Restrukturierung noch vor Ende des laufenden Geschäftsjahrs
Dem Siemens-Chef läuft die Zeit davon
Die Vorgabe ist klar: Spätestens im Frühjahr 2007 will der neue Siemens-Chef Klaus Kleinfeld alle Unternehmensteile „auf Linie“ gebracht haben. „Dafür stehe ich persönlich ein“, versprach er jüngst. Es wird Zeit.
MÜNCHEN. Um die selbst gesetzten Margenziele zu erreichen, muss der Manager bald handeln. Sonst wird es zu spät, um den eigenen Zeitplan einzuhalten. Analysten gehen deshalb davon aus, dass die wichtigsten Entscheidungen bis 30. September getroffen werden, dem Ende des Geschäftsjahrs.
„Siemens drängt zur Eile. Wenn man Rückstellungen für die betroffenen Bereiche bilden muss, dann soll das noch in diesem Geschäftsjahr passieren“, sagte gestern Analyst Roland Pitz von der Hypo-Vereinsbank. Noch ist allerdings unklar, wie Kleinfeld die defizitären Problemsparten Siemens Com (Telekommunikation), SBS (IT-Dienstleister) und Logistik auf Vordermann bringen will (siehe Kasten unten).
Auf einer Sitzung des Zentralvorstands wurden dazu gestern offenbar keine weitreichenden Entscheidungen gefällt. Eine Siemens-Sprecherin sagte, es gebe nichts mitzuteilen. Zu einem Zeitplan, wann mit Maßnahmen zu rechnen sei, wollte sich die Sprecherin nicht äußern. Dem Vernehmen nach sollen die Entscheidungen jedoch spätestens zur Vorlage der Jahreszahlen im November verkündet werden.
Schon Kleinfelds Vorgänger Heinrich von Pierer, der im Januar an die Spitze des Aufsichtsrats wechselte, hatte den Konzernsparten Renditevorgaben gemacht. Allerdings ließ von Pierer den Geschäftsfeldern mehr Zeit. Kleinfeld hingegen drückt aufs Tempo. Analyst Pitz: „Die Zielmargen für die einzelnen Bereiche sind nicht neu. Neu sind die engen Zeiträume, in denen diese erreicht werden müssen.“
Was passiert, wenn die Bereiche ihre Margen nicht einfahren, ließ Kleinfeld bislang offen. Er umging auch Antworten auf die Frage, ob er zurücktreten werde, falls die Ziele verfehlt werden. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er vergangene Woche lediglich, der Zentralvorstand habe sich „geschlossen entschieden, die Margenziele bis 2007 zu erreichen“. Dies würde einige Sparten „vor sehr große Herausforderungen“ stellen.
Dass Kleinfeld durchgreift, wenn er unter Druck gerät, hat er bereits bei der hoch defizitären Handy-Sparte bewiesen. Als dort im Frühjahr täglich ein Verlust von anderthalb Millionen Euro auflief, verschenkte der gebürtige Bremer das Geschäft an den Taiwaner Elektronikkonzern BenQ. 250 Mill. Euro haben die Münchener noch draufgelegt, rechnet man die Abschreibungen dazu, belastet der Deal die Siemens-Bilanz mit 350 Mill. Euro.
Beobachter gehen davon aus, dass sich Siemens auch von weiteren Unternehmensteilen trennen wird, falls keine Aussicht auf Gewinne besteht. In Konzernkreisen heißt es jedoch, die Maßnahmen würden sämtlich kleiner ausfallen als der Handy-Deal. In jedem Fall hat sich der Konzern mit dem Zeitplan selbst kräftig Druck gemacht. Analyst Pitz: „Kleinfeld hat sich mit diesen engen Zeiträumen sehr ambitionierte Ziele gesetzt.“
Nach Angaben der IG Metall steigt auch bei den Beschäftigten die Unsicherheit über den künftigen Kurs in den drei Problemsparten. Die Mitarbeiter hätten Angst, dass weitere Jobs verloren gehen könnten. Schon in den vergangenen Jahren wurden tausende Stellen vor allem im Telekommunikationsbereich gestrichen. Gespräche über Personalabbau und niedrigere Gehältern laufen derzeit laut IG Metall insbesondere bei SBS.
Dass es sich lohnen kann, an angeschlagenen Bereichen festzuhalten, beweist die Medizintechnik. Vor einigen Jahren galt die Sparte mit Hauptsitz in Erlangen noch als Verkaufskandidat mit schlechten Zukunftsaussichten. Im letzten Quartal erwirtschaftete sie eine Umsatzrendite von 12,5 Prozent und liegt damit am oberen Rand des Margenziels von elf bis dreizehn Prozent. Maßgeblichen Anteil an der Restrukturierung hatte Klaus Kleinfeld – lange bevor er Konzernchef wurde.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 30. August 2005, 07:48 Uhr
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