Verhalten der Google-Manager stößt Analysten vor den Kopf
von Peter Herkenhoff
Daß Google ein etwas anderes Unternehmen ist, wissen Anleger nicht erst seit dem Börsengang im vergangenen August. Damals durften nicht die gierigen Investmentbanker den Emissionspreis festsetzen, sondern das erledigte das Unternehmen selbst per "holländischer Auktion". Zwar mußte die bekannteste Suchmaschine der Welt den Ausgabepreis kurzfristig auf 85 Dollar senken, weil die Investoren eben doch nicht bereit waren, einen Mondpreis zu zahlen, doch seitdem zeigt die Entwicklung der Aktie kontinuierlich nach oben.
Erst vor neun Tagen markierte der Wert bei 216 Dollar sein vorläufiges Hoch. Vorgestern nun trafen sich die Google-Bosse zum ersten Mal seit dem IPO zu einem vierstündigen Schnack mit Analysten. Und wieder wurde das Unternehmen seinem Anspruch, anders zu sein, voll gerecht. Statt den wißbegierigen Experten den üblichen Zahlensalat aus Umsatzprognosen und Gewinnschätzungen zu präsentieren, redeten die Google-Macher über die Strategie. Dagegen verbrachte Finanzvorstand George Reyes einen ruhigen Tag. Als einziger Topmanager hielt er keine Rede, sondern begnügte sich damit, am Rande der Veranstaltung Fragen zu beantworten. Vereinzelt moserten Analysten, daß sie noch nie zuvor auf einer Konferenz gewesen seien, auf der der Finanzvorstand keine Rede gehalten habe. Dagegen beharrte Google auf der grundsätzlichen Entscheidung, sich dem Diktat der Finanzmärkte nicht zu beugen und eben keine Prognosen zu verkünden.
Statt dessen beklagte Firmenmitgründer Sergey Brin, daß Google trotz des fulminanten Börsenstarts Probleme habe, genug qualifizierte Ingenieure zu finden. Aus zwei Gründen: Das Einstellungsprozedere ist rigoros und dauert wegen der vielen Bewerbungsgespräche länger als bei der Konkurrenz. Außerdem behindert der rasante Anstieg des Aktienkurses das Auswahlverfahren. Das Papier ist so schnell gestiegen, daß das aktuelle Aktienoptionsprogramm für Bewerber unattraktiv geworden ist. Schließlich hängt das Gehalt vieler Silicon-Valley-Firmen traditionell vom Unternehmenserfolg ab - und der spiegelt sich eben im Aktienkurs wider. Kein Wunder also, daß der Nachwuchs derzeit einen Bogen um Google macht.
Für das Wachstum hat das ernste Konsequenzen. Bislang entwickelt das Unternehmen die Produkte überwiegend in den USA. Die Niederlassungen weltweit konzentrieren sich auf den Verkauf der Werbebanner. Das Ziel, Google in einen weltumspannenden Konzern zu entwickeln, der vor Ort Produkte und Dienstleistungen für den jeweiligen Markt entwickelt und verkauft, rückt dadurch in weite Ferne. Zwar produziert die Kultfirma weiter am laufenden Band Ideen, doch der mit Spannung erwartete Email-Service Gmail läßt ebenso auf sich warten wie Google-Produkte für Handynutzer.
Kurzfristig könnte sich das Problem des hohen Aktienkurses in den kommenden Tagen entspannen. Am 16. Februar läuft zum zweiten Mal eine Haltefrist aus. Bereits Mitte November, drei Monate nach dem Gang aufs Parkett, durften Altaktionäre erste Pakete auf den Markt werfen. Einige Investoren bekamen schon damals kalte Füße und trennten sich von ihren Papieren. Das Ergebnis: ein kräftiger Einbruch von sechs Prozent und die Erkenntnis, daß man doch lieber dabei geblieben wäre. Ein Blick auf den Chart zeigt nämlich, daß die Aktie damals nur Luft für den nächsten Kursanstieg geholt hat. Nun könnten am kommenden Montag knapp 177 Mio. Google-Aktien auf den Markt strömen. Nachdem das Unternehmen im vierten Quartal hervorragende Zahlen präsentiert hatte - der Umsatz hat sich 2004 im Vergleich zum Vorjahr auf eine Mrd. Dollar glatt verdoppelt, die Gewinnmarge blieb trotz des harten Konkurrenzkampfes mit Yahoo und Microsoft im zweistelligen Bereich - verspüren Altaktionäre große Lust, ihre Anteile zu vergolden. Weil Google partout keine Prognose abgab, reagierte die Börse wieder nervös: Die Aktie verlor drei Prozent. |