Sehr geehrte Damen und Herren, liebes DSW-Mitglied, auch heute möchten wir Sie über den aktuellen Stand in Sachen Wirecard und das weitere Vorgehen für Sie als Anleger und uns als Anlegerschutzvereinigung informieren. Vorab möchten wir darauf hinweisen, dass wir aufgrund der Vielzahl der bei uns eingegangen Anfragen keine gesonderten, individualisierten Bestätigungen für unseren Info-Service versenden. Sofern Sie diese Email gerade lesen, sind Sie in unserem Verteiler registriert und werden von uns fortlaufend informiert. In der Causa Wirecard überschlagen sich die Nachrichten nahezu stündlich. Die Rolle der BaFin In den Fokus ist insbesondere durch die gestrige Anhörung im Finanzausschuss das Verhalten und auch die Verantwortung der BaFin gerückt. Wie bereits an anderer Stelle betont, ist die Rolle der BaFin hier sehr kritisch zu hinterfragen und es wird definitiv zu Änderungen in der Aufsicht kommen müssen. Die politische Dimension betrifft dabei die Frage, ob wir eine Super-Behörde, wie die SEC in den USA, auch für Deutschland wünschen. Die Frage für Sie als Anleger und uns als DSW bezieht sich aber mehr auf den Aspekt, ob die BaFin auch für ein mögliches Fehlverhalten in Haftung zu nehmen ist. Wir können derzeit vielen Quellen entnehmen, dass angeblich die Haftung der BaFin selbstverständlich ist und auch Klagen darauf basiert werden. Dies sehen wir ein wenig differenzierter, was sich insbesondere aus § 4 Abs. 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes ergibt. Darin enthalten ist mittelbar eine Haftungsprivilegierung der BaFin, da diese nicht zum Schutze des einzelnen Anlegers agiert. Selbstverständlich schließen wir zum jetzigen Zeitpunkt keinen der Beteiligten als Haftungsgegner aus. Dies gilt ausdrücklich auch für die BaFin, die aktuell doch sehr stark bemüht ist, die Verantwortung von sich zu schieben. Dies wird so aber nicht möglich sein. Zu unterscheiden davon ist aber eben die Frage nach der Haftung und damit die Frage, ob Sie und alle anderen Anleger von der BaFin auch Schadenersatz erhalten können. Dies behindert uns aber nicht, sondern lässt es uns eher noch fokussierter auf andere Beteiligte schauen. Die besondere Herausforderung des gesamten Falls liegt nicht nur in der Dimension der entstandenen Schäden und der verschwundenen Gelder. Auch ist der Sachverhalt keineswegs aufgeklärt. Wir wissen allein, dass die 1,9 Mrd. Euro nicht auf philippinischen Treuhandkonten liegen bzw. die Konten erst gar nicht existierten. Was dies in der Konsequenz bedeutet, ist auch für den weiteren Fortgang der Prüfungen von enormer Relevanz. EY im Fokus Dabei rückt insbesondere der Wirtschaftsprüfer EY (vormals Ernst & Young) immer stärker in den Mittelpunkt der Verantwortung und auch der Haftung. Zentral wird sein, welche konkreten Prüfungshandlungen EY in Bezug auf die Saldenbestätigungen veranlasst und selbst unternommen hat. Dies bezieht sich aber gerade nicht auf das Geschäftsjahr 2019, sondern vielmehr auf die Jahre zuvor. Immerhin war Ernst & Young seit 12 Jahren der Abschlussprüfer von Wirecard. Spätestens seit 2015 mit den ersten Berichten in der Financial Times und auch durch die Informationen von Whistleblowern hätte Ernst & Young unseres Erachtens einzelne Sachverhalte deutlich intensiver prüfen müssen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des sog. risikoorientierten Prüfungsansatzes für Wirtschaftsprüfer, der aus § 317 Abs. 1 Satz 3 HGB resultiert. Durch den risikoorientierten Prüfungsansatz soll die Verlässlichkeit der im Jahresabschluss und im Lagebricht enthaltenen Informationen deutlich erhöht werden. Gleichzeitig soll aber auch das Thema Wirtschaftlichkeit damit adressiert werden. Wie intensiv hat der Wirtschaftsprüfer hingeschaut? Übersetzt bedeutet dies, dass dort, wo ein höheres Risiko besteht oder aber zu vermuten ist, auch intensiver und genauer durch den Wirtschaftsprüfer hingeschaut werden muss. Nachdem also die Hinweise sich häuften, hätte Ernst & Young auch seine Prüfungsaktivitäten auf diese Bereiche und damit auf das Partnergeschäft und die sich daraus ergebenden Liquiditätsströme konzentrieren müssen. Ob dies erfolgt ist und wie genau der Wirtschaftsprüfer EY hier seine Prüfungshandlungen in diese Richtung stärker gesteuert hat, ist derzeit nicht bekannt. Ernst & Young wehrt sich damit, dass sie keine forensische Prüfung durchzuführen hatte und deswegen nicht das allumfassende Bild notwendig war, um ein Testat zu erteilen. Diese Aussage wird jedoch durch den Grundsatz des risikoorientierten Prüfungsansatzes stark relativiert. Die Frage ist also, ob EY bei genauem und pflichtgemäßem Hinschauen nicht zu dem gleichen Ergebnis hätte kommen müssen, wie die KPMG, die im Rahmen ihrer Nachforschungen keinerlei Belege oder Informationen erlangen konnte. Besonders interessant wird auch sein, wann Ernst & Young erstmalig die Fälschungen der Saldenbestätigungen vermutet bzw. erkannt hat. Klassischerweise beginnen die Prüfungshandlungen bereits zum Ende des noch laufenden Geschäftsjahres. Die Saldenbestätigungen werden dann sehr zeitnah nach Beginn des neuen Geschäftsjahres angefragt. Auch hier ist die Frage zu stellen, ob es Verzögerungen bei der Vorlage der Saldenbestätigung aus den Philippinen gab und ob diese z. B. nur per Email gesendet wurden oder im Original vorlagen und wer diese wo angefragt hat. Vorstand und Aufsichtsrat an erster Stelle verantwortlich Unabhängig von dem Thema Ernst & Young und der Verantwortung des Wirtschaftsprüfers sind selbstverständlich die handelnden Personen in Vorstand und Aufsichtsrat verantwortlich. Besonders frappierend ist dabei auch das Agieren und die Aufstellung des Aufsichtsrates. Bedenkt man, dass es bis Februar 2019 keinen Prüfungsausschuss gab, erklärt sich, warum die DSW dies auf dem Hauptversammlungen immer wieder kritisiert und angeprangert hat. Weiterhin gilt, dass wir die Situation für Sie bewerten, sortieren und alle denkbaren Anspruchsgegner in die Haftung nehmen werden. Um diesen Aspekt müssen Sie sich daher nicht kümmern. Was können Sie jetzt tun? Rein vorsorglich sollten Sie bereits jetzt sämtliche Dokumentationen Ihrer Käufe und auch Verkäufe von Wirecard-Aktien, Anleihen oder Derivaten raussuchen und bereithalten. Diese werden wir benötigen, wenn es darum geht, Ihre möglichen Ansprüche geltend zu machen. Ausdrücklich möchten wir Sie aber bitten, derzeit von einer Übersendung abzusehen, da wir Ihnen noch gesondert mitteilen werden, an welche Adresse diese versendet werden können. Vielen Dank! Wir werden Sie weiter informiert halten und verbleiben mit besten Grüßen aus Düsseldorf. Marc Tüngler Thomas Hechtfischer |