Eigentum für alle
08.07.2007 Ausgabe 27/07 Immobilienaktien sind in den vergangenen Monaten unter die Räder gekommen. von Thorsten Schüller
Wolfgang Egger ist ein Manager der ungewöhnlichen Art. Der Augsburger trägt seine langen, glatten Haare mal als Pferdeschwanz, mal offen. Sein Geschäft sind Immobilien, doch die Zentrale seiner Firma Patrizia könnte auch ein Museum für moderne Kunst sein: Das Interieur ist eine Komposition aus Farben, Flächen und Skulpturen. Im Eingangsbereich stehen Metallteile des Hamburger Wasserturms, ein Schriftzug verweist auf die Patrizia Kinderhaus Stiftung, an den Wänden hängen Lithografien von Keith Haring. Auf einem Bild feiert ein Investmentbanker ausgelassen den perfekten Deal, dicke Bücher liegen herum: Über Kunst, über Afrika, die Mongolei. Regionen, die der Patrizia-Gründer aus der Zeit kennt, als er mit dem Rucksack durch die Welt reiste.
Egger ist 41, doch er wirkt wie ein Junge, der schon immer schräge Sachen machte. Aufgewachsen auf dem katholisch geprägten Land zwischen Augsburg und München war Priester seine Bestimmung. Doch dann kaufte er sich mit zwölf Jahren eine Spiegelreflexkamera. Er fotografierte Gebäude. Architektur faszinierte ihn. Mit 18 baute er sein erstes Haus. Für 500000 Mark. Eineinhalb Jahre später verkaufte er es. Für 750000 Mark. Damit nahm seine berufliche Laufbahn einen anderen Weg.
„Wohneigentum in Mieterhand“, ist das Credo des Patrizia-Gründers. Es sprudelt bayerisch- schwäbisch aus ihm heraus, auch als er die Firmenstrategie erläuert: Kaufen, Renovieren und nach einigen Jahren mit Gewinn an die Mieter oder umliegende Bewohner verkaufen. Sanierungen ja, Luxus nein. Die Leute sollen ihre Wohnungen weiterhin bezahlen können. Egger kann sich ereifern, wenn Menschen Jahrzehnte zur Miete wohnen und damit riesige Chancen vertun: „Da haben sie ihre Immobilie dreimal abbezahlt.“ Er rechnet vor, dass es auch bei 10000 Euro Eigenkapital Sinn macht, Eigentum zu erwerben. Man staunt.
Patrizia hat sich den Ruf erworben, sozialverträglich vorzugehen. Erst kürzlich hat die Firma in München die Siedlung Ludwigsfeld mit 700 Wohnungen erworben. Andere Immobilienunternehmen würden um die 1953 gebauten Häuser einen Bogen machen. Der durchschnittliche Mietpreis beträgt 2,61 Euro pro Quadratmeter, viele Mieter haben lebenslangen Kündigungsschutz. Doch gerade in der Verbundenheit der Bewohner mit ihren Wohnungen sieht Egger den wahren Wert.
13000 Wohnungen stehen derzeit in den Büchern der Gesellschaft. Allein vergangenen November hat Patrizia von der Meag, einer Tochter der Münchener Rück, 6425 Wohn- und Gewerbeeinheiten gekauft. Im ersten Quartal 2007 kamen weitere 2737 Wohnungen der HDI Gerling Lebensversicherung dazu. Dass er einen Großteil der Meag-Wohnungen bis April 2008 nicht weiterverkaufen darf, nehmen die Aktionäre zwar übel, Egger selbst geht mit dieser Umsatzbremse aber locker um.
Wenn er von seiner unternehmerischen Vision spricht, verfällt er in einen Redefluss. Im Stakkato versucht der Mann mit der eckigen Brille seine Idee einer „Real-Estate-Industry“ zu vermitteln, eines Immobilienunternehmens, dass von der Planung über die Finanzierung und den Kauf bis zum Gebäudemanagement alle Leistungen erbringt.
Er zeigt eine Deutschlandkarte mit vielen kleinen Punkten darauf. Überall dort habe das Marktforschungsteam von Patrizia untersucht, ob es sich lohnen würde, Wohnungen zu kaufen. „Keiner hat so ein umfangreiches Research wie wir“, behauptet Egger. Einkommen, Kaufkraft, soziales Gefüge, all das ging in die Datenbank ein. Die Rechercheure haben sogar nachgesehen, welche Gardinen vor den Fenstern hängen. „Daraus kann man schließen, ob die Leute bereit wären, ihre Mietwohnung zu kaufen.“
Die Anleger kaufen derzeit nicht. Die Euphorie, von denen Immobilienaktien noch vor Monaten getragen wurden, ist verflogen. Während vor allem ausländische Investoren im vergangenen Jahr den deutschen Immobilienmarkt wegen seiner niedrigen Preise stürmten, haben die Kurse von Unternehmen wie Deutsche Wohnen, TAG Tegernsee, Colonia Real Estate oder Gagfah seit Februar stark in der Gunst der Investoren verloren. Mittlerweile sind viele Papiere wieder billig zu haben.
Das gilt auch für Patrizia. Für 18,50 Euro kam die Aktie im März 2006 an die Börse. Nach einem Anstieg auf über 23 Euro befindet sich das Papier seit Monaten im Sinkflug und notiert derzeit unter 14 Euro. „Der Kurs ist eine Katastrophe“, räumt Egger ein.
Patrizia hat in den 15 Monaten seit dem Börsengang nicht gerade um die Gunst der Anleger gebuhlt. Die Kommunikation mit den Finanzmärkten war auf ein Minimum reduziert. Das will Egger nun ändern.Auch die Denke und Sprache der Finanzwelt hat der Vorstandschef noch nicht verinnerlicht. Wenn er davon erzählt, dass Cash-Flow für ihn nicht alles sei, er den Börsengang „nicht verhindern“ konnte und er versprochen hatte, dauerhaft die Mehrheit an der Firma zu halten, aktuell aber bei rund 45 Prozent liegt, ist das erstmal erklärungsbedürftig. Man muss bei ihm auch auf die Nachsätze achten: Dass er Immobilienbestand vor Cash-Flow stelle, dass die Patrizia „keine Tochter der Caritas“ sei, dass der Börsengang notwendig gewesen sei, um das Wachstum der Firma zu finanzieren und dass es Großinvestoren symphatischer fanden, als er die Mehrheit abgab. Dass er im Jahr vor dem Börsengang ein Sabbatical in New York eingelegt hat, dürfte Manchen dennoch aus seinem eingefahrenen Denkkonzept werfen.
Eggers Finanzchef Georg Erdmann kennt die Gesetze des Marktes. Er versucht, ein paar Dinge gerade zu rücken, die verrutscht waren. Den Zeitungsbericht zum Beispiel, dass Patrizia die Bilanz geschönt haben sollte. Erdmann spricht von Buchungen, die vielleicht nicht jedem sofort klar waren, aber korrekt gewesen seien. Er legt die Latte bei der Eigenkapitalrendite auf 13 bis 20 Prozent und prognostiziert für die nächsten Jahre kräftiges Wachstum. Auch für die Depression des Aktienkurses hat der Finanzchef eine Erklärung: Umsätze und Erträge, die 2007 fließen sollten, werden wegen des befristeten Veräußerungsverbotes der 3500 Meag-Wohnungen erst 2008 und 2009 kommen. Zudem würden die steigenden Zinsen und die angespannte Situation auf dem US-Immobilienmarkt belasten.
Dabei ist die Lage in der Branche keinesfalls so düster, wie es scheint. Die DWS verweist darauf, dass der deutsche Immobilienmarkt derzeit vom Konjunkturaufschwung und niedrigen Immobilienpreisen profitiere. Auch für den Gewerbeimmobilienmarkt stehen die Zeichen gut, stellt die VEM-Aktienbank fest. Insbesondere Einzelhandelsimmobilien hätten „immenses Potential“. Die Branche dürfte in den nächsten Jahren ein starkes Wachstum sehen, getrieben von der starken Wirtschaft und steigenden Konsumausgaben. Auch die Einführung von steuerlich begünstigten Real Estate Investment Trusts (Reits) könnte den Markt voranbringen. Zwar hat die Reits-Euphorie nachgelassen, dennoch erwarten sich Branchenkenner davon nach wie vor deutliche Impulse.
Wegen dieser Tends ist Egger nicht bange um Patrizia, trotz des enttäuschenden Aktienkurses. Er kennt das Geschäft seit über 20 Jahren, die Aufs und Abs. Und er ist sich sicher, dass auch in Deutschland die Eigentumsquote auf über 50 Prozent steigen wird. Der Blick geht an Egger vorbei zu einem gegenüber liegenden Haus, in dem eine Dachterrassenwohnung zum Verkauf steht. Auf einem Schriftzug steht: „Anrufen, einziehen, runterspucken.“ Der Spruch stammt von Egger. |