Bei den Notenbanken, und besonders auch beim IWF, herrscht Angst vor Deflation. Diese drohende (bzw. in den südlichen Euroländern bereits sichtbare) Deflation will man unter anderem mittels extrem niedriger Zinsen bekämpfen:
http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/...olitik/9709068.html
http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/...pirale/9753218.html
Aber wieso eigentlich ANGST vor der Deflation? Ist nicht Deflation (trotz deren grundsätzlicher Schädlichkeit für eine Volkswirtschaft) das Einzige, was derzeit die europäischen Südländer retten kann, nachdem diese KEINE eigenen Währungen mehr haben, die sie abwerten könnten, um damit die Wettbewerbsfähigkeit ihrer internationalen Preise (wieder) herzustellen?
Ich kenne jedenfalls nur folgende drei Alternativen, um die (internationale) Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft zu steigern, nämlich:
a) Währungsabwertung,
b) Senkung des Preisniveaus sowie der Lohnkosten, wobei Preisrückgang aber eben Deflation ist,
c) sonstige Steigerung der Produktivität (durch technischen Fortschritt o.ä.).
So gesehen ist doch die derzeitige (volkswirtschaftlich im Grundsatz nicht wünschenswerte) Deflation in den Südländern lediglich eine (unausweichliche!) Folge bzw. sogar Voraussetzung der lebensnotwendigen Wiederherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder. Daher ist die dortige Deflation (leider) zwingend nötig, solange diese Länder in das Korsett einer starken Währung (= Euro) eingebunden sind und ihnen somit das (früher regelmäßig angewandte) Instrument der Währungsabwertung nun plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht.
Natürlich müssen die Zinssätze (weltweit) trotzdem runter (und zwar im Grunde auf Null!), aber nicht etwa zur Deflationsbekämpfung, sondern aus einem völlig anderen (und öffentlich bisher kaum diskutierten) Grund:
Nämlich damit eine ungedeckte Papiergeld-Währung (wie z.B. der Euro, aber auch der heutige Dollar oder der Yen) auf Dauer überleben kann und somit ihre Wertaufbewahrungsfunktion (welche sich widerspiegelt im Ziel der Geldwertstabilität) zeitlich unbegrenzt behält. Denn anderenfalls kommt es (umso schneller, je höher der Zinssatz ist) bei jeder ungedeckten Papiergeld-Währung (meist nach durchschnittlich ca. drei Generationen, dies kann aber je nach Höhe des Zinssatzes auch kürzer oder länger dauern), mathematisch unausweichlich, zu einem exponentiellen Geldmengen-Wachstum (und dadurch letztlich zur Zerstörung des Geldwerts), und zwar allein aufgrund der Tatsache, dass infolge des Zinseszinseffekts jedes Jahr immer mehr und mehr Geld neu geschaffen werden muss, um die Zinsen auf das bisherige Geld zu zahlen.
Geld kann (jedenfalls in unserem Geldsystem) ausschließlich durch gleichzeitige Erzeugung von Schulden entstehen, denn Geldschöpfung = Kreditvergabe. Somit fallen Zinsen zwangsläufig immer auf sämtliches bereits existierendes Geld an.
Und auch das Geld, welches ein Jahr später zusätzlich benötigt wird, um die Zinsen für das (bereits existierende) Geld bezahlen zu können, kann (jedenfalls in unserem derzeitigen Geldsystem) eben wieder nur durch (zusätzliche) Kreditvergabe geschöpft (= erzeugt) werden, ganz gleich ob dies durch Kreditvergabe der Notenbanken direkt geschieht oder mittels "Umweg" über die Privatbanken.
Um also jeweils die Zinsen auf das (systembedingt stets in Form von vergebenen Krediten, also in Form von Schulden) bereits existierende Geld zahlen zu können im jeweils folgenden Jahr, muss dann jeweils wiederum zusätzliches Geld neu geschöpft (= erzeugt) werden, und zwar Jahr für Jahr ständig steigende Summen infolge des (exponentiell wirkenden) Zinseszinseffekts.
In unserem derzeitigen (Schuld-)Geldsystem ist deshalb ein (durch Zins und Zinseszins bedingtes) exponentielles Wachstum der Geldmenge (korrespondierend mit gleichzeitigem und gleichhohem Wachstum der Schulden) unausweichlich.
Ebenso unausweichlich führt dies (wie sämtliche historischen Erfahrungen aus der Geschichte des Papiergelds zeigen!) langfristig gesehen zu einer allmählichen Zerstörung des Geldwerts, und zwar selbstbeschleunigend, umso schneller je mehr das (systembedingt gezwungenermaßen exponentiell verlaufende) Wachstum der Geldmenge zunimmt (also solange die Zinssätze größer als Null sind, oder auch wenn die Geldmenge aus sonstigen Gründen willkürlich gesteigert wird, etwa wenn unproduktive Geldausgaben, z.B. für Militär- oder Kriegskosten, finanziert werden mittels Ausweitung der Staatsverschuldung).
Aufhalten ließe sich diese exponentiell bedingte Zerstörung des Geldwerts nur, wenn jeweils ein so starker Schuldenabbau stattfände (= gleichzeitig Rückgang der existierenden Geldmenge), dass jährlich genau so viele Schulden abgebaut werden (und damit gleichzeitig eine entsprechende Menge bereits existierenden Geldes wieder "vernichtet" wird), wie neue Schulden (= neue Gelderzeugung) gemacht werden müssen, um die (in absoluten Beträgen) Jahr für Jahr wegen des Zinseszinseffekts ständig steigende Menge an Zinsen (welche immer auf die gesamte existierende Geldmenge zu zahlen sind) jeweils bedienen zu können.
Dieser hierfür nötige (und zwangsläufig auch mit entsprechendem Geldmengen-Abbau verbundene) Schuldenabbau (= Summe aus Schuldenrückzahlungen plus Konkursen) würde dann jedoch in der Praxis zu einer (mehr oder weniger ausgeprägten) volkswirtschaftlichen Schrumpfung und folglich auch zu erheblichen Einkommens- und Wohlstandsverlusten der Bevölkerung führen, so wie wir dies z.B. nach der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 (wo sämtlichen Banken weltweit gleichzeitig Schulden abbauten, und dadurch in gleicher Höhe eben auch die existierende Geldmenge reduziert wurde) erlebt haben, welche dann wiederum nur durch eine deutliche Ausweitung der Geldmenge (und damit leider zwingend auch wieder der Schulden!) seitens der Notenbanken bekämpft werden konnte.
Warum aber sagt uns kein Finanzminister und kein Notenbanker diese unausweichlichen Wahrheiten?
Der durch die exponentiell steigende Geldmenge eintretende (und sich darum langfristig stets beschleunigende) Verfall der Geldwertstabilität ließe sich rein theoretisch somit nur durch zwei mögliche Änderungen unseres Geldsystems verhindern:
1) Entweder man setzt den Zinssatz auf Null, so dass der (exponentiell wirkende) Zinseszinseffekt ausbleibt.
2) Oder man würde zwingend vorschreiben, dass Zinsen nicht mehr in Form von Geld bezahlt werden dürfen, sondern ausschließlich in Form von realen Sachgegenständen. Dann müsste z.B. der Inhaber einer kreditfinanzierten Fabrik oder Immobilie die Zinsen nicht in Geld bezahlen, sondern müsste der Bank jedes Jahr einen entsprechenden prozentualen Anteil seiner Fabrik oder seiner Immobilie überschreiben. Sämtliche Zinszahlungen wären also in Naturalien zu erbringen, so dass keinerlei neue, zusätzliche Geldschöpfung nötig wäre, um die Zinsverpflichtungen zu erfüllen.
Es würde durch diese Variante ebenfalls ein exponentielles Geldmengenwachstum verhindert (egal wie hoch der Zinssatz ist), und die Geldwertstabilität könnte so dauerhaft gesichert werden.
Natürlich würde diese zweite Variante in der Praxis niemals funktionieren, denn die Gläubiger würden "ersticken" unter einer Flut von Sachwerten und wären nur noch damit beschäftigt, diese sofort wieder zu verkaufen. Außerdem würde dabei die (jedem Zins immanente!) Umverteilungswirkung plötzlich für jedermann sichtbar, weil jeder Schuldner (und zwar offen erkennbar!) seine Vermögenswerte nach und nach immer weiter an die Bank (oder an sonstige Kreditgeber) verlöre, und zwar umso schneller, je höher der Zinssatz ist, bis ihm irgendwann fast nichts mehr (und den anderen fast alles) gehört.
Die gesellschaftliche Akzeptanz des Zinses an sich ließe sich dann bestimmt nicht mehr lange aufrechterhalten, so dass man auch bei dieser Variante vermutlich den Zinssatz dann auf Null (oder zumindest annähernd, je nach politischen Kräfteverhältnissen) würde setzen müssen.
Und so grotesk sich die obige zweite Alternative auf den ersten Blick auch anhören mag, so ist sie doch in einem ganz wesentlichen Punkt im Ergebnis deckungsgleich mit unserem heutigen Geldsystem: Wenn im heutigen Geldsystem ein Anleger (oder eine Bank, Fonds, oder sonstiger Investor) beispielsweise der BASF 100.000 Euro leiht (egal ob direkt, oder indem er BASF-Anleihen in dieser Höhe kauft), bekommt er bei einem angenommenen Zinssatz von 2% p.a. somit jährlich 2.000 Euro Zinszahlungen von der BASF. Kauft sich der Anleger mit diesen 2.000 Euro, die er als Zinsen von der BASF bekommen hat, sodann BASF-Aktien, ist er anschließend in Höhe dieser 2.000 Euro Miteigentümer der BASF, was nun exakt zum selben Ergebnis führt, als hätte er seinen Zins sofort in Naturalien (mit ebenfalls 2% Zinssatz) erhalten, d.h. in BASF-Aktien ebenfalls im Wert von 2.000 Euro!
Im heutigen Geldsystem ist die zinsbedingte Umverteilungswirkung somit im Grunde bereits genau dieselbe, allein mit dem kleinen (aber entscheidenden!) Unterschied, dass sie bislang für die Allgemeinheit sehr viel weniger offensichtlich ist im Vergleich zur obigen zweiten Alternative.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Zinsen nur deshalb überhaupt bis heute möglich gewesen ist, weil die Zinsen in Geld entrichtet werden dürfen. Offenbar ist es für einen Schuldner, rein psychologisch bedingt, sehr viel leichter hinnehmbar, wenn sich die von ihm zu leistenden Zinszahlungen in einer bloßen Betragsänderung seines Bankkonto-Saldos ausdrücken, als wenn ihm stattdessen Jahr für Jahr einige Prozent seiner realen Eigentumsgegenstände weggenommen würden.
Aus all dem wird deutlich, dass es eine dauerhaft geldwertstabile Papier-Währung nur dann geben kann, wenn die Schöpfung zusätzlichen Geldes streng begrenzt wird und JEDE willkürliche, d.h. nicht durch Warenangebot und Produktionspotenzial gedeckte Geldmengenausweitung (die z.B. aus Zinszahlungen, aber auch aus Staatsverschuldung resultiert!) nachhaltig verhindert würde. Dies wird also wohl nichts weiter als eine schöne Utopie bleiben. |