RAUCHEN, TRINKEN, KRIEG
Das gute Geschäft mit dem Laster-Fonds
Von Carsten Volkery, New York
Der amerikanische Fondsmanager Dan Ahrens investiert nur in Tabak, Alkohol, Glücksspiel und Krieg. Das ist die Erfolgsformel, mit der er den S&P-500-Index schlägt. Sozialverträgliches Investieren hält er für pure Zeit- und Geldverschwendung.
Krisensicheres Geschäft mit Waffen: Joint Strike Fighter von Lockheed-Martin New York - An der Börse zählt laut Dan Ahrens nur eins: "Geldverdienen". Der Texaner hat dieses Konzept konsequent durchdacht - und heraus gekommen ist der "Vice Fund", übersetzt "Laster-Fonds". Der Fonds, der im September startete, ist einzigartig in den USA. Er enthält ausschließlich Aktien aus vier Branchen: Tabak, Alkohol, Glücksspiel und Rüstung. Die Idee ist ebenso simpel wie einleuchtend: "Menschen trinken immer, sie rauchen immer, und irgendwo auf der Welt gibt es immer Krieg", sagt der 36-Jährige. Laster seien selbst in Rezessionen ein todsicheres Geschäft, "weil sie nicht von der Konjunktur abhängen, sondern von der menschlichen Natur".
Zumindest die Geschichte gibt Ahrens recht. In den vergangenen fünf Jahren hätte sein Portfolio den S&P 500, der den breiten Markt repräsentiert, um Längen geschlagen: Die ausgewählten Laster-Aktien haben 53 Prozent zugelegt, der Standard-Index nur zwölf Prozent.
Nun ist die Vergangenheit beim Investieren kein guter Maßstab. Eine gute Performance bedeutet schließlich, dass diese Aktien im Moment relativ teuer sind und weniger Wachstumspotenzial haben als andere. Diesen Einwand kann Ahrens nicht widerlegen. Trotzdem gebe es bisher keinen Grund, am Laster-Potenzial zu zweifeln, sagt er. Zwar habe auch sein Fonds seit dem Start vor einem Monat im Bärenmarkt verloren - aber nur 6,7 Prozent gegenüber den 13 Prozent des S&P 500.
Der Laster-Fonds enthält rund 40 Aktien. Unter den zehn größten Posten sind Bier-Produzent Anheuser-Busch, British-American Tobacco, Lockheed-Martin und Casino-Betreiber Harrah's Entertainment.
Doch wenn die Idee so wasserdicht ist, warum hat sie dann vor ihm noch niemand umgesetzt? "Bisher hat sich keiner getraut - aus Angst vor negativen Schlagzeilen", erklärt der Manager. Im Land der Milliardenklagen gegen Tabakfirmen und der strikten Alkoholgesetze ist es wenig überraschend, dass große Banken und Fondsgesellschaften Angst um ihr Image haben.
Doch es gibt noch mehr Argumente gegen den "Vice Fund". So bringt die Konzentration auf wenige Branchen auch höhere Volatilität mit sich. Das führt zu höheren Gewinnen, wenn die Laster-Branchen boomen, aber zu ebenso hohen Verlusten, wenn sie leiden. Jede neue Milliardenklage gegen Philip Morris zum Beispiel dürfte das Portfolio überdurchschnittlich belasten.
Vertrieben wird der "Vice Fund" von Mutuals.com, einer Internetfirma in Dallas, die Fondsanteile direkt an Anleger verkauft. Ahrens ist Vizepräsident des Start-Ups. Mit einem Anlagekapital von 240 Millionen Dollar ist das Unternehmen ein kleiner Player in der amerikanischen Fondslandschaft.
Um unter den 8300 US-Fonds aufzufallen, greifen viele kleine Firmen zu PR-Gags. "Wenn du bei einer obskuren Firma bist und einen obskuren Fonds leitest, musst du solche Sachen machen, denn mit so einem Namen bekommst du mehr Presse", sagte Russel Kinnel, ein Analyst bei Morningstar, gegenüber der "Los Angeles Times".
In der Hinsicht ist Ahrens' Kalkül aufgegangen: Das Medienecho in den USA ist für einen Fonds dieser Größe beachtlich. Auf der Website (www.vicefund.com) sind Dutzende Artikel in allen wichtigen Publikationen gelistet. Auf Grund der Presse verzeichnet der Laster-Fonds laut Ahrens täglich Zuflüsse - gegen den allgemeinen Trend der Anlegerflucht. Inzwischen ist das Kapital auf zweieinhalb Millionen Dollar angeschwollen.
Laut Ahrens ist der "Vice Fund" auch eine Antwort auf die Bewegung des sozialverträglichen Investierens. "Diese Leute diskriminieren gegen Firmen auf der Basis von Werturteilen", sagt er. "Ich hingegen glaube an individuelle Freiheit. Jeder hat ein Recht auf Laster".
Das Hauptargument gegen sozialverträgliches Investieren bleibe aber, dass es schlecht fürs Portemonnaie und daher "dumm" sei. "In diesen Fonds finden Sie überdurchschnittlich viele Technologiefirmen, weil die progressiv und umweltfreundlich sind", höhnt Ahrens. Und setzt nach: "Ich habe lieber Philip Morris als Global Crossing in meinem Portfolio".
Ob die Laster-Strategie allerdings bessere Resultate bringt, bleibt abzuwarten. Ein ähnlicher Fonds, Morgan FunShares, der in Hersteller von Gewohnheitsgütern investiert (neben Zigaretten und Alkohol auch Kaugummi und Coca-Cola), hat im Bärenmarkt auch Federn lassen müssen. Seit Jahresbeginn ist der an der Nasdaq gelistete geschlossene Fonds über 20 Prozent gefallen.
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,217671,00.html |