Donnerstag, 9. Juni 2011
„Windfonds kommen schon ohne Förderung aus“ Seit allerorten über die Energiewende diskutiert wird, steigt die Nachfrage nach Strom aus regenerativen Quellen. Die Hamburger Ratingagentur G.U.B. sprach mit Tjark Goldenstein, Vorstand der insbesondere auf den Zweitmarkt für Windenergiefonds spezialisierten Ökorenta AG aus Aurich, über die Folgen.
G.U.B.: Wie wirkt sich die erhöhte Nachfrage nach Ökostrom auf Ihre Fonds aus?
Goldenstein: Einzelne unserer Zielfonds verzichten bereits auf die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Sie kommen schon ohne die Förderung aus und haben in den vergangenen Wochen Verträge direkt mit Stromanbietern abgeschlossen und erhalten 9,5 bis zehn Cent pro Kilowattstunde, also mehr als die aktuelle gesetzliche Mindestvergütung.
G.U.B.: Ist das eine Folge der Reaktor-Havarie im japanischen Fukushima?
Goldenstein: Indirekt ja. Nach der Atomkatastrophe in Japan haben viele Verbraucher Tarife mit Ökostrom abgeschlossen. Um die Nachfrage befriedigen zu können, müssen die Anbieter nun entsprechende Strommengen einkaufen. Das treibt den Preis.
G.U.B.: Wird das von Dauer sein?
Goldenstein: Ich denke: Ja. Der Atomausstieg ist so gut wie beschlossen. Die Lücke lässt sich nur durch Windenergie schließen. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Solarstrom hat einen viel zu geringen Anteil und ist in Deutschland mit einem Vergütungssatz von etwa 21 Cent pro Kilowattstunde für Freiflächenanlagen, die 2011 an das Netz angeschlossen werden, noch viel zu teuer. Ich rechne damit, dass demnächst verstärkt wieder Windenergiefonds auf den Markt kommen werden. Auch die Ökorenta plant neben den Zweitmarktangeboten einen Fonds, der direkt in Windenergieanlagen investiert.
G.U.B.: Wird die Anleger nicht abschrecken, dass frühere Windfonds zum großen Teil deutlich unter Plan laufen?
Goldenstein: Heutige Anlagen sind technisch wesentlich ausgereifter und viele Fehlentwicklungen der Vergangenheit werden durch die aktuellen Entwicklungen noch korrigiert werden. Schließlich hat niemand in den Prospekten damit gerechnet, mehr als die gesetzliche Mindestvergütung zu erhalten. Zudem vergessen viele, dass die Anlagen nach dem Förderzeitraum von 20 Jahren ja nicht einfach umfallen. Sie stehen weiter dort und produzieren Strom. Bei uns in Ostfriesland stehen Anlagen, die bereits seit 24 oder 25 Jahren laufen.
G.U.B.: Werden sie nicht durch moderne ersetzt?
Goldenstein: Nein. Jedenfalls nicht, solange keine größeren Reparaturen anfallen. Ein intaktes Haus mit einem guten Mieter wird ja auch nicht deswegen abgerissen, weil sich durch einen Neubau eine höhere Miete erzielen ließe. Das können Sie später ja immer noch machen. Zudem ist eine voll abgeschriebene und entschuldete Windenergieanlage enorm profitabel und erzielt bezogen auf das ursprüngliche Eigenkapital mit dem aktuellen Marktpreis für Ökostrom locker einen Ertrag von 25 Prozent pro Jahr. Wenn die Anlage nur vier Jahre länger läuft als geplant, können also vorherige Rückstände bis zu 100 Prozent der Einlage ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Und die meisten Fonds haben die Option, die Pachtverträge für die Grundstücke um bis zu zehn Jahre zu verlängern.
G.U.B.: Wann werden auch Solaranlagen ohne das EEG auskommen?
Goldenstein: Das ist schwer zu prognostizieren. Auf Basis der aktuellen Mindestvergütung nach dem EEG wäre das der Fall, wenn die Stromanbieter für Ökostrom mindestens 21 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Wenn dieses Niveau auch nur annähernd erreicht werden sollte, werden wir mit den Windfonds aber bereits extrem viel Spaß gehabt haben.
Das Gespräch führte G.U.B.-Chefanalyst Stefan Löwer