Guten Morgen, zusammen. Weil Montag ist, und gerade die Post abgeht, in den Keller, am besten einfach überlesen!! :-)) Das ist für ... er weiß schon, wer gemeint ist.
Gerhard Richter
Du sprichst die Kirchenfenster im Kölner Dom an. Und dass die Menschen die von Richter entworfenen Glasarbeiten "wunderbar" finden. Warum das? Ist echt eine Überlegung wert ;-) Kleine farbige Quadrate! Keine länglichen Rechtecke, die nach oben gerichtet sein könnten, quer und eher schwerer wirkend angeordnet wären oder gar diagonal, was eine Bewegung und Dynamik bewirken könnte. Nein, gleichseitige, in sich "ruhende" Quadrate. Die Wirkung ist "einfach". Außer purer Geometrie und Farbe ist weiter nichts in den Fenstern. Reine Reduktion (über die sich allerdings auch einiges sagen ließe). Keine Geschichte wird bildhaft dargestellt, kein unverständlicher, abstrakter Gedanke, nichts. Diese Einfachheit kommt den Menschen entgegen. Es wirkt beruhigend und lösend.
Einfachheit bestimmt auch das Fußballspiel. Die Regeln sind leicht zu verstehen, mit Ausnahme der Abseitsregel vielleicht ☺, fast jeder kann irgendetwas darüber sagen, und seien es auch nur Gespräche über die Frisuren der Spieler. (Über die im "Spiel" vorkommende Brutalität sage ich lieber nichts, das sehe ich als Frau wahrscheinlich zu empfindlich). Wer kann sich schon allgemein mit Leuten über die neuesten Technologien unterhalten, über medizinische Forschung, über internationale Politik, ohne dass es gleich etwas "problematisch" wird und jeder irgendwie erkennen muss, dass er eigentlich fast keine Ahnung von diesen komplexen Themen hat. Und seine Grenzen erkennt.
Nicht so bei einem Glasfenster, das allein durch farbige Glasquadrate leuchtet. Und wie es leuchtet. Dies liegt in der Natur der Glasfenster. Sie leuchten einfach immer. Aus dem dunklen Innenraum betrachtet. Das ist deren Wesen. Menschen lieben es, Dinge zu betrachten, die leuchten. (Diese Wirkung ist auf Fotorepros nicht zu erfassen).
Und dann, warum das Wunderbare? Dafür kann Richter nur bedingt etwas. Nämlich durch seine Wahl des Rahmens. Den findet er vor. Er macht ihn nicht, er wählt ihn aus. Nein, anders, er wird ihm angeboten. Und dieser Rahmen ist das eigentlich Wunderbare. Die Spitzbogenfenster. Die architektonische Kunst der Gotik. Deren unbedingtes Streben nach oben. Der Versuch, die Schwerkraft, die Massigkeit der Steinwände aufzuheben und aufzulösen. Die Architektur der Gotik trägt in sich eine große Stabilität, die nach oben gerichtet ist. Geh' in irgendeine gotische Kirche, Du wirst IMMER erst Deinen Kopf in den Nacken legen MÜSSEN, weil es Deinen Blick in die Höhe zieht.
Kein Stein findet sich in dieser Art der Architektur, der überflüssig ist. Alles hat statische Bedeutung, hat seinen Sinn. Die Zierde findet sich in "spielerischen" Varianten des Maßwerks, aber selbst dies ist statisch ausgewogen und notwendig, unbedingt! Nichts Überflüssiges. Davon kann jeder Steinmetz in einer Bauhütte an diesen alten Kirchen einiges erzählen. Im Grunde ist diese Bauweise höchst kompliziert. Aber die Wirkung ist eindeutig.
Kompliziert ist es auch, den Wert eines kleinen Gewichtes, das gerade einmal 31,1 Gramm wiegt, zu bestimmen. Eine Feinunze Gold. Die Herstellung dieser kleinen Barren erfordert, ähnlich wie die Erbauung solcher Bauten, viele Menschenleben. Die Art und Weise der Goldgewinnung geschieht nicht im Labor unter geschützten, isolierten und kontrollierbaren Bedingungen, sondern ist echte Knochenarbeit. Die Folgen der chemischen Behandlung, sowohl für die damit arbeitenden Menschen wie auch für die Natur, sind verheerend. Da wird es richtig kompliziert. Beim Gold ist es ähnlich wie bei der Betrachtung dieser wunderbaren Bauwerke: Man sieht die Komplexität nicht. Aber sie wirkt.
Schlichtheit ohne Buntheit.
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