Guten Morgen,
ich habe mir heute mal Gedanken zu der uns bekannten Aktionärsstruktur gemacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass unser Hauptaktionär PIC (mit rund 10% der Aktien) im Gegensatz zu anderen shareholder- und vendor-claims zwar auch juristische Mittel in Betracht zieht, man bis dato jedoch noch keine Schadenersatzforderungen gestellt hat. Laut Steinhoff hat der PIC mit zehn anderen "Investoren" (wäre interessant zu erfahren um welche es sich hierbei handelt!) in den Niederlanden im Februar 2019 die Forderung gestellt, dass es eine Untersuchung geben soll, welche zum einen die Vergangenheit vor dem Skandal, als auch jene Schritte die danach unternommen wurden durchleuchten soll. Darüber hinaus will man auch ein unabhängiges Mitglied im Aufsichtsrat nominieren, welches die Kommunikation mit den Aktionären verbessern soll (Halbjahresbericht 2019, Seite 84).
Das erste Hearing wurde ja für Ende Mai angepeilt, jedoch dann auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Vermutlich wartet man hier die Phase 2 der PwC Untersuchung ab, da wohl zwei parallele Untersuchungen wenig Sinn machen.
Was mich allerdings positiv stimmt ist die Tatsache, dass unser Hauptaktionär inkl. zehn weiteren Aktionären im Gegensatz zu Wiese und anderen Klägern scheinbar keine finanzielle Ansprüche erhebt. Man könnte genauso gut seine (mittlerweile fast wertlosen) Aktien verkaufen und wie andere Altaktionäre auf Schadenersatz pochen. Tut man aber nicht, sondern verlangt nur mehr Transparenz. Somit ist der PIC in gewisser Weise auch auf unserer Seite, denn er zwingt Heather Sonn im Grunde ihr Versprechen vom Investor Day - bei dem sie für die Zeit nach der CVA Implementierung mehr Transparenz zugesagt hat - auch wirklich wahr zu machen. Ansonsten werden PIC et al. diese Transparenz durch ein zusätzliches Aufsichtsratsmitglied erzwingen.
Auch was die Ansprüche von Wiese betrifft bin ich sehr zuversichtlich. Zum einen herrscht ja vermehrt die Meinung, dass seine Ansprüche ohnehin keinen Rückhalt haben, zum anderen gehe ich davon aus, dass diese Klage im Grunde nur Selbstschutz von seiner Seite war, um nicht selbst in die Schusslinie zu geraten. Auch seine jüngsten Aussagen stimmen mich positiv. In einem Interview mit Reuters hat er im März 2019 folgende Aussage getroffen:
I would expect Steinhoff to give me back my money, and I will give them back their worthless shares (...) But everybody knows the company does not have that kind of money, so our approach has been that the only way forward is for all the stakeholders to sit around the table and reconstruct the company,
"Ich würde mir erwarten, dass Steinhoff mir mein Geld zurückgibt und ich würde ihnen im Gegenzug meine wertlosen Aktien zurückgebe (...) Aber jeder weiß, dass das Unternehmen dieses Geld nicht hat, darum ist es unser Ansatz, dass es das einzig weitere Vorgehen sein kann sich mit allen Stakeholdern an einen Tisch zu setzen und das Unternehmen wieder aufzubauen."
Quelle: https://uk.reuters.com/article/...-over-4-billion-claim-idUKKCN1QZ0YF
Das klingt für mich danach, als ob Wiese seine Drohung nicht wahr machen wird. Interessanterweise hat auch das Management nie ein Fünkchen Kritik an Wiese geübt und ihn immer außen vor gelassen. Man hätte ihm ja genauso gut Versagen in seiner Funktion als Aufsichtsrat vorwerfen können - hat man aber nicht. Darum glaube ich, dass dieser Anspruch nur ein öffentlichkeitswirksamer Schachzug von Wiese ist, der nur so lange bestehen wird, bis die Phase 2 der PwC Untersuchung abgeschlossen ist und es sich abzeichnet, dass ihn keiner klagen wird.
Aus meiner Sicht wäre das auch die beste Strategie des Managements, denn es ist besser Wiese gemeinsam mit dem PIC als Verbündete zu haben. Wenn sich die Aktionäre und das Management gegenseitig zerfleischen, dann freuen sich die Gläubiger, die weiterhin ihre Zinsen kassieren. Tritt man einigermaßen geschlossen auf hat man zumindest eine Verhandlungsposition und eine Chance, dass diese Hauptaktionäre einen Teil ihrer Verluste wieder sehen.
Die Frage ist zudem was die Altaktionäre von einem zusätzlichen Aktienpaket hätten, sollte man sich entscheiden ein solches als Entschädigung zu leisten (Zahlungen wird man kaum tätigen können, da jeder Cent in die Tilgung bzw. vorerst in die Zinszahlungen fließen muss). Ich kann nicht einem Altaktionär ein Aktienpaket zugestehen, dem anderen aber keines oder ein verhältnismäßig geringeres. Wenn man jetzt anfängt Aktien an die geschädigten zu Verteilen, dann haben die nicht besonders viel davon, denn das einzige was man damit bewirkt ist, dass die Aktien die sie noch halten auch noch zusätzlich verwässert werden.
Das Management befindet sich bei dem ganzen Spiel in einer interessanten Mittlerposition zwischen Altaktionären und Gläubigern. Im Grunde kann man beide Stakeholdergruppen gegeneinander ausspielen: Wenn die Altaktionäre nicht mitspielen, dann geht die Bude flöten und die Gläubiger bekommen nur einen Teil ihres Kapitals zurück und können sich die Zinsen in die Haare schmieren. Spielen die Gläubiger nicht mehr mit, dann gehen die Altaktionäre ganz leer aus. Somit hat Wiese in seinem Interview den Nagel ziemlich gut auf den Kopf getroffen: Nur wenn sich Gläubiger und (Alt-)Aktionäre zusammen an einen Tisch setzen und dafür sorgen, dass Steinhoff eine Zukunft hat, dann können beide Seiten profitieren. Tun sie das nicht, dann verlieren beide.
Davon einmal abgesehen: Wenn hier davon ausgegangen wird, dass die Gläubiger es auf einen Debt-to-Equity Swap anlegen, dann einmal bitte aus dieser Perspektive betrachten. Die Gläubiger könnten sich bei der aktuellen Marktkapitalisierung von Steinhoff von rund 260 Mio. EUR mit ihren 860 Mio. EUR PIK Zinszahlungen im Jahr drei "Steinhoffs" kaufen. Sie fahren also mit den Zinsen ziemlich gut und können mit einem Teil der Zinsen auch noch am Markt billig Aktien kaufen um auch noch in einer Zeit nach den PIK Zinsen am Unternehmen mit zu naschen (sofern sie das wollen und/oder nicht schon längst tun). |