LONDON. Kaum ein Preis an den Rohstoffmärkten schwankt derzeit so stark wie der für das „Natural Gas“ in den USA. Viele Marktteilnehmer blicken gebannt auf die Milliardenverluste des US-Hedge-Fonds Amaranth Advisors, der mit seiner Spekulation auf steigende Gaspreise Schiffbruch erlitten hat und einen Milliardenverlust verbuchen musste.
Doch der Terminmarkt zeigt, dass es bei Erdgas bald eine Preiswende nach oben geben dürfte. Die Terminkontrakte im mittleren Bereich sind ein Maßstab für die mittelfristigen Preiserwartungen. Und Erdgas zur Lieferung im Januar/Februar 2007 notiert mit knapp acht Dollar je MMBtu (umgerechnet 293 kWh), der Kontrakt für Januar/Februar 2008 bei etwa neun Dollar. Zurzeit liegt der maßgebende „Henry Hub-Gaspreis“ (benannt nach einer Pipeline in Louisiana) für Gas aus dem Golf von Mexiko an der New York Mercantile Exchange bei weniger als sechs Dollar per MMBtu.
Nach der Einschätzung von Michael Lewis von der Deutschen Bank wird sich der Preis in diesem Winter zu erholen beginnen. Auch vom Ölmarkt dürfte Unterstützung für den Gaspreis kommen. Für das vierte Quartal gehen Lewis und viele seiner Kollegen von einem durchschnittlichen Ölpreis von 70 Dollar aus. Er ist zurzeit von seinem Top von 74 Dollar im Juli um gut 20 Prozent auf etwa 60 Dollar je Barrel und damit auf den niedrigsten Stand seit sechs Monaten gefallen.
Michael Zenker, Energieexperte bei den Cambridge Research Associates in Paris, blickt noch weiter in die Zukunft. Er sieht bald das Ende der „hausgemachten“ amerikanischen Erdgaspreise herannahen. Der Preis werde zunehmend unter den Einfluss des Weltenergiemarktes geraten. Bisher mussten die USA nur vier Prozent ihres Erdgasbedarfs aus Importen decken. Doch wegen der bereits seit Jahren schrumpfenden Eigenförderung wächst der Importbedarf ständig. Nach Schätzungen des US-Energieministeriums, EIA, wird er sich bis 2015 gar versechsfachen. Weder die Lieferungen aus Kanada noch die von dem südlichen Nachbarn Mexiko würden schnell genug wachsen. Die USA, der größte Energieverbraucher der Welt, werden daher immer mehr Flüssiggas (LNG) kaufen. Daher sagt Kevin Norrish von Barclays Capital: „Die Preise werden mindestens noch drei Jahre steigen“. Umstritten ist bei Experten allerdings, wann es zur Preiswende nach oben kommt. Manche Experten, etwa die von Credit Suisse in Zürich, gehen kurzfristig von zunächst weiter nachgebenden Preisen aus. Nach ihrer Ansicht ist der starke Abwärtstrend bisher noch nicht gestoppt. Die US-Öl- und Gasvorräte für den Winter, so Händlerkreise, hätten ein hohes Niveau erreicht – auch das spricht gegen einen raschen Anstieg.
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<!--/nodist-->Der Markt hat in der Tat einen tiefen Einbruch hinter sich. Der Gaspreis ist zurzeit auf fast ein Drittel seines Rekordstands von über 15 Dollar im Dezember vergangenen Jahres abgesackt. Dieser Preis war bei Anbruch des letzten Winters erreicht worden, als die US-Gasvorräte durch die Förderausfälle im Golf von Mexiko nach den Zerstörungen durch die Hurrikane Rita und Katrina auf einen kritischen Stand gefallen waren. Seine Talfahrt hat sich in den letzten Wochen noch beschleunigt, weil Hedge-Fonds und andere „Spieler“ an dem Markt auf Produktionsausfälle durch eine neue Welle von Hurrikanen gesetzt hatten – und die sind bisher ausgeblieben.
In diesem Zusammenhang kam es zu der Fehlspekulation von Amaranth. Die jüngsten Panikverkäufe durch eine Reihe von Hedge-Fonds haben laut George Hopley von Barclays Capital in London den US-Gaspreis zusätzlich belastet. Seit Anfang August stürzte er um über 40 Prozent ab – der Preis für Rohöl dagegen um nur knapp die Hälfte.
Großverbraucher USA
Produktion: Die USA trugen 2005 rund 526 Mrd. Kubikmeter und damit 19 Prozent zur Welterdgasförderung bei. Sie verbrauchten mit knapp 634 Mrd. Kubikmetern aber 23 Prozent des weltweiten Angebots. Russland war mit einer Förderung von knapp 600 Mrd. Kubikmetern der Welt größter Gasproduzent – und förderte damit doppelt so viel Gas wie der Nahe Osten.
Reserven: Bei den Reserven liegen die Länder der Russischen Föderation mit 49 Bill. Kubikmetern weit vorn. Es folgen Iran mit 26 und Qatar mit 25 Bill. Kubikmetern. Die 5,5 Bill. Kubikmeter Reserven der USA reichen bei Fortschreibung des Verbrauchs nur zehn Jahre. Die Länder der ehemaligen Sowjetunion halten etwa ein Drittel der weltweiten Gasreserven, der Nahe Osten 40 Prozent.