Google: Kaum noch Luft nach oben
Zu wenig Aktien, zu teuer: Die Details von Googles Börsengang verschrecken viele Privatanleger.
Die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page bewundern den US-Medienkonzern Washington Post. Nicht nur wegen dessen politischem Einfluss. Das Unternehmen ist eine Oase für konservative Anleger. Zuverlässig klettert der Kurs der Zeitungsaktie seit Jahren. Zum Stückpreis von 853 Dollar ist das Papier eines der optisch teuersten auf dem amerikanischen Kurszettel. Da nur wenige Stücke im Umlauf sind, haben Spekulanten kaum Spielraum. Freie Aktionäre haben wenig zu melden: Mit Mehrfachstimmrechten kontrolliert die Gründerfamilie Graham eisern die Washington Post.
Ganz nach diesem Vorbild haben die Google-Gründer den Börsengang ihrer Internetsuchmaschine aufgezogen. Page, Brin, CEO Eric Schmidt und die Risikofinanziers Michael Moritz und John Doerr halten dank mit zehnfachen Stimmrechten ausgestatteten Aktien der Klasse B auch nach dem für Mitte August geplanten Börsengang die Mehrheit.
Die Allgemeinheit kann nur relativ wenige, mit einfachem Stimmrecht versehene Aktien der Klasse A erwerben – und die zu einem saftigen Preis. Auf bis zu 135 Dollar schätzt das Google-Management den Zuteilungspreis, dessen genauer Wert in einer Auktion festgelegt wird, vermutlich Mitte August. Die Hochpreispolitik soll auf den schnellen Dollar schielende Privatanleger fernhalten. „Google ist nichts für kurzfristige Anleger“, gab Page vor Investmentbankern die Parole aus. Da jeder Anleger in der Auktion für mindestens fünf Aktien bieten muss, wären am unteren Ende der Preisspanne bei 108 Dollar mindestens 540 Dollar Einsatz nötig, um beim „Googlehupf“ („Financial Times Deutschland“) mitzumachen. Wer bis zur Höchstgrenze bieten will, müsste zumindest 675 Dollar auf den Tisch legen. Für ernsthafte Anleger kein abschreckend hoher Betrag, aber eine Hürde für im Internet surfende Schüler, die Google gerne als erste Aktie ihres Lebens hätten.
Ob sich mit dieser Politik der für Internetunternehmen typische Kurssturz nach dem Börsengang abwenden lässt, ist allerdings zweifelhaft. „Wenn Google verhindern will, dass die Aktie nach dem Börsengang verprügelt wird, wäre es keine schlechte Idee, die Preisspanne zu senken“, riet das „Wall Street Journal“ den Managern der Suchmaschine vorbeugend. Wenige Aktien zum hohen Preis – diese Form des Stabilitätskurses könnte Google teuer zu stehen kommen. Je mehr Details über den Börsengang bekannt werden, umso unattraktiver wirkt die Google-Aktie – vor allem für private Investoren. Die Experten an der Wall Street hatten mit maximal 90 Dollar als Einführungspreis gerechnet, ein Drittel unter Googles angepeilter Preisoberkante.
Startet die neue Aktie mit dem Kürzel GOOG tatsächlich zu einem dreistelligen Kurs, gehörte sie vom Start weg zu einer der kostspieligsten an der Technologiebörse Nasdaq: Mit einem Börsenwert von bis zu 36 Milliarden Dollar wäre es die teuerste Aktienemission eines Internetunternehmens. Die Google-Gründer Brin, 30, und Page, 31, würden mit einem Vermögen von bis zu 10 Milliarden Dollar auf den Rang eines Michael Dell aufsteigen.
Für Kurssprünge nach oben ist angesichts der ehrgeizigen Preisvorstellung kaum noch Luft, zumal nur 268 Millionen Google-Aktien – rund neun Prozent des Unternehmens – gehandelt werden. Bei Yahoo sind es 1,2 Milliarden Stück.
Mit einem Börsenwert von bis zu 36 Milliarden Dollar tummelt sich Google zwar in der Liga seines schärfsten Rivalen Yahoo. Doch Yahoos Börsenwert von 38 Milliarden Dollar gründet sich auf höherem Umsatz und Gewinn. 213,7 Millionen Dollar Gewinn bei einem Umsatz von 1,59 Milliarden Dollar vermeldete Yahoo-Chef Terry Semel für die erste Jahreshälfte. Google erzielte im gleichen Zeitraum bei 1,35 Milliarden Dollar Umsatz einen Gewinn von 143 Millionen Dollar. Bei einem Emissionspreis von 135 Dollar ergäbe das ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 300. Yahoo wirkt mit seinen 110 fast bescheiden dagegen. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Unternehmen im marktbreiten Index Standard & Poor’s 500 muss sich mit einem KGV von 21 begnügen.
Hinzu kommt: Yahoo ist wesentlich breiter aufgestellt, zählt mehrere Millionen Abonnenten bei seinem E-Mail-Dienst und nimmt erkleckliche Vermittlungsprovisionen über seinen Shopping-Service ein. Google hat mit Froogle zwar auch eine Preisvergleichsmaschine und baut mit Gmail gerade einen eigenen E-Mail-Dienst auf. Doch das Kerngeschäft ist suchbasierte Internetwerbung, die jetzt von Yahoo und von Microsoft aufs Korn genommen wird.
Yahoo-Technikchef Farzad Nazem wirbt momentan die besten Suchspezialisten an, um Googles Technologie zu überflügeln. Das hat er zwar noch nicht geschafft, doch Yahoos Suchresultate werden von Tag zu Tag besser. Und damit steigen auch die Chancen, Google in dem ohnehin von Verdrängungswettbewerb gezeichneten Geschäft mit suchbasierter Werbung Marktanteile abzunehmen. Weil das Segment so heiß umkämpft ist, hat der Appetit auf Yahoos Aktien schon nachgelassen – rund 20 Prozent büßten sie seit Ende Juni ein.
Hat Google, bisher unangefochtene Suchmaschine Nummer eins, schon den Zenit seiner Dominanz erreicht? Hat das Unternehmen den besten Zeitpunkt für den Börsengang verpasst? Das ist im wahrsten Sinne des Wortes die Preis-Frage. Beantworten werden sie Neuaktionäre in der Internetauktion, die den Einführungspreis von Google bestimmt. Starten wird sie vermutlich in den nächsten Tagen auf der von Google eingerichteten Web-Seite www.ipo.google.com, die jedem Interessenten eine digitale Identifikationsnummer zuteilt. Der Pass berechtigt zum Bieten über die 28 von Google handverlesenen Online-Broker – allerdings nur Einwohnern der USA. Interessenten im Ausland ist der direkte Weg zur Aktie versperrt. Weil ihnen der Aufwand wegen der vielen unterschiedlichen Börsenauflagen in den einzelnen Ländern zu hoch ist, verzichten die Google-Manager auf eine internationale Emission.
Mit der Auktion wollten die Google-Gründer auch Privataktionären ohne guten Draht zu den Investmentbanken eine Chance geben. Tatsächlich profitieren aber Großanleger vom Verfahren. Für je mehr Aktien sie bieten, umso höher ist ihre Chance bei der Zuteilung. Um Fantasiegebote zu vermeiden, müssen Bieter die nötigen finanziellen Mittel vorweisen. 1000 Aktien bei einem Preis von bis zu 135 Dollar entsprechen 135.000 Dollar – das ist für viele US-Aktionäre abschreckend, besonders für die konservative Klientel, die sich die Google-Gründer wünschen. Denn konservative Anleger wollen ihr Portfolio breit streuen und nicht einen zu hohen Anteil allein auf Google setzen. Da laut Börsenprospekt auf absehbare Zeit auch keine Dividende gezahlt werden soll, wenden sich viele dieser Interessenten ab. Selbst einen baldigen Aktiensplitt, der Aktionäre der ersten Stunde begünstigen würde, halten Analysten für unwahrscheinlich.
Da sind Durchhaltevermögen und Glauben gefragt, zumal bis Ende Februar 2005 weitere 170 Millionen Aktien in den Handel kommen, viele davon aus der Hand von Google-Mitarbeitern. Das wird den Kurs belasten. Bei der Erstemission wird Google zwar voraussichtlich 3,3 Milliarden Dollar einnehmen. Doch nur geschätzt 1,66 Milliarden Dollar fließen ins Unternehmen zurück. Am meisten profitieren vom Börsengang die Risikokapitalgeber Benchmark Capital und Kleiner Perkins, die über ihre Vertreter Michael Moritz und John Doerr zehn Prozent ihrer Anteile verkaufen. Ebenso wie Andreas v. Bechtolsheim, der bis zu 48 Millionen Dollar kassiert. Mit einem 100.000-Dollar-Scheck griff der gebürtige Deutsche und Mitgründer des Computerkonzerns Sun den Google-Gründern unter die Arme. Die Investition ist inzwischen 487 Millionen Dollar wert.
Page und Brin verkaufen – gemessen an ihren Anteilen – mit knapp 3,5 Prozent am wenigsten. Das würde Gerüchte im Silicon Valley stützen, nachdem die beiden mehr an Mathematik als an Mammon interessierten Google-Gründer sich nur widerwillig zum Börsengang überreden ließen. Im Gegensatz zum Unternehmenschef der Washington Post, Donald Graham, sind Page und Brin immer noch für Überraschungen gut. Womöglich werden sie bei der Auktion eine eigene Rubrik für Privataktionäre einrichten und ihnen Rabatt gewähren.
MATTHIAS HOHENSEE/SILICON VALLEY
28.07.2004 |