal was es kostet", schimpft Gerd Koppenhöfer, Präsident des Bundesverbandes freier Wohnungsunternehmen.


Noch härter dürfte den Immobilienmarkt die ausgeweitete Steuer auf Verkaufserlöse treffen. Die Kalkulation Hunderttausender privater Anleger wäre durchkreuzt. "Für vier von fünf Käufern vermieteter Eigentumswohnungen waren in den vergangenen Jahren steuerliche Gründe ausschlaggebend", schätzt Manfred Poweleit, Chefredakteur des Branchendienstes "map-report". Vor allem Anleger, die bei ihrer Altersvorsorge auf steuerbegünstigte Immobilien setzten, hätten auf Sand gebaut: "Sie würden durch die Pläne der Bundesregierung bestraft", sagt Walter Klug, Managing Director bei DB Real Estate.


Bislang konnten Aufwendungen für Finanzierung und Unterhalt einer fremdvermieteten Wohnung sowie die Abschreibung steuerlich geltend gemacht werden. Der Wertzuwachs beim Verkauf nach Ablauf der Spekulationsfrist von zehn Jahren war steuerfrei - bis 1999 sogar schon nach zwei Jahren.



Fiskus greift nach fiktiven Veräußerungsgewinnen


Nach den rot-grünen Plänen dürfte das Finanzamt sogar zuschlagen, wenn der Investor seine Wohnung ohne Gewinn verkauft, rechnet der Berliner Immobilienberater Rainer Zitelmann vor: Die Steuer würde auf die Differenz aus dem Restwert nach Abschreibung und dem Verkaufspreis erhoben.


Wer also beim Verkauf seiner Immobilie nur 80 Prozent des Erwerbspreises erlöst und sie auf 60 Prozent abgeschrieben hat, müsste einen fiktiven Veräußerungsgewinn von 20 Prozent der ursprünglichen Kaufsumme beim Fiskus anmelden. Für Zitelmann wäre das "der Steuer-Gau für die Immobilienwirtschaft".


Die Koalitionspläne bedeuten "faktisch ein Verkaufsverbot für vermietete Immobilien", sagt Rainer Rau, Vorstand beim Finanzberater Feri. "Immobilien, für die Abschreibungsvergünstigungen in Anspruch genommen wurden, wären damit auf Jahre unverkäuflich." Dazu zählen alle Neubau-Immobilien, denkmalgeschützte Bauten, Objekte in Sanierungsgebieten sowie Häuser und Wohnungen, die vor August 1995 in den neuen Ländern erworben wurden.



Kapitalflucht und Preisverfall befürchtet


Offenen Immobilienfonds wäre das Geschäft ebenfalls gründlich verdorben. Selbst wenn sie Objekte erst zehn Jahre nach dem Erwerb weiterverkaufen, müssen sie - wie Private - künftig Steuern zahlen. Setzt sich die Regierung mit ihren Plänen durch, werden sich die Fondsmanager verstärkt nach Büro- und Wohnhäusern im Ausland umsehen, um sich steuerbegünstigte Verkaufserlöse zu sichern. Dasselbe gilt für geschlossene Fonds. Schon jetzt fließt die Hälfte ihrer Investitionen in Objekte jenseits der deutschen Grenze, 1996 waren es nur fünf Prozent.


Ergreift noch mehr Kapital die Flucht, ist ein Preissturz am heimischen Immobilienmarkt unvermeidbar. All jene, die noch in Deutschland investieren, werden niedrigere Kaufgebote abgeben, wenn sie die steuerlich schlechteren Bedingungen beim Wiederverkauf einkalkulieren.


Die Novelle würde auch die gewerbliche Wirtschaft treffen, deren Bürohäuser und Industriehallen mit einem Schlag an Wert verlören. Die Firmen müssen zwar schon heute den Wertzuwachs ihrer Immobilien beim Verkauf versteuern, unabhängig davon, wie lange sie die Gebäude in ihrem Besitz haben. Ein nachhaltig sinkendes Preisniveau würde jedoch die Korrektur der Immobilienwerte erfordern, die vielfach als Kreditsicherheit dienen.


Mancher Mittelständler, dem schon jetzt das Wasser bis zum Hals steht, müsste mit unerfreulicher Post von seiner Hausbank rechnen. Die Kreditinstitute werden peinlich genau darauf achten, dass die Unternehmen ihre Beleihungsgrenzen nicht überschreiten. "Das ist für mich das schlimmste Übel des ganzen Pakets", sagt der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser.



Indirekte Steuererhöhung


Die CDU/CSU macht denn auch Front gegen das rot-grüne Vorhaben. Einer vollen Besteuerung der Wertzuwächse wird die Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat nicht zustimmen. Zudem dürfte verfassungsrechtlich umstritten sein, ob der Fiskus zugreifen kann, wenn vor der Gesetzesänderung erworbene Wohnungen verkauft werden.


Anleger auf dem Immobilienmarkt wären indes schlecht beraten, auf das Bollwerk der Opposition in der Länderkammer zu vertrauen und sich entspannt zurückzulehnen. Selbst wenn der rot-grüne Vorstoß abgeschmettert wird, bleibt der Abbau von Subventionen und das Stopfen von Steuerschlupflöchern das Gebot der Stunde - die nächste Krise der öffentlichen Haushalte kommt bestimmt.


Ökonomen wie Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft kritisieren, dass die zusätzlichen Einnahmen nicht dazu verwendet werden, die Steuerlast für die Masse der Steuerzahler zu senken: "Deshalb handelt es sich hier auch nicht um Subventionsabbau, sondern um eine Steuererhöhung."



Abbau von Privilegien sinnvoll


Grundsätzlich hat Boss gegen die beabsichtigten Einschnitte am Immobilienmarkt jedoch nichts einzuwenden: "Jede Förderung der Bau- und Immobilienwirtschaft muss irgendwo herkommen, und das bedeutet: höhere Steuern in anderen Bereichen." Deshalb sei der Abbau von Privilegien sinnvoll, auch wenn die volkswirtschaftlichen Kosten den Nutzen zunächst übersteigen.


Die Folgen der Subventionssünden vergangener Jahre sind heute in den neuen Ländern zu besichtigen: "Die Sonderabschreibungen für Immobilien sind die Ursache für 1,1 Millionen leer stehende Wohnungen", sagt Tobias Just, Branchenanalyst bei DB Research. "Idealtypisch muss sich die Investitionen in Immobilien ohne Steuervergünstigung rechnen."




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Rot-grüne Pläne


Eigenheimzulage Gezahlt werden jährlich nur noch 1200 Euro pro Kind, Kinderlose gehen leer aus. Die Einkommensobergrenze sinkt.


Wiederverkauf Der Wertzuwachs beim Verkauf einer nicht selbst genutzten Immobilie wird voll besteuert. Die bislang geltende zehnjährige Spekulationsfrist entfällt.


Abschreibung Die degressive Abschreibung auf Gebäude wird abgeschafft. Der lineare Abschreibungssatz beträgt einheitlich zwei Prozent - bislang konnten bis zu drei Prozent abgesetzt werden.



© 2002 Financial Times Deutschland
 

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