Irans Erstschlag Wie die Regierung in Teheran die Hisbollah als Handlanger für ihre politischen und militärischen Ziele benutzt - Kommentar der anderen von Edwar N. Luttwak Die zerstrittene und rivalisierende iranische Führung hat sich durch ihre Aktionen offenkundig darauf geeinigt, das Angebot Europas und der Vereinigten Staaten abzulehnen, wonach man im Gegenzug für die Aufgabe des Atomanreicherungsprogrammes einen Kernreaktor und Flugzeugteile bekommen hätte sowie wirtschaftliche Kooperationen und weitere Übereinkommen in Aussicht gestellt worden wären. Statt jedoch untätig auf Sanktionen zu warten, beschlossen die Iraner, eine Nahost-Krise vom Zaun zu brechen, indem sie Angriffe der Hamas und der Hisbollah gegen Israel initiieren.
Das Ziel ist, die Amerikaner und Europäer davon abzuhalten, eine andere Krise zu entfachen - Finanzmärkte und Tagespolitik in Europa ertragen nur ein gewisses Maß an Konflikt. Und man hofft wahrscheinlich auch, die gemeinsame Position der USA und der Eeuropäischen Union zu erschüttern.
Obwohl es sich bei der Hamas um einen Ableger der sunnitischen Muslimbruderschaft handelt, deren arabische Finanziers die Ayatollahs verabscheuen, entschied sie sich, mit dem Iran zu kooperieren, weil sie diplomatisch isoliert und von westlichen Finanzströmen abgeschnitten war.
Gezielte Provokation Nachdem ihr oberster Chef 50 Millionen Dollar in dringend benötigtem Bargeld in Empfang genommen hatte, intensivierte die Hamas ihre Raketenangriffe auf angrenzendes israelisches Gebiet, drang auf israelisches Territorium vor, tötete zwei israelische Soldaten und entführte einen weiteren.
Damit beschwor man israelische Vergeltungsschläge herauf und löste, wie vom Iran gewünscht, die Offensive im Gaza-Streifen aus. Wieder einmal hat sich gezeigt, daß der Hamas die Sache Palästinas viel mehr am Herzen liegt als das Wohlergehen der Palästinenser. Die Hisbollah für die Strategie des Iran zu gewinnen, war weitaus schwieriger. Während sie eine ungefähr 5000 Mann starke Guerilla-Terroristentruppe unterhält, bemühte sich ihr Führer Hassan Nasrallah jahrelang, die Hisbollah zu einer legitimen politischen Partei und zum Hauptvertretungsorgan der libanesischen Schiiten zu machen.
Um aber von den anderen Libanesen akzeptiert zu werden, mußte die Hisbollah dem libanesischen Konsens zustimmen, wonach der Wiederaufbau und die wirtschaftliche Erholung des Landes oberste Priorität hätten. Das hieß, ein Krieg mit Israel war zu vermeiden. Der UN-Sicherheitsrat verlangt die Entwaffnung und Auflösung der Hisbollah-Milizen. Die Hisbollah allerdings behauptete, ihre Waffen zu benötigen, um „libanesisches Territorium“ befreien zu können. Damit wird auf ein winziges Stück Land angespielt, die sogenannten Shebaa-Farmen, die von UN-Inspektoren Israel zugeordnet wurden, von denen die Hisbollah jedoch behauptet, sie wären ein Teil des Libanon.
Andere politische Parteien im Libanon erklärten sich einverstanden, dass die Hisbollah ihre Waffen für den Kampf in diesen Gebieten behalten könne – unter der Bedingung, daß der Frieden entlang der gesamten anderen Grenze mit Israel gewahrt bleibt. Genau diese Bestimmung verletzte Nasrallah durch die Anordnung eines Raketenangriffs auf israelisches Gebiet und eines Angriffes auf eine israelische Patrouille, die sich ganz und gar nicht in der Nähe der Shebaa-Farmen aufhielt. Damit gab die Hisbollah ihren politischen Anspruch im Libanon auf.
Die israelische Reaktion ist keineswegs auf Vergeltungsschläge beschränkt. Über die Jahre hat die Hisbollah mehrere tausend Raketen und einige hundert Lenkwaffen mit größerer Reichweite vom Iran erhalten.
Ausgang absehbar
Vor kurzem haben zwei iranische Spitzenpolitiker gedroht, Israel mit Hisbollah-Raketen zu attackieren, sollte Israel iranische Nuklearanlagen angreifen. Israel nutzt daher die jetzige Gelegenheit, unterirdische Arsenale und Geheimverstecke auszuheben und zu zerstören. Das politische Ziel Israels ist es, die Position der Hisbollah als legitime politische Partei im Libanon zu zerstören, indem man sie als bezahlten Handlanger des Iran präsentiert. Daher blockiert Israel die libanesischen Häfen und zerstört die Infrastruktur, um ausreichenden politischen Druck auf die Hisbollah zu erzeugen.
Natürlich ist der Ausgang der Auseinandersetzungen sowohl im Gaza-Streifen als auch im Süden des Libanon aufgrund des einseitigen militärischen Gleichgewichts vorherbestimmt. Die einzige offene Frage in beiden Fällen ist, wieviel Schaden Israel anrichten muss, um einen Waffenstillstand zu erreichen.
*Der Autor ist Militärstratege, Publizist und Senior Fellow am Center for Strategic and International Studies, Washington; er zählt zu den einfklussreichtsten Strategie-Beratern der USA © Project Syndicate; Übersetzung: Helga Klinger-Groier. |