Nobelpreisträger Robert J. Shiller: «Ein Börsen-Crash ist derzeit nicht zu erwarten. Trotzdem fühlt sich die Situation ein bisschen an wie 1929»
Am Aktienmarkt geht man von einem baldigen Ende der Zinserhöhungen aus. Ob die Inflation unter Kontrolle kommt, entscheiden nicht nur die Währungshüter. Auch die Geschichten, die sie verbreiten, seien entscheidend, sagt Yale-Professor Robert J. Shiller.
Die Börsen haben diese Woche wieder euphorisch auf die geldpolitischen Ankündigungen reagiert. Die US-Zentralbank Fed hat erwartungsgemäss die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte, ihr europäisches Pendant, die Europäische Zentralbank (EZB), hat sie um 0,5 Punkte erhöht; Letztere kündigte zudem an, dies im März nochmals zu tun. Den Börsen war das gleichgültig. Der technologielastige US-Technologie-Index Nasdaq gewann am Donnerstag über 3 Prozent, der breit gefasste S&P 500 rund 1,5 Prozent. Zinsempfindliche Wachstumsaktien wie Amazon, Alphabet oder Meta schossen in die Höhe. Der Nasdaq ist seit 1975 nicht mehr so schwungvoll ins Jahr gestartet wie in diesem. Doch die Märkte nahmen nur den Teil der Geschichte wahr, der ihnen passte: Das Fed hat sich von den «Monster-Zinsschritten» von 0,75 Prozentpunkten des vergangenen Jahres verabschiedet. Die zuletzt strengen, geldpolitisch restriktiven Worte von EZB-Präsidentin Christine Lagarde tönten etwas versöhnlicher. Und die Inflationsraten in den USA und in der Euro-Zone haben sich auf 6,5 beziehungsweise 8,5 Prozent leicht abgeschwächt. Die Teuerung ist zwar noch meilenweit vom 2-Prozent-Zielwert der Währungshüter entfernt. Doch die Börsianer wollen glauben, dass die Inflation grundsätzlich gebändigt ist, dass die Zinsen im Sommer nicht mehr steigen und bald danach wieder zurückgehen werden. Zudem soll das Kunststück einer sanften konjunkturellen Landung gelingen – eine Rezession kann vermieden werden.
Auf die Frage, ob der US-Wirtschaft eine Rezession drohe, sagte der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller an einem Anlass des Vermögensverwalters Natixis am Donnerstag, dass sich die Finanzmärkte derzeit in einer «seltsamen Situation» befänden. Im Zeitraum 2009 bis 2020 habe die US-Wirtschaft eine der längsten Expansionsphasen ihrer Geschichte gehabt. Es folgte die kürzeste Rezession aller Zeiten, ausgelöst durch den Pandemie-Ausbruch im Frühjahr 2020. Regierungen und Zentralbanken haben die Krise mit grossen Konjunkturprogrammen und einer Geldschwemme bekämpft. Nun befinde sich die Wirtschaft «auf unbekanntem Terrain». Es stelle sich die Frage, ob nicht nur eine Rezession bevorstehe, sondern «sogar etwas Grösseres», sagte Shiller, der als Finanz-Orakel gilt und etwa das Platzen der Internetblase im Jahr 2000 richtig vorhergesagt hat. ...
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