+ Inflation bedeutet einen andauernden nennenswerten Anstieg des Preisniveaus. Inflation in geringem Ausmaß ist nicht für alle gleich schlimm: Leute, deren Einkommen nominell fixiert ist (also zum Beispiel Einkommen aus Ersparnis und Vermögen), verlieren, weil ihr Einkommen laufend weniger wert wird. Leute, die die nominelle Anpassung ihrer Einkommen durchsetzen können (z.B. Löhne in Lohnverhandlungen, Gewinne durch Preiserhöhungen), sind weniger stark betroffen. SchuldnerInnen profitieren eher, weil ihre Schulden durch die Inflation weniger wert werden. Wenn die Notenbanken die Geldpresse anwerfen, und die Staaten auf Pump gigantische Ausgabenprogramme entwerfen – gerät dadurch nicht so viel Geld in Umlauf, dass wir uns vor einem Szenario der Hyperinflation fürchten müssen? Das Inflationsszenario Damit die genannten Maßnahmen zu Inflation führen, müsste folgendes passieren: Mit dem neuen Geld in der Hand müsste der Staat Aufträge zum Beispiel an Baufirmen vergeben, die bereits volle Auftragsbücher haben, oder neue Jobs für KindergärtnerInnen schaffen, obwohl es keine arbeitslosen KindergärtnerInnen gibt. Die Baufirmen und die KindergärtnerInnen werden sich denken: Na, wenn wir so begehrt sind, dann verlangen wir mehr Geld für unsere Arbeit.
Mit einem Wort: Nur wenn also neues Geld auf eine voll ausgelastete Wirtschaft trifft, dann kommt es zu Inflation. Weil eine Ausweitung des Angebots an Waren und Dienstleistungen zumindest kurzfristig nicht möglich ist, steigen einfach die Preise und Löhne. Wenn sich das aufschaukelt, also Preiserhöhungen Forderungen nach weiteren Lohnerhöhungen nach sich ziehen und umgekehrt, kann eine Inflationsspirale entstehen.
Das wirkliche Krisenszenario In so einer Situation sind wir aber nicht. Im Gegenteil. Das Weltwirtschaftswachstum ist in den letzten 3 Monaten des Jahres 2008 gegenüber dem Vorjahres-Vergleichszeitraum um drastische fünf Prozent gefallen, weitere Einbrüche sind zu erwarten. In der Krise werden die Leute zurückhaltender mit dem Geldausgeben (wegen tatsächlichen oder befürchteten Einkommensverlusten infolge steigender Arbeitslosigkeit), und Banken werden vorsichtiger mit der Kreditvergabe.
1923 Hyperinflation hingegen, wo sich Preise von einem Tag auf den anderen exponenziell steigen, ist ein Schritt in Richtung Chaos, da die Orientierungsfunktion des Preissystems verloren geht. Deshalb bleiben Unternehmen immer häufiger auf ihren Angeboten sitzen, was irgendwann heißt, dass sie Leute entlassen müssen. Steigende Arbeitslosigkeit heißt dann wieder weniger Einkommen, was wiederum weniger Geld für Konsumausgaben bedeutet usw. Und ein Ausbleiben neuer Kredite bringt viele Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten und verhindert die Finanzierung notwendiger Investitionen, was anderen Unternehmen Aufträge kostet.
Diese Lücke versuchen staatliche Konjunkturprogramme zu schließen. Sie bilden keine Zusatznachfrage, die die Inflation anheizt, sondern eine Kompensation für den Ausfall von Kaufkraft durch die privaten. Die Hauptgefahr, die sich derzeit am Horizont abzeichnet, ist nämlich nach allgemeiner Einschätzung die Deflation – das Gegenteil von Inflation. Eine solche Situation hat es in Westeuropa seit Jahrzehnten nicht gegeben: Eine Periode, in der das allgemeine Preisniveau sinkt, statt zu steigen!
Deflation ante portas? Was wäre daran so schlimm – sind nicht alle glücklich, wenn alles billiger wird? Das Problem ist, dass in einer Deflation die KonsumentInnen sich mit dem Kaufen und die Unternehmen mit dem Investieren zurückhalten, weil die Dinge quasi von Tag zu Tag billiger werden. Wenn alles immer billiger wird, ist es für jede/n Einzelne/n vernünftig, Konsum so lang wie möglich aufzuschieben. Wenn aber deswegen ganz wenig gekauft wird, versuchen Unternehmen sich mit den Preisen immer weiter zu unterbieten, bis sie einer nach dem anderen eingehen. Um dieser Deflationsfalle zu entgehen, müssen zur Kompensation Maßnahmen gesetzt werden, die unter "normalen" Umständen zu einer Inflation führen würden, um in Summe wieder zu einem halbwegs stabilen Pfad zu kommen.
Aber könnte es nicht sein, dass plötzlich der Aufschwung wieder kommt, und dann ist das als Krisenbekämpfungsmaßnahme geschaffene Geld nun mal in Umlauf und wirkt als überschüssiges Geld inflationserhöhend? Die Geldversorgung des Bankensektors durch die Zentralbank erfolgt zum Großteil in Form von Krediten mit Laufzeit von wenigen Monaten. Sobald sich eine Erholung der Wirtschaft zeigt, wird die Europäische Zentralbank, die Inflationsbekämpfung als ihr Hauptziel sieht, sehr schnell dazu übergehen, überschüssiges Geld wieder einzuziehen, indem sie viele dieser Kredite an die Geschäftsbanken einfach nicht verlängert, wodurch sich die in Umlauf befindliche Geldmenge wieder verringert.
Heute in FM4 Connected Der Ökonom Engelbert Stockhammer im Gespräch mit Robert Zikmund über die Ergebnisse des G20-Gipfels in London, warum es sich dabei nicht um den großen "grünen New Deal" handelt, worin die Re-Regulierung des Finanzsystems bestehen wird und über das Problem der Ausklammerung der Verteilungsfragen:
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hanswu | vor 56 Tagen, 1 Stunde, 25 Minuten
die angst vor der hyperinflation zur zeit liegt, glaube ich, auch an der falschen kopflichen verknüpfung von zwei verschiedenen historischen ereignissen:
die deutsche hyperinflation der weimarer republik und die weltwirtschaftskrise 1929.
ersteres fand in den frühen 20ern statt, unter anderem als folge des "ruhrkampf"
zweiteres ab 1929 mit eher deflationären folgen.
die schwarzweissbilder von den milliarden-reichsmark-scheinen und die 1929krisenbilder werden eben noch immer gerne in scheinbaren zusammenhang gezeigt.
aubrey | vor 55 Tagen, 3 Stunden, 30 Minuten
Mittelfristig ist sicher nicht die Inflation sondern die Deflation unser größtestes Problem nach der Arbeitslosigkeit (siehe Japan in den 90ern oder Spanien jetzt). Langfristig wäre eine Inflation von 3+ % sowieso besser (weil dann der Aktienmarkt nicht mehr so dominant wäre).
rotifer | vor 56 Tagen, 2 Stunden, 9 Minuten
Na ja, ob sich das gar so sicher sagen lässt wie im (in diesem Fall internationale Verknüpfungen und die Bedeutung des Finanzmarkts außer Acht lassenden) Lehrbuch. Gibt es im echten Leben nicht noch ganz andere Faktoren? In Großbritannien zum Beispiel haben die fallenden Häuserpreise und die vielen Sonderangebote Angst vor Deflation verbreitet. Gleichzeitig hat aber das radikale Senken des Leitzinssatzes einerseits die Hypotheken billiger gemacht (auch eine Art Deflation), andererseits das Pfund zum Fallen gebracht. Die Bank of England hat offenbar nicht richtig eingeschätzt, was für eine große Rolle die damit in Pfund logischerweise teurer werdenden Importartikel spielen (inklusive Rohstoffe natürlich), und jetzt gibt's Inflation und Deflation gleichzeitig, je nachdem was man mitrechnet und was nicht. Die Inflation geht vor allem auf Kosten der Kleinstverdiener, während die sinkenden Hypothekenkosten den Häuserbesitzenden nützen. Umverteilung in die falsche Richtung. Das war nicht so gedacht.
PS: Die britischen Häuserpreise sind letztes Monat laut Nationwide übrigens auch wieder um 0,9% gestiegen PPS: Der Ölpreis ist trotz Rezession tendenziell auch wieder im Steigen, oder irr ich mich? PPS: Okay, der Daily Telegraph ist auch nicht meine Lieblingszeitung, aber Liam Halligan erklärt ziemlich überzeugend, warum Inflation sehr wohl zu befürchten wäre: http://tinyurl.com/cd65j7
pinguin | vor 56 Tagen, 1 Stunde, 36 Minuten
Für ein Land wie UK ist die Wirkung von Wechselkursschwankungen auf die Inflation sicher bedeutsam, weil das die Preise sämtlicher Importe verändert. Für Länder im Euroraum wie Österreich, wo rund 85% des Außenhandels in eigener Währung, dem Euro abgerechnet wird, spielt das hingegen eine völlig untergeordnete Rolle. Dass der Ölpreis sich unvorhergesehen verhalten könnte, ist ein wichtiger Hinweis, allerdings sind die Ölexperten nie einig, wie es weitergeht. Wenn die Finanzmärkte wirklich Öl kaufen, um sich gegen Inflation abzusichern (wie das der Telegraph-Artikel behauptet), durch ihr Verhalten aber den Ölpreis und damit diese Inflation erst herbeiführen: welch schönes Lehrbeispiel für self-fulfilling prophecy!
hanswu | vor 56 Tagen, 1 Stunde, 32 Minuten
interessante überlegung: "deflation und inflation zugleich"
vava | vor 55 Tagen, 22 Stunden, 27 Minuten
auch eine schöne überlegung growth recession
wie im japan der 90er Jahre
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