Merkel erkaufte Gipfel-ErfolgViel gelobter EU-Finanzkompromiss kommt Deutsche teuer zu stehen - Nettobeitrag steigt um zwei Milliarden im Jahr / Opposition empörtGerold Büchner und Bettina Vestring BERLIN. Der viel gelobte Finanzkompromiss, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einer Woche beim EU-Gipfel vermittelt hatte, kommt Deutschland teuer zu stehen. Trotz knapper Kassen muss die Bundesregierung ab 2007 deutlich mehr Geld an die Europäische Union abführen. Nach deutschen Schätzungen, die der Berliner Zeitung vorliegen, wird der deutsche Nettobeitrag um knapp zwei Milliarden Euro auf 10,4 Milliarden Euro jährlich steigen. Deutschland wird zudem auch im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft größter Nettozahler der Union. Im Bundestag und im Europa-Parlament wurde Kritik laut. "Dieser viel gerühmte Kompromiss ist finanzpolitisch nicht zu verantworten", sagte der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms der Berliner Zeitung. "Wie soll ein deutscher Haushalt konsolidiert werden, wenn laufend zusätzliche Ausgaben oben drauf gesattelt werden?" Die Vereinbarung widerspricht auch dem Koalitionsvertrag von Union und SPD, der eine "relative Entlastung" bei den EU-Beiträgen vorsieht und auf Konsolidierungszwänge verweist. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Christine Scheel, kritisierte ebenfalls den Abschluss. "Merkel wurde rauf und runter gefeiert für das wunderbare Ergebnis, aber wenn dieses Ergebnis dazu führt, dass der deutsche Beitrag erheblich steigt, dann ist ein Haar in der Suppe", sagte sie. Für den deutschen Haushalt sei der Abschluss eine Belastung. Ein Pyrrhus-Sieg Auch im Europäischen Parlament stößt der Beschluss der EU-Regierungschefs auf anhaltende Kritik. Die Vorsitzende der FDP-Gruppe, Silvana Koch-Mehrin, kritisierte, während der deutsche Beitrag steige, blieben die Probleme wie hohe Agrarsubventionen und geringe Forschungsausgaben ungelöst. "Das ist ein Pyrrhus-Sieg für die Kanzlerin", sagte Koch-Mehrin dieser Zeitung. Die Finanzexpertin der europäischen Grünen, Helga Trüpel, monierte: "Aus nationaler Sicht hat sie nicht sehr gut verhandelt." Für Europa allerdings seien die deutschen Zugeständnisse richtig gewesen. Der Nettobeitrag ist die Differenz zwischen den Überweisungen nach Brüssel und den Rückflüssen in Form von Agrarbeihilfen oder Strukturförderung, etwa für Ostdeutschland. Zwar steigen diese Rückflüsse den deutschen Schätzungen zufolge in der Finanzperiode bis 2013 leicht an, weil die EU-Ausgaben insgesamt wachsen. Die Überweisungen von Berlin nach Brüssel aber erhöhen sich wesentlich stärker - von zuletzt 20 Milliarden auf über 23 Milliarden Euro jährlich. Andere EU-Staaten wie Italien oder Spanien hatten beim Gipfel vorige Woche zum Ausgleich höhere Rückflüsse ausgehandelt. Merkel hatte am Ende des Gipfels hervorgehoben, Deutschland spare gegenüber einem früheren Etatentwurf eine Milliarde Euro. Koch-Mehrin bezeichnet das als Vorgaukeln falscher Zahlen: Maßstab müssten bisherige Beiträge sein, nicht theoretische Berechnungen. Diese Sicht stützt auch die Bundesbank. Bereits im Oktober hatte sie den Netto-Beitrag ein "aussagekräftiges Kriterium" für die Belastung des Staates genannt. Der Anstieg dieses Beitrags ab 2007 folgt einer starken Absenkung in den vergangenen Jahren. 1995 unter Helmut Kohl führte Deutschland netto noch 22 Milliarden Mark an Brüssel ab. Gerhard Schröder drückte die Zahlungen auf 8,5 Milliarden Euro 2004. Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/511371.html |