«Wir machen vieles anders» Helmut Panke, Chef der BMW Group, erklärt, wie er seine Autos noch verbessern will und wieso der Autobauer am Standort Deutschland so erfolgreich ist NZZ am Sonntag: Herr Panke, Sie sind nicht nur Chef der BMW Group, Sie sitzen auch im Verwaltungsrat der UBS. Haben Sie Marcel Ospel schon einen BMW verkauft?
Helmut Panke: Nein, das nicht. Aber im Fuhrpark der UBS-Direktion ist BMW gut vertreten. Zu den Verwaltungsratssitzungen bin ich zweimal mit einem BMW und einmal mit einem Mercedes abgeholt worden.
Wie war die Fahrt mit einem Mercedes?
Anders. Wenn es den Konkurrenten Mercedes nicht gäbe, müssten wir ihn erfinden. Denn der Wettbewerb treibt uns zu Spitzenleistungen. Aber jeder von uns hat für seine Produkte eine andere Lösung gefunden. Die Kunden können wählen zwischen dem kraftvollen, fahrerorientierten BMW oder dem etwas komfortableren, «Ich-lass- mich-fahren»-Stil von Mercedes.
Sie betonen auch am Autosalon in Genf das kraftvolle Fahren: Sie präsentieren ein Modell der kompakten 1er-Reihe mit 258 PS und ein Modell der 6er-Reihe mit 507 PS. Wozu so viel Leistung?
Die absolute Höchstgeschwindigkeit dieser Wagen kann selbst auf deutschen Autobahnen kaum ausgefahren werden. Aber eine starke Leistung heisst für uns nicht nur, schnell zu beschleunigen, sondern auch fähig zu sein, rasch zu bremsen. Das rasche Verändern der Geschwindigkeit ist wichtiger als die absolute Höchstgeschwindigkeit. Deshalb werden auch in Ländern wie den Vereinigten Staaten, in denen die Geschwindigkeitslimiten tief sind, die kraftvollsten BMW nachgefragt.
Sie sehen kein Ende der PS-Eskalation?
Eigentlich nicht. Aber die Zahl von Fahrzeugen, die mit so hohen Leistungen verkauft werden, ist vergleichsweise klein. Vom Bugatti mit mehr als 1000 PS werden vielleicht einmal 30 bis 40 Stück abgesetzt - in einem Weltmarkt von 50 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Aber es gibt eben Kunden, die ein solches Automobil haben wollen. Für unsere technisch anspruchsvollen Sportmodelle M5 und M6 gibt es einen Markt. Aber im Vergleich zur 5er-Reihe, von der wir rund 230 000 Stück pro Jahr verkaufen, setzen wir vom M5 über den gesamten Lebenszyklus rund 20 000 Wagen ab.
Trotz den Kleinserien erzielt BMW die höchste Rendite unter den europäischen Autoherstellern. Liegt das daran, dass Sie in den 1er-Modellen 60 Prozent der Teile aus der 3er-Reihe verwenden?
Wir setzen zum Beispiel die relativ teure Komponente Motor breit ein. Unseren 6-Zylinder-Reihenmotor finden Sie in völlig unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten: Im neuen Spitzenmodell der 1er-Reihe, in der 3er- Reihe, im Z4-Roadster, in den Geländewagen X3 und X5 und in der 5er-, 6er- und 7er-Reihe. Das Gleiche gilt auch für die Motor-, Fahrwerks- und Navigationselektronik: Sie ist in der Konzeption und Herstellung teuer, aber man kann sie in verschiedenen Modellen einsetzen. Das bringt Vorteile, um auch kleinere Serien und Stückzahlen produzieren zu können.
Ist das der Grund, warum Sie rentabler arbeiten als Ihre Konkurrenten?
Das liegt nicht nur an der Konzeption der Fahrzeuge, sondern auch an der Fertigung: Unsere Werke haben jedes Jahr die Produktivität um mehr als 5 Prozent gesteigert. Selbst wenn man etwas gut macht, muss man stets versuchen, es noch besser zu machen. Wir haben zum Beispiel im letzten Jahr 70 zusätzliche Ingenieure eingestellt, um die Zusammenarbeit mit den Zulieferern zu optimieren. Auf diese Weise lassen sich die Kosten unseres Einkaufs senken - schliesslich kaufen wir jedes Jahr für fast 20 Milliarden Euro Produktionsmaterial ein.
BMW bezeichnet sich als Premium- Hersteller. Das bedeutet hohe Qualität. Wenn wir uns die deutsche Pannenstatistik anschauen, stehen sieben japanische Hersteller an der Spitze, BMW kommt an neunter Stelle. Wie verträgt sich das mit dem Ausdruck Premium?
Das verträgt sich nicht, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Wir haben intern das Ziel, der beste Premium-Hersteller der Welt zu sein. Das heisst, dass wir punkto Qualität zu den drei Besten gehören müssen. Rang neun ist inakzeptabel. Ich habe Anfang Januar bei einem Treffen der 300 höchsten Führungskräfte von BMW das Ziel für das Jahr 2005 formuliert: Wir müssen und werden die Zuverlässigkeit verbessern.
Liegt die hohe Fehlerquelle auch daran, dass in einem BMW heute mehr Wert in der Elektronik als im Blech steckt?
In der 7er-Reihe steckt heute mehr Elektronik drin, als für den Flug zum Mond gebraucht wurde. Das ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung. Denn eine Entschuldigung für die Ausfälle gibt es nicht. Wir werden den Anteil Elektronik im Auto nicht zurückfahren. Sie können heute kein Fahrzeug mehr ohne Navigationssystem auf den Markt bringen. Die Elektronik muss jedoch genauso stabil und zuverlässig sein wie die mechanischen Teile. Das erfordert ein Umdenken, denn die Fehler können nicht gleich behoben werden wie bei den mechanischen Teilen. Das war ein Lernprozess - inzwischen ist die Auslieferqualität sehr gut. Es bleibt aber so, dass die Elektronik noch nicht so stabil wie die Mechanik ist. Beim Computer im Büro akzeptiert man, dass er gelegentlich abstürzt. Beim Auto ist das inakzeptabel.
Was haben Sie konkret verändert?
Vor drei Jahren haben wir eine Tochtergesellschaft gegründet, die BMW Car IT. Informatiker und Techniker haben die elektronische Grundarchitektur neu entworfen. Bisher sind Systeme wie die Motorelektronik oder die Fahrwerkelektronik einzeln entwickelt und zusammengefügt worden. Das hat haufenweise Schnittstellen ergeben, die uns Schwierigkeiten machten. Nun werden die Systeme von vornherein vernetzt. Das bringt von Beginn weg eine hohe Stabilität.
Oft sind es die Zulieferer, welche die Qualitätsprobleme verursachen. Sie stehen jedoch unter starkem Preisdruck von den Autobauern.
Als Hersteller darf man die Schuld nicht auf die Zulieferer schieben. Den Kunden interessiert es nicht, wer den Fehler verursacht hat. Aber um die Zusammenarbeit zu erleichtern, haben die Autohersteller eine Arbeitsgruppe, Autosar, gegründet, um einen weltweiten Standard für die Schnittstellen zwischen Fahrzeugherstellern und Lieferanten zu haben.
Sie sind mit PSA Peugeot Citroën eine Kooperation für die Entwicklung von Motoren für den Mini eingegangen. Schlägt BMW damit eine neue Strategie ein?
Das ist weniger aufregend, als es klingt. Wir kooperierten bereits 1998 mit Chrysler, um einen Motor für den Mini zu bauen. Durch die Zusammenarbeit mit PSA können wir unsere Stückkosten für die neuen Motoren senken. Grundsätzlich gilt: Wir kooperieren immer nur im Bau einzelner Komponenten - wir werden sicher nicht in Richtung strategischer Allianzen gehen.
Wo will BMW weiter wachsen?
Neben neuen Fahrzeugkonzepten bietet zum Beispiel die 3er-Reihe weitere Wachstumsmöglichkeiten. Aber auch die 1er-Reihe: Diese Klasse der kompakten Fahrzeuge ist mit 12 Millionen Fahrzeugen das grösste Segment weltweit. Wir sind überzeugt, dass wir ein Stück dieses Marktes abschneiden können. Wir wollen vor allem in Asien wachsen - und in den USA. Die Vereinigten Staaten sind der grösste Einzelmarkt mit jährlich über 16 Millionen Fahrzeugen. Der Marktanteil von BMW liegt in den USA nur bei 1,5 Prozent. In Europa haben wir einen Anteil von 3,5 bis 4 Prozent.
Im letzten Jahr hat BMW den Absatz um fast 10% gesteigert. Was haben Sie für dieses Jahr budgetiert?
Wir wollen in diesem Jahr beim Absatz mit einer hohen einstelligen Prozentzahl wachsen, also zwischen 6 und 9 Prozent. Die exakte Zahl ist dabei weniger wichtig als die Tatsache, dass wir mit unseren Produkten auch in einem schwierigen Umfeld wachsen werden.
Die deutsche Regierung musste diese Woche eine Arbeitslosigkeit von 12 Prozent bekannt geben. Ihr Unternehmen jedoch prosperiert und hat neue Mitarbeiter eingestellt. Was machen Sie besser als die anderen deutschen Firmen?
Wir machen vieles anderes. Wir setzen weltweit eine klare Strategie um und haben eine breite Absatzverteilung. Zudem ist Flexibilität wichtig, in allen Aspekten. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Vor zwanzig Jahren haben wir in unserem Werk Regensburg begonnen, die Betriebszeit der Anlagen von den Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu entkoppeln. Durch das Auflösen des festen Schichtmodells haben wir erreicht, dass wir trotz verkürzter Arbeitszeiten des einzelnen Mitarbeiters unsere Fabriken besser auslasten konnten. Aus einem ehemals starren Schichtmodell sind heute bei BMW über 300 verschiedene Arbeitszeitmodelle entstanden. Im neuen Werk Leipzig, das diese Woche die Produktion aufgenommen hat, haben wir erreicht, dass wir die Betriebszeit der Fabrik - nicht zu verwechseln mit der Arbeitszeit des einzelnen Mitarbeiters - von 60 Stunden auf 140 Stunden wöchentlich erhöhen können - ohne Schichtzuschläge zu zahlen. Dank Arbeitszeitkonten können wir die Betriebszeiten flexibel gestalten, ohne dass wir mehr Kosten haben. So können wir auch in Deutschland profitabel produzieren. Wir haben in Deutschland 2004 fast 1500 Arbeitsplätze geschaffen. Für Deutschland ist es wichtig, dass jetzt solche positiven Signale von den Unternehmen, aber auch von der Politik kommen. Interview: Katharina Fehr / Daniel Hug Helmut Panke und die Schweiz Seit bald drei Jahren führt Helmut Panke den deutschen Autokonzern BMW, und das mit grossem Erfolg. Die Gruppe hat unter seiner Leitung nicht nur jedes Jahr mehr Autos verkauft, sondern gehört auch zu den rentabelsten Autobauern Europas. Panke war auf die Aufgabe als CEO gut vorbereitet: Der studierte Physiker und einstige McKinsey-Mann arbeitet seit 1982 in verschiedenen Funktionen für den Münchner Autohersteller.
Der 58-Jährige wurde einst von der britischen Presse als «Iceman» bezeichnet. Davon ist allerdings nichts zu spüren, wenn er über Autos oder den Skiurlaub in Graubünden spricht. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern schwört übrigens auf Stöckli-Ski. Die Winterferien sind nicht sein einziger Bezug zur Schweiz. Er forschte zwei Jahre lang am Schweizerischen Institut für Nuklearforschung und wohnte in Untersiggenthal, Aargau. BMW überholt Mercedes, liegt aber hinter den Japanern BMW hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Weltweit steigerte BMW (inkl. Mini und Rolls-Royce) den Umsatz um 6,8% auf 44,3 Mrd. Euro. Trotz rückläufigem Gesamtmarkt konnte BMW auch in der Schweiz 16% mehr Fahrzeuge verkaufen - das war der Bestwert unter den grossen Marken. Das klare Markenprofil, die langfristig ausgerichtete Strategie und der Verzicht auf Grossfusionen zahlen sich aus: Die Fabriken sind ausgelastet, die Rentabilität von BMW ist fast viermal so hoch wie beim Volkswagen-Konzern.
Das Resultat ist bemerkenswert, weil die Autobranche mit Überkapazitäten kämpft und die (nicht in der Tabelle aufgeführten) Hersteller wie die GM-Töchter Opel und Saab Verluste schreiben - ebenso wie die defizitäre Autosparte von Fiat.
BMW hat 2004 erstmals mehr Fahrzeuge abgesetzt als die Mercedes Car Group von DaimlerChrysler. Auch an der Börse liegen die Münchner vorne: In den letzten fünf Jahren ist die Aktie 20% gestiegen. Bei DaimlerChrysler wurden gut 50% der Börsenkapitalisierung vernichtet.
Die deutsche Autoindustrie hat mit einem flauen Inlandmarkt zu kämpfen, aber auch mit gravierenden Qualitätsproblemen. In der Pannenstatistik des ADAC findet man Mercedes, einst Inbegriff von solider Qualität, auf Rang 11. Die ersten sieben Plätze werden von Japanern eingenommen, angeführt von Mazda, Toyota und Subaru. Auch BMW kann mit Rang 9 nicht zufrieden sein. Nippons Hersteller bauen aber nicht nur zuverlässigere Fahrzeuge - sie arbeiten auch viel profitabler und lassen diese Mittel wieder in die Forschung einfliessen. Toyota baut heute ein marktfähiges Hybridfahrzeug, hat das Partikelproblem beim Dieselmotor gelöst - und expandiert mit einer zweistelligen Zuwachsrate. |