Will man die Energiewende im Verkehr komplett vollziehen, reichen Batterie und E-Motor nicht aus. Die Brennstoffzelle könnte eine sinnvolle Ergänzung sein.
Warum wir die Brennstoffzelle brauchen 26.02.2019 08:00 Uhr Von Christoph M. Schwarzer
Das Auto ist das Versprechen auf unbegrenzte Mobilität. Ein Konzept, das allen Zweiflern zum Trotz extrem erfolgreich ist: 2020 könnte erstmals die Marke von 100 Millionen neu gebauten Pkw überschritten werden. Dazu kommen jährlich Zehntausende neuer Nutzfahrzeuge unterschiedlichster Bauart.
Die Welt rollt – und das vorwiegend mit Kraftstoffen aus fossilen Quellen. Der Rohölpreis ist weiterhin stabil und keine akute Ursache, über neue Antriebe nachzudenken. Dennoch gibt es vielfach eine politische, strategische und ökologische Motivation, über das Aus des Verbrennungsmotors nachzudenken.
Zurzeit werden batterieelektrische Autos in fast allen industriell geprägten Volkswirtschaften staatlich gefördert. Das gilt vor allem für China, wo man die Chancen für die eigene Nation erkannt hat: Man macht sich unabhängig von Rohölimporten, hat die Ressourcen für die Batterieproduktion im Land, und man kann die ausländischen Hersteller in ihrer Kernkompetenz – dem Bau von Verbrennungsmotoren – aushebeln.
Nach langer Entwicklungszeit liefert Mercedes jetzt den GLC F-Cell aus. Er hat eine extern aufladbare Batterie für kurze Strecken, ist also per Definition ein Plug-in-Hybrid. Für die lange Tour nutzt er eine Brennstoffzelle. Der Mercedes GLC F-Cell hat eine extern aufladbare Batterie für kurze Strecken, ist also ein Plug-in-Hybrid. Für lange Touren nutzt er eine Brennstoffzelle. Etwa die Hälfte aller E-Autos wird hier verkauft. Im Weltmaßstab liegt der Marktanteil bei knapp fünf Prozent, von denen wiederum ein Drittel auf Plug-in-Hybride entfällt, also Fahrzeuge, die immer noch einen Verbrennungsmotor haben.
Komplementärlösung der Elektromobilität
In Abhängigkeit des Preisverfalls der Batterien steigt die Konkurrenzfähigkeit an. Die offene Frage ist, was mit den Fahrzeugen ist, die auch in Zukunft nicht sinnvoll und ökonomisch damit bewegt werden können. Sollen die weiterhin mit Verbrennungsmotoren fahren? Genau hier kommt die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle ins Spiel. Nicht als Ersatz-, sondern als Komplementärlösung.
Hier lohnt ein Blick auf das international stark nachgefragte Segment der SUVs: Ein Hyundai Nexo mit Brennstoffzellen-Antrieb ist dank drei Minuten Tankzeit flexibler einsetzbar, hat eine höhere Reichweite und ist günstiger als die batterieelektrischen Wettbewerber Audi e-tron oder Mercedes EQC. Herausragend ist der Unterschied beim Gewicht: Der Hyundai Nexo wiegt über eine halbe Tonne weniger.
Brennstoffzelle vs. E-Motor: Der Hyundai Nexo ist preisgünstiger, hat mehr Reichweite, ist in drei Minuten betankt und wiegt über eine halbe Tonne weniger als die Batterie-elektrischen Wettbewerber Mercedes EQC und Audi e-tron. Brennstoffzelle vs. E-Motor: Der Hyundai Nexo ist günstiger, hat mehr Reichweite, ist in drei Minuten betankt und wiegt über eine halbe Tonne weniger als die Batterie-elektrischen Wettbewerber Mercedes EQC und Audi e-tron. Diese mehrere hundert Kilogramm Gewichtsunterschied pro Fahrzeug sind der Spiegel des extremen Materialeinsatzes in batterieelektrische Autos. Stahl und Aluminium, Kupfer, Lithium, Nickel und Kobalt. Eine Mischung aus Metallen. Sollten die rund 100 Millionen Neuwagen pro Jahr plus Nutzfahrzeuge alle ausschließlich mit Akkus fahren, müssen entsprechend große Mengen Ressourcen aus dem Erdboden geholt werden. Das ist keineswegs das Gleiche wie die Förderung von Erdöl, das unwiderruflich verbrannt wird. Aber es regt zu dem Gedanken an, ob Batterien die einzige zielführende und wahre Lösung sind.
Eine Alternative bleibt Wasserstoff, der per Elektrolyse aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Die Brennstoffzelle ist überall dort geeignet, wo große Strecken bewältigt und hohe Lasten transportiert werden müssen. Diese Grenzlinie kann es bereits in der Golf-Klasse geben. Viele Autos dienen ohnehin nur als Pendel- und Einkaufswagen. Für sie ist die Batterie ein hervorragendes System. Bei regelmäßiger Langstreckennutzung aber werden die Nutzer den ständigen Wechsel aus Laden und Fahren nicht akzeptieren, so lange es Verbrennungsmotoren gibt.
Batteriegewicht schränkt Nutzlast ein
Ähnlich ist es bei den Nutzfahrzeugen. Volkswagen verkauft den e-Crafter als Lieferfahrzeug mit rund 100 Kilometer Reichweite. Die Wolfsburger haben auf der letzten IAA zusätzlich den Prototypen Crafter HyMotion mit Brennstoffzelle vorgestellt. Zum einen, weil die mögliche Aktionsdistanz damit kein Thema ist. Zum anderen, und das ist in der Nutzfahrzeugbranche elementar, weil Batterien wegen ihres hohen Eigengewichts die Zuladung begrenzen.
Volkswagen Nutzfahrzeuge hat als Ergänzung zum Batterie-elektrischen e-Crafter die Studie des Crafter HyMotion mit Brennstoffzelle vorgestellt. Der Brennstoffzellen-elektrische Antrieb im HyMotion ist uneingeschränkt flexibel, und die Nutzlast wird nicht reduziert. VW Nutzfahrzeuge hat als Ergänzung zum Batterie-elektrischen e-Crafter die Studie des Crafter HyMotion mit Brennstoffzelle vorgestellt. Nun könnte man darauf hoffen, dass die Zellchemie sich exponentiell verbessert. So, wie wir das von Mikrochips gewohnt sind. Die Wirklichkeit ist leider vom Gegenteil geprägt: Der Fortschritt ist mühsam und kleinteilig. Evolution statt Revolution. Subvention statt Selbstläufer.
Für das Elektroauto mit Brennstoffzelle sprechen der Beitrag zur Energiewende, der geringe Materialeinsatz (es wird nicht mehr Platin gebraucht als für einen heutigen Diesel-Katalysator) sowie die flexible Nutzbarkeit. Der Convenience-Faktor, also der Wert der Bequemlichkeit, sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden. Als unabänderbarer Nachteil bleibt der doppelte Energieaufwand bei der Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Konsequenz: Je mehr Erntemaschinen in Gestalt von Photovoltaik- und Windkraftanlagen es dafür gibt, desto größer die Unabhängigkeit von den Förderländern der endlichen Ressourcen.
Mitmachen oder zusehen
Wir brauchen die Brennstoffzelle, wenn wir den Verbrennungsmotor vollständig ersetzen wollen. Dass der Aufbau der Tankstellen-Infrastruktur in Deutschland jetzt endlich vorangeht, ist darum eine gute Nachricht. Was fehlt, ist das entschlossene Handeln der heimischen Industrie: Hyundai lässt in der Schweiz 1000 schwere Brennstoffzellen-Lkw auf die Straße. Gleichzeitig verkauft der Hersteller batterieelektrische Autos wie den Ioniq. Das koreanische Unternehmen steht damit repräsentativ für das, was in Asien passiert – die geplante und systematische Abkehr vom Verbrennungsmotor auf allen Ebenen.
Die deutsche Autoindustrie von der BMW Group über die Daimler AG bis zur Volkswagen AG ist nicht untätig, agiert aber zaghaft. So kooperieren BMW mit Toyota und Audi mit Hyundai bei der Brennstoffzelle. Gleichzeitig kommen immer mehr batterieelektrische Autos auf den Markt. Wer sich einseitig ausrichtet, nimmt das Risiko hin, bei einer schnellen Marktbewegung nicht reagieren zu können. Die Antriebswelt der kommenden Dekade ist differenziert, nicht monoton.
https://www.heise.de/hintergrund/...nstoffzelle-brauchen-4313051.html |