Geehrter Leser! Ich schreibe Tir in Altmeister Schrift
Meine Muse, welche von dem siebenstuffigten Rohr verschiedener Wald=Goetter aus ihrem fast jaehrigen Schlaf unverhoft erweckt worden, leget dir anjetzo eine ziemlich starcke Satyre vor, und giebt dir zugleich das Recht, daraeber zu critisiren und zu richten.
Eine Satyre! wirst du sagen: Dieses ist ja ein solches Stueck, das nicht allein viel Geschicklichkeit erfordert; sondern, was noch mehr ist, nach aller angewandten Muehe und Fleiss, Hass und Verdruss zum Lohn bekoemmt. Du wirst meinen, ich haette lieber ein Lob=Gedichte abfassen, zaertlich, galant and vortreflich schmeichlen, als einen kuehnen Satyr nachspielen sollen.
Du hast recht, mein Leser! dass zu einer vernuenftigen Satyre viel Kunst erfordert wird als nur eine Kopie. Dieses hat mich auch bisher von solchen Arbeiten abgeschreckt. Allein wer nichts wagt und versucht, der bleibt immer in seinem Irrthum, und lernet nichts. Ich habe es dahero einmahl versuchen wollen, ob meine Muse auch zu solchen Schriften geschickt sey. Ich stelle sie also, wie Apelles seine Gemaehlde oeffentlich der Welt vor die Augen, und erwarte hierueber das Urtheil vernuenftiger und aechter Kenner der Poesie, um mich, wo ich hier und da, oder allenthalben gefehlt, kuenftig zu bessern, und geschickter zu machen.
Es ist auch wahr, dass ein Lob=Gedicht sehr liebreich aufgenommen wird; dahingegen eine Satyre, wenn sie auch noch so schoen gerathen ist, dennoch nichts als unfreundliche Gesichter nach sich zieht, und gleiches Schicksal mit einem hellen Spiegel hat, der denen eitlen Gesichtern ihre Flecken und Runzeln zeiget, und desswegen wohl nicht selten hinweg geworffen wird; obgleich die Schuld nicht an ihm liegt, dass sich die hessliche Gestalt nicht besser in ihm vorstellt, als sie wuercklich von Natur gebildet ist.
Allein, ich habe bishero gelobt, ich habe geruehmt was zu ruehmen war. Nun muss ich auch in Strafen eine Probe machen, und ueber diejenigen Stuecke einen Hass bezeigen, an welchen zu allen Zeiten die tugendhafte Welt einen Abscheu gehabt hat. Ja ich glaube, dass ich hierinnen, wo nicht politischer doch tugendhafter handle, wenn ich eine Satyre schreibe, die die Haesslichkeit der Laster zum Objekt hat; als wenn ich ein falsches Lob Gedichte abfasste, von welchem man sagen koente, ich haette ueber dessen Verfassung nothwendig erroethen, und die Wahrheit manchen Schwerd=Stich durch ihre Seele geben muessen.
Und was wilst du denn von mir mehr haben? Mein Leser! ich lege dir ja in dieser einfachen Arbeit, ein gedoppeltes Stueck, nemlich eine Satyre, da ich die Laster strafe; und ein Lob=Gedichte, da ich die guten Sitten den Lastern entgegen setze, und die Tugenden, nebst ihren Besitzern lobe und erhebe, vor die Augen!
Ich tadle die Unarten der Menschen: Dencke also nicht Mein Leser! dass ich von Personen schreiben und dieselben durchziehen, viel weniger mich an meinen Feinden oder Spoettern raechen, und sie auf den Schau=Platz stellen werde. O nein! Spoettern und Feinden mache ich das Vergnuegen nicht, ihren Thorheiten zu gefallen, eine niedertraechtige und wieder die Religion und Philosophie streitende Seele anzunehmen, und den Character eines vernuenftigen Satyrici hierdurch zu ueberschreiten, welcher darinne besteht, dass man nicht Personen, oder natuerliche Gebrechen, davor niemand als die Natur kan, sondern lasterhafte und strafbahre Handlungen, und solche wiederum nicht etwan auf eine unhoefliche, sondern auf eine ueberzeugende, sinnreiche und beisende Art vorzustellen, und zu bestrafen bemueht ist. In wie weit ich dieses letztere getroffen, das werde ich zu meiner kuenftigen Verbesserung von Kennern hoeren, und mit dem groessten Danck annehmen.
Ich habe demnach zum Object meiner Satyre nichts anderes als die im Schwang gehende Laster, und die unartigen Handlungen derer meisten Menschen genommen. Es sey ferne! dass ich von allen und jeden reden, und das ganze menschliche Geschlecht, wie man im Sprichwort sagt, in eine Bruehe werffen solte! O nein! der Acker dieser Welt traegt auch noch guten Weizen, so haeufig auch das Unkraut darzwischen waechst. Ich tadle nicht den Gebrauch verschiedener Sachen; sondern den Missbrauch. Ich haette auch wie bekannt, von noch weit mehrern Lastern und Missbraeuchen schreiben koennen; allein die Zeit, und die Betruebniss ueber den toedtlichen Hintrit meiner seel. Frau Mutter hat mich davon abgehalten.
Die meisten Menschen, und sonderlich das Frauenzimmer, haben den ueblen Gebrauch, dass die sich bey muesigen Stunden ueber anderer Menschen von beyderley Geschlecht, oefters gar geringen Schwachheiten, Moden, Geberden, Gebraeuchen und Handlung aufhalten. Um nun solchen Menschen, und besonders meinem Geschlechte mich gleich zu stellen, und nur von ihnen keinen Vorwurff machen zu lassen; so will ich mich auch allhier ueber andre Menschen, und zwar, damit kein Geschlecht zuernen darf, so wohl ueber die Mannes=Personen, als ueber das Frauenzimmer; doch nicht auf eine poebelhafte, niedertraechtige und kindische Art; sondern so viel mir moeglich, auf eine ernsthafte Weise, in nachstehenden Zeilen moquiren.
Betrachtest du also, Mein Leser! diese Schrift, und du bist tugendhaft, so wirst du mit meinen Gedancken uebereinstimmen, und desswegen keinen Hass und Zorn auf mich werfen. Bist du aber mit ein oder den andern Lastern behaftet, so zuerne nicht ueber mich. Was wilst du ueber den Spiegel, der dir deine Flecken zeigt, und ueber den Meister, der ihn geschliffen hat, boese werden. Schaeme dich deiner dir selbst gemachten Flecken, und werde ueber deine muthwillige Unarten boese.
Du kanst dich an mir nicht besser davor raechen, als wenn du deine Thorheiten ablegest und dich besserst, und mir hernach, wie diejenigen, die warhaft tugendhaft sind, gewogen wirst und bleibst, als warum ich dich und alle Menschen freundlich ersuche.
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