6.03.2012 spiegel online
Griechischer Anleihetausch Trojanisches Pferd von der Bank
Griechischer Anleihetausch Trojanisches Pferd von der Bank Demonstrant vor dem griechischen Parlament: Klamme Kassen, heiße HerzenZur Großansicht AP
Demonstrant vor dem griechischen Parlament: Klamme Kassen, heiße Herzen
Lass' uns feilschen: Die klamme griechische Regierung hat Anleihebesitzern ein Umtauschangebot gemacht. Auch Tom König bekommt diese Offerte von seiner Bank zugestellt - und fühlt sich prompt über den Tisch gezogen.
Die Griechen sind pleite. Nein, anders: Die Griechen sind temporär liquiditätsmäßig inhibiert. Sie möchten deshalb, dass die Gläubiger der Hellenischen Republik auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
Die meinen mich!
Kürzlich hatte ich darüber geschrieben, wie schwierig es Kleinanlegern mit Griechen-Bonds im Depot fällt, an Informationen über den geplanten Schuldenerlass zu gelangen. Meine Hausbank, das Finanzministerium und andere Institutionen vertrösteten mich: Sobald die Konditionen des Haircuts (so nennen Banker die anstehende Depotrasur) ausgehandelt seien, werde man mich informieren.
Ende Februar hat Griechenland eine Offerte vorgelegt. Aber brauchbare Informationen sind noch immer Mangelware.
Mischung aus Kryptik und Lakonik
Zwar hat mir meine Bank, die Comdirect, inzwischen einen Brief geschickt. Doch das Schreiben zeichnet sich durch eine Mischung aus Kryptik und Lakonik aus, die sogar einen antiken Athener Logiker ins Schwitzen gebracht hätte.
Nirgendwo ist von Schuldenerlass, drohender Pleite, Wertverlust oder ähnlichen Unerfreulichkeiten die Rede. Stattdessen beginnt das Schreiben lapidar mit dem Satz: "Die Emittentin unterbreitet den Anleiheinhabern ein Umtauschangebot."
Im Weiteren werden insgesamt vier neue Wertpapiere aufgelistet, die ich im Tausch für jede 1000-Euro-Anleihe erhalten soll. Sie haben geheimnisvolle Namen wie "GDP-Linked-Notes" oder "PSI Payment Notes". Die Nominalwerte der Papiere addieren sich zu 780 Euro plus "Accrued Interest Notes", also "Schuldverschreibungen im Gegenwert der aufgelaufenen Zinsen".
Klingt verwirrend. Klingt aber gleichzeitig nach einem interessanten Deal. Denn in der Zeitung stand etwas von einem 50-prozentigen Haircut. In dem Brief liest es sich jedoch so, als blieben mir 78 Prozent des Nominalwertes, plus irgendwelche Zinsen. Das ist gut, richtig?
Drei Viertel des Geldes futschikato?
Falsch, das ist schlecht. Diese neuen Anleihen sind ein echtes Danaergeschenk, sie stehen in der großen griechischen Tradition des trojanischen Pferdes. Die neuen Anleihen haben variable Zinssätze und sehr lange Laufzeiten. Ein paar fixe Analysten haben errechnet, dass der Realverlust bei rund 75 Prozent liegen wird. Es ist also keineswegs so, dass man drei Viertel seines Geldes behält; drei Viertel sind futschikato.
Davon steht in dem Brief nichts. Es liegen auch keinerlei Informationen zu den Einzelheiten bei. Die Comdirect weist lediglich darauf hin, das griechische Umtauschangebot sei "sehr komplex". Und wenn ich das alles genauer wissen wolle, könne ich ja die Angebotsunterlagen studieren. Man schicke mir diese auf Anfrage gerne.
Das Dumme daran: Die Frist für das Angebot endet bereits am 6. März. Also versuche ich es auf der offiziellen Seite Greekbonds.gr
Dort ist der 166-seitige Prospekt hinterlegt. Bevor ich ihn downloaden darf, muss ich ein sechstufiges Menü überwinden, mit Fragen wie dieser: "I am accessing this website as a custodian or clearing system participant in order to submit a PSI Participation Instruction or a PSI Revocation Instruction or to review the status of previously submitted Instructions."
Ähh... wie war das noch mal im vorderen Teil des Satzes?
Beim dritten oder vierten Anlauf schaffe ich es, alle sechs Fragen korrekt zu beantworten. Zur Belohnung darf ich den Prospekt aufrufen, der in Lesbarkeit und Übersichtlichkeit einem deutschen Steuerrechtskommentar ähnelt. Ich habe früher als Finanzredakteur gearbeitet, und so gelingt es mir nach ein, zwei Stunden herauszufinden, was ich eigentlich schon ahnte: Dass dies ein ziemlicher schlechter Deal ist.
Es empfiehlt sich die Merkel-Methode
Nun sind Wertpapieranlagen risikoreich, Jammern also zwecklos. Caveat emptor sagt der Lateiner - der Käufer gebe Obacht. Ärgerlich finde ich jedoch die enorm kurze Frist von einer Woche. Um jetzt (ausnahmsweise) ein bisschen polemisch zu werden: Liebe Griechische Republik. Erst habt ihr, als es um euer Geld ging, monatelang die Hacken in den Teer gestellt. Nun, da es um meines geht, drängelt ihr wie einst Xerxes vor Salamis. Habt ihr noch alle Oliven am Baum? Wie soll man einen derart komplexen Sachverhalt binnen Wochenfrist prüfen? Gegen diese Überrumpelungstaktik empfiehlt sich gemeinhin das Merkelsche Verteidigungsmanöver: Man entscheidet einfach gar nichts. Das könnte funktionieren, denn in dem Anleiheprospekt findet sich folgender Passus: "Sollten weniger als 75 Prozent dem Umtausch zustimmen … wird die Republik die Transaktion nicht durchführen".
Angesichts des intransparenten Umtauschprocederes und der kurzen Frist kann man sich gut vorstellen, dass dieser Fall eintritt. Ich bin bereit, die verbleibenden 25 Prozent meines Anleihewerts darauf zu verwetten, dass nach dem Scheitern des Umtauschs erst einmal nichts passiert. Vielleicht sogar bis 2013. Dann wird meine Anleihe fällig. Bis dahin übe ich mich in griechischer Geduld und germanischer Sturheit. |