Bericht der DSW über die Gläubigerversammlung der Wirecard AG am 18.11.2020 im Löwenbräukeller, München Die Versammlung begann verspätet um kurz nach 9:00 Uhr. Der zuständige Richter des Insolvenzgerichts, Herr Dr. Haag, hat die Versammlung eröffnet. Insgesamt waren bei der Versammlung 74 Teilnehmer anwesend. Die DSW und damit alle Wirecard-Anleger, die die DSW mit der Vertretung in der Gläubigerversammlung bevollmächtigt hatten, wurde bzw. wurden durch die Rechtsanwältin und DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt sowie Rechtsanwalt Nikolaus F. X. Lutje und die Rechtsanwälte Wolfgang Schärfe sowie Jonas Nowotka von der Kanzlei unseres DSW-Vizepräsidenten Klaus Nieding, Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft, vertreten. Die Gläubigerversammlung war ruhig und sachlich. Etwa zehn geschädigte Aktionäre waren persönlich vor Ort. Der Rest waren Anwälte und Gläubigervertreter. Zu allererst gab Herr Jaffé seinen Bericht ab. Er erklärte, dass die Wirecard eine große Blase gewesen sei. Es hätte ihn gewundert, dass so wenig Geschäft mit so vielen Mitarbeitern betrieben wurde. Er übergab einen umfangreichen schriftlichen Bericht, den wir derzeit auswerten, um für Sie die richtigen Schlüsse für das weitere Verhalten daraus ziehen zu können. Zu einigen aus seiner Sicht wichtigen Punkten machte er weitere mündliche Ausführungen. So zeichnete er nochmals den Weg der Aufklärung des Betrugs bei Wirecard nach. Deutlich wurde gesagt, dass es weder die Treuhandkonten in Singapur, noch das sogenannte Drittpartnergeschäft gegeben habe. Vieles bei Wirecard sei Schein gewesen. Dies bereite nun auch Probleme bei der Verwertung. So sei es schwierig, Unternehmensteile an neue Eigentümer zu veräußern, da sich hier niemand „die Finger verbrennen“ will. Es will schlicht fast kein Unternehmen mit dem Namen Wirecard und allem was damit zu tun hat, in Verbindung gebracht werden. Er sei deshalb sehr froh, dass er inzwischen die wirklich werthaltigen Teile verkaufen konnte, zuletzt das Geschäft in München an die Bank Santander. Diese hätte auch eine Jobgarantie für die 500 Mitarbeiter abgegeben und wolle den Standort beibehalten. Erstaunlich wäre für den Insolvenzverwalter gewesen, dass der Firma Wirecard eigentlich nichts gehört hätte. Alles sei geleast gewesen. Aus diesem Grund schlug der Insolvenzverwalter der Versammlung auch nicht vor, einen Insolvenzplan aufzustellen, sondern bat darum eine Entscheidung dahingehend zu treffen, dass der Geschäftsbetrieb stillgelegt wird, soweit er Kosten verursacht. Die wohl aussichtsreichsten, aber auch am schwersten zu realisierenden Zuflüsse für die Insolvenzmasse erwartet Herr Jaffé von noch geltend zu machenden Forderungen an verschiedene Parteien, wie Ex-Vorstände oder den Wirtschaftsprüfer. Hinsichtlich der Forderungsanmeldungen wurde klar, dass sehr viel Arbeit auf den Insolvenzverwalter zukommen wird. Es werden von ihm rund 100.000 Anmeldungen erwartet. Diese würden, das sei absehbar, eine sehr unterschiedliche Qualität haben. Dies gelte insbesondere für die Forderungsanmeldungen der Aktionäre. Hier deute sich bereits eine Diskussion mit den anderen Gläubigern an, die zum Teil bestreiten würden, dass die Aktionäre einen gleichrangigen Anspruch hätten, obwohl dies vom BGH bereits in zumindest zwei Fällen geklärt ist. Es gab für die Abstimmungen deswegen auch eine rege Diskussion darüber, ob die Forderungen der Aktionäre, die angemeldet wurden, ein volles Stimmrecht nach dem angemeldeten Schadensersatzbetrag hatten. Der Vorschlag des Insolvenzverwalters war, dass diese Forderungsanmeldungen mit 30 % des angemeldeten Wertes als Stimmrecht bewertet werden würden. Hierzu erfolgte eine heftige Diskussion, letztlich wurde der Vorschlag aber akzeptiert. Zu 50 % würden sonstige Forderungen bewertet, bei denen der Grund feststehe, die Höhe aber umstritten sei. Zu 100 % würden die Forderungen bewertet werden, die sich aus der Buchhaltung der Wirecard schon heute unbestritten in Grund und Höhe ergeben würden. Ausdrücklich betonte Herr Jaffé mehrmals, dass die Bewertung des Stimmrechts mit 30% bei den Aktionären keinerlei Anhaltspunkt dafür biete, wie wahrscheinlich es ist, dass die Forderungen in voller Höhe zur Tabelle anerkannt werden können. Es sei aus seiner Sicht einfach zu früh, das zu beurteilen. Herr Jaffé deutete an, dass letztlich vor Gericht zu klären sein werde, welchen Schadensersatz in welcher Höhe die Aktionäre in diesem Verfahren hätten. Im Laufe der weiteren Sitzung wurde über die Bildung und die Größe eines Gläubigerausschusses gesprochen. Hierbei beantragte auch der Insolvenzverwalter den bisher vierköpfigen vorläufigen Gläubigerausschuss auf 5 Personen aufzustocken. Im bisherigen Gläubigerausschuss waren Vertreter der ING Bank, ein Arbeitnehmervertreter, ein Vertreter des Investors Trinity, der zuvor zahlreichen Banken deren Forderungen abgekauft hatte, und Herr Rechtsanwalt Marvin Kewe vertreten. Es wurde erst über die Beibehaltung des vorläufigen Gläubigerausschusses als ständiger Gläubigerausschuss abgestimmt; dem wurde zugestimmt. Im Hinblick auf die Erweiterung wurde ebenfalls abgestimmt. Hier hat ein Vertreter der Commerzbank die meisten Stimmen bekommen, sodass dieser nun im Gläubigerausschuss sitzt. Weitere Diskussionen gab es nicht. Die Gläubigerversammlung wurde um 12:58 Uhr beendet. *** |