Eishockey ist auf dem Weg zum Kunstlauf Freezers Fans in Aufruhr. Die verschärfte Regelauslegung in der DEL spaltet nicht nur Spieler und Trainer - auch die Anhänger. Von Lutz Wagner
Hamburg - Es kommt dieser Tage nicht oft vor, daß Freezers-Coach Mike Schmidt den Referees in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) spontan Beifall zollt. In der 30. Minute der Dienstag-Partie gegen Mannheim (5:1) war dies der Fall. Als Adler-Angreifer Jeff Shantz nach einer harmlosen Attacke theatralisch aufs Eis sank, wurde er von Schiedsrichter Axel Rademaker für zwei Minuten auf die Strafbank verbannt - wegen unsportlichen Verhaltens.
"Respekt, ich habe zum ersten Mal erlebt, daß ein Spieler für Schauspielerei bestraft wurde", lobte Schmidt den Unparteiischen. Wenn die neue Regelauslegung dazu führe, daß die Schwalbenkönige in die Kühlbox flattern, solle ihm das nur Recht sein. Überdies hat Schmidt aber nicht sonderlich viel übrig für die neue Schiedsrichterlinie bei den Regelverstößen Haken, Halten und Behinderung. "Jetzt wird ja schon geahndet, wenn sich die Verteidiger einfach nur Platz verschaffen", moniert der Freezers-Coach. Dies werde in der Endkonsequenz wohl zu weitesgehend körperlosem Spiel führen. "Dabei soll doch Eishockey ein Spiel mit Emotionen sein, in dem es auch mal zur ordentlich zur Sache geht", findet Schmidt.
Sein Schützling Francois Fortier gehört unterdessen - wie auch Schmidts Trainerkollegen Pierre Page (Berlin) und Hans Zach (Köln) - zu den Befürwortern der neuen Regelauslegung. "Mir, als gutem Techniker, kommt die strengere Linie entgegen", so der Kanadier. "Ich werde weit weniger unfair behindert als früher, kann mich ungestörter bewegen." Die neue Freiheit nutzte der 26jährige aus Quebec gegen Mannheim zu drei wunderschönen Toren und ist mit insgesamt 16 Treffern jetzt zweitbester Knipser nach Jeff Ulmer (17).
Daß im Gegensatz zur jüngsten Auswärtspartie in Nürnberg sein Team statt 50 Strafminuten nur zwölf kassierte, wunderte Schmidt unterdessen nicht. Was die Anzahl der Strafen angehe, biete die Color-Line-Arena keineswegs einen Heimvorteil. "Auch die Gastmannschaften bekommen hier nicht viele Strafzeiten. Weil die Beeinflussung der Schiedsrichter durch die Zuschauer in einer modernen Arena weit nicht so groß ist, wie in den alten, kleinen Hallen, etwa in Düsseldorf, Nürnberg oder Iserlohn", erklärt der Coach.
Die neue Regelauslegung spaltet nicht nur Spieler und Trainer. In Aufruhr sind längst auch die Anhänger, wie eine Abendblatt-Umfrage bei den Fanclubs ergab.
Maik Behnk (Eispiraten): "Mit der neuen Richtlinie ist Eishockey nicht mehr der harte Männersport, das geht jetzt mehr in Richtung Eiskunstlauf. Sie bevorteilt technisch starke Teams, so daß die Meisterfrage fast schon geklärt ist: Köln oder Berlin? Die Freezers haben ohnehin kein attraktives Eishockey geboten - jetzt vergeht einem die Lust noch mehr. Zumal die Ticketpreise für solch ein Niveau zu hoch sind."
Benjamin Schulze (Hackfressen): "Das ist eine Verarschung der Fans. Die wollen vor allem Action sehen. Das zunehmend körperlose Spiel erinnert stark an Basketball. Nach dem Hickhack um Auf- und Abstieg wird dieses seichte Eishockey weitere Fans kosten."
Ralph Wittern (Freezersfreunde Norderstedt): "So macht man Eishockey kaputt. Es war immer ein Spiel Mann gegen Mann mit Körperkontakt. Jetzt werden die Spieler zu Weicheiern gemacht."
Marion Boettcher (Young Freezers): "Der Zeitpunkt mitten in der Saison ist äußerst schlecht gewählt. Das ist verwirrend für die Zuschauer und auch manchen Spieler. Wegen der guten Atmosphäre in der Color-Line-Arena befürchte ich aber keinen deutlichen Zuschauerschwund."
Norbert Siggelkow (Fangemeinschaft U9): "Checken darf man immer noch, körperliches Spiel wurde nicht verboten. Langfristig gesehen, wird die neue Linie dem Spielfluß zugute kommen. In Hamburg werden kaum weniger Zuschauer kommen, da statt echten Eishockeyfans vor allem Eventies dominieren."
Arne Griephan (Die Eisheiligen): "Ich finde die neue Regelanwendung sehr gewöhnungsbedürftig. Wichtig wird sein, daß die Referees eine einheitliche Linie finden. Die Freezers brauchen im nächsten Jahr auf alle Fälle andere Spielertypen. Für Kampfsäue wie den sympathischen Christian Hommel wird dann wohl kein Platz mehr sein."
erschienen am 12. Januar 2006
|