Ein anderes Beispiel: Im Juni 2006 wurden vier Tage nachdem der israelische Soldat Gilad Shalit am Sicherheitszaun zum Gaza-Streifen gekidnappt wurde laut israelischer Medien 60 Mitglieder der Hamas verhaftet, darunter 30 gewählte Mitglieder des Parlamentes und acht Minister der palästinensischen Regierung: der Ressortchef für Jerusalem, der Finanzminister, der Minister für Erziehung und Bildung, für religiöse Angelegenheiten, für Inneres, für Wohnungsbau, für Justiz und für den Strafvollzug. Dazu kamen der Parlamentspräsident sowie die Bürgermeister von Bethlehem, Jenin und Qalqilia. Dass diese Leute mitten in der Nacht aus ihren Betten geholt und auf israelisches Gebiet gebracht wurden, um vermutlich gegen Gilad Shalit ausgetauscht zu werden, machte aus dieser Operation in unseren Medien keine Entführung. Israel entführt nie - Israel verhaftet.
Die israelische Armee tötet auch nie absichtlich, geschweige denn ermordet sie jemanden - ein Zustand auf den jede Armee neidisch wäre. Selbst wenn eine Ein-Tonnen-Bombe auf ein dicht bevölkertes Wohngebiet im Gazastreifen fällt und ein Bewaffneter sowie 14 unschuldige Zivilisten, darunter neun Kinder, ums Leben kommen, ist das kein absichtliches Töten oder vorsätzlicher Mord. Ein israelischer Journalist kann sagen: "IDF-Soldaten haben Palästinenser tödlich getroffen." Oder: "15 Palästinenser haben den Tod gefunden" (als ob sie danach gesucht hätten). Aber Mord kommt nicht in Frage. .... "Wenn ein bewaffneter Palästinenser die Grenze überquert und israelischen Boden betritt, nach Tel Aviv fährt und dort auf Leute schießt, dann ist er doch ein Terrorist, und wir sind die Opfer, nicht wahr? Doch wenn die israelische Armee die Grenze überquert, meilenweit in den Gaza-Streifen eindringt und anfängt, auf Bewaffnete zu schießen, wer ist dann der Terrorist und wer der Verteidiger? Wie kommt es, dass die Palästinenser, die in den besetzten Gebieten leben, nie zur Selbstverteidigung handeln können, während die israelische Armee stets der Verteidiger ist?" ... Da zugleich die Begriffe "Besatzung", "Apartheid" und "Rassismus", ganz zu schweigen von "palästinensischen Bürgern Israels", "ethnische Säuberung" und "Nakba"* im medialen Diskurs nicht vorkommen, können Israelis ihr ganzes Leben verbringen, ohne zu wissen, in welchem Umfeld sie leben. Man nehme zum Beispiel Rassismus: Wenn die Knesset ein Gesetz verabschiedet, wonach 13 Prozent des Landes nur an Juden verkauft werden dürfen, dann ist dies ein "rassistisches Parlament". Wenn in 60 Jahren das Land nur einen einzigen arabischen Minister hatte, dann hat Israel "rassistische Regierungen". Wenn 60 Jahre lang bei Demonstrationen gummiummantelte Kugeln und tödliche Munition nur gegen arabische Demonstranten verwendet werden, dann hat Israel eine "rassistische Polizei". Wenn 75 Prozent der Israelis zugeben, dass sie sich weigern würden, einen arabischen Nachbarn zu haben, dann ist die Gesellschaft "rassistisch". Indem man nicht anerkennt, dass Israel ein Ort ist, wo Rassismus die Beziehungen zwischen Juden und Arabern bestimmt, ist es den israelischen Juden unmöglich, sich mit der Realität ihres eigenen Lebens auseinander zu setzen.
http://www.hagalil.com/austria/2008/fischer-01.htm
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