Alter Kaffee: 04/2014 "Die hoch verschuldete Fluggesellschaft Air Berlin steht vor ihrem Abschied von der Börse. Das Modell für das geplante Delisting stehe, berichtet das Handelsblatt (Montagausgabe). Allerdings fehle noch die Zustimmung von Etihad aus Abu Dhabi, mit 29 Prozent der größte Einzelaktionär der zweitgrößten deutschen Airline, wie das Handelsblatt aus mehreren, voneinander unabhängigen Quellen im Unternehmensumfeld erfahren hat. Danach soll eine GmbH als Obergesellschaft für die übrigen Aktien bieten. Diese wird gehalten von den deutschen Unternehmern Hans Rudolf Wöhrl, Joachim Hunold und Severin Schulte und soll lediglich mit einem haftenden Kapital von 25.000 Euro ausgestattet werden. Das Geld für die Aktienofferte soll dagegen von den Untergesellschaften der Airline kommen, die sich über Bankenkredite finanzieren, gesichert zum Beispiel durch Immobilien. Wie es weiter heißt, steht eine Stellungnahme von Etihad dazu aber noch aus. Die Scheichs lassen sich Zeit, berichtete ein Insider." [..] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/...st-gewissheit/9727142.html
Alles bislang reine Spekulation. Ich möchte mit ein paar falschen Aussagen hier im Forum aufräumen und etwas Sachverstand einbringen. Theoretisch betrachtet ein paar allgemeine Aussagen. Richtig ist, dass bei einer neuen GmbH (nach dt. Recht), Ethiad bis zu 50% der Anteile übernehmen könnte, unter Beibehaltung der Landerechte. Bislang hat Ethiad vor dem 30% Anteil (Wandelanleihen) dann nach dem 30% Anteil (Anleihen) zur Besicherung von Finanzspritzen genommen. Richtig ist auch, dass bei einer GmbH (ohne Börsendruck und Transparenzrichtlinien) eine mögliche Verschmelzung mit Alitalia einfacher und geräuschloser stattfinden könnte (AB als GmbH 50%ige Tochter von Alitalia?), andere 50% an Gläubiger und Manager. Fazit der theoretischen Überlegungen, wäre eine klassische Verschmelzung und komplette Abhängigkeit von Ethiad, ob Mehrheit direkt oder über Alitalia - spielt operativ keine Rolle und das möchte Stefan Pichler sicher nicht - Spielball zwischen den Fronten und kleiner Manager einer Tochter.
Spekulation "Insolvenz": Falsch ist die die ganze Angst einer Insolvenz, dies würde nur Sinn machen, wenn ein Ankerinvestor nicht mehr bereit steht und man den Schuldenberg durch Insolvenz z.B. in Eigenverwaltung tilgen möchte, Problem ist aber alles Kapital bei Insolvenz sofort Teil der Insolvenzmasse alle Rechte, Lizenzen, etc. dies ist das Kapital von AB und würde somit massiv aufs Spiel gesetzt, wenn ein IV von Außen das Tragfähigkeitskonzept ablehnt und anfängt zu liquidieren, das Risiko geht man nicht ein, außerdem ist man massiv abhängig vom IV egal ob in Eigenverwaltung oder Planinsolvenz. Von dem Marken- und Marketingschaden ganz zu schreiben, denn Fliegen mit einer insolventen Fluglinie ist kein Vertrauensbonus. Hier kommt jedoch das Insolvenz Recht von GB zur Geltung, da dort der Verwaltungssitz ist. Bei Unternehmensinsolvenzen ist die Anwendung englischen Rechts oft für die Gläubiger sogar vorteilhafter. Die verschiedenen Verfahrensarten des englischen Insolvenzrechts entweder (a) eine administration procedure oder (b) ein company voluntary arrangement (CVA) als eine Art außergerichtlicher Vergleichsvertrag zwischen den Gläubigern und der Schuldnergesellschaft (sehr beliebt, da Vorteil, dass er selbst für die Gläubiger verbindlich ist, die ihm nicht zugestimmt haben, Zustimmungspflicht von 75% der Gläubiger). Hinzu kommt noch weniger Einflussnahme durch das Gericht, so wird z.B. der IV durch die Gläubiger oder gar das Schuldnerunternehmen selbst bestimmt.
Spekulation "Delisting": Komisch, dass die Pressespekulation von heute fast 1 zu 1 denen vor 2 Jahre entsprechen ("Die Scheichs lassen sich Zeit"). Fakt ist wir haben hier eine "Air Berlin PLC & Co." (mit Satzungssitz in Rickmansworth / GB und Verwaltungssitz in Berlin), d.h. eine PLC nach britischem Recht (auch was eine Insolvenz angeht), ebenso bei dem Delisiting (wichtig ist: nationales Recht am Firmensitz GB + dt./US Börsenplätze). Das viel beachtete BGH Urteil vom Herbst 2013 (FroSta-Beschluss: "Delisting vom geregelten Markt weder einer Zustimmung durch die Hauptversammlung bedürfe, noch ein Abfindungsangebot nötig sei.") wurde jedoch politisch aufgehoben. Die neue Rechtslage "Der Bundestag hat nun beschlossen, dass dem Delisting immer ein Übernahmeangebot vorangehen muss, wonach den Aktionären eine Gegenleistung in bar zu gewähren ist (§ 39 Abs. 2 BörsG). Dies gilt nicht, wenn die Aktien noch an einem anderen geregelten Markt im Inland und im EU-/EWR-Ausland gelistet sind und dort ähnlich strenge Voraussetzungen für das Delisting gelten. Der Mindestpreis hat dem gewichteten Sechsmonats-Durchschnittskurs zu entsprechen." (siehe: https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/...g_210_324690.html bzw. http://www.value-trust.com/fileadmin/pdfs/...orp%20Finance11-15.pdf). In In Deutschland gilt Vorstandsbeschluss (ggf. mit Zustimmung des Aufsichtsrats) + Übernahmeangebot aufgr. 6M-Durchschnittskurs (keine Zustimmung der Hauptversammlung nötig, jedoch Möglichkeit der Überprüfung des Angebots im Rahmen eines Spruchverfahrens auf Antrag der Aktionäre). Strengere gesetzliche Regeln wären hier wünschenswert, um Minderheitsaktionäre zu schützen. Deutschland hier klar im Nachteil gegenüber Großbritannien. Dort wurden die Delisting-Regeln verschärft dort gilt die Zustimmungsquote bei 75% (dies bei einem aktuellen Streubesitz von 44% sehr unwahrscheinlich).
Der Schutz der Minderheitsaktionäre bei einem vollständigen Rückzug vom regulierten Markt wird in den Börsenordnungen der einzelnen deutschen Wertpapierbörsen unterschiedlich geregelt. Die Börsenordnungen der Börsen in Frankfurt, München und Stuttgart sehen eine reine Fristenlösung vor. Für das Delisting gilt an den unterschiedl. Börsenplätzen "§ 46 Abs. 2 S. 3 BörsO Börse Frankfurt (Stand: 16.12.2013) beim Delisting aus dem regulierten Markt der Börse Frankfurt 6 Monate; beim Delisting aus dem Open Market nur 6 Wochen (siehe § 23 Abs. 1 Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr Frankfurt); § 42 Abs. 7 S. 3 BörsO Börse Hamburg (2 Jahre) (Stand: 29.11.2013); § 43 Abs. 7 S. 3 BörsO Börse Hannover (2 Jahre) (Stand: 29.11.2013); § 51 Abs. 3 BörsO Börse München (2 Jahre) (Stand: 03.07.2014); § 22 BörsO Börse Stuttgart (min. 6 Monate)." Bei einer Abkehr vom Kapitalmarkt durch eine GmbH ist man natürlich von seinen Eigentümern komplett finanziell abhängig und hat keinen direkten Zugang mehr zum Kapitalmarkt (Fremdkapital durch Wandel-/Anleihen).
Realismus - anderes Szenario viel einfacher: Ölpreisverfall seit Sommer 2014, durch 12-18 Monats Forward-Contracts sind die Kostenersparnisse beim Kerosin erst ab dem Q3/Q4 2015 ff. bilanztechnisch zu erwarten. Streckenkürzungen bei somit einhergehend geringen Kapazitäten (Umsätze), aber leicht steigender Auslastung (Profit) siehe Verkehrzahlen der letzten 3-6 Monate. Die Schuldenlast und die hohen Zinsaufwendungen drücken das operative Ergebnis gewaltig. Verkauf der Technik und Tilgung der Hauptschuldenlast sowie Ablösung der Anleihen würde das finanzielle Ergebnis deutlichst positivieren. Anhaltende Streckenkürzung bei Überprüfung der Profitabilität, sinkenden Kosten durch Sanierung der letzten Jahre meist erst nach 2 Jahren spührbar (wegen Abfindungen, Beraterkosten, etc.). Dies wäre ein denkbarer und logischer Weg, ohne neue Abhängigkeiten, mit einem fähigen CEO, treuen Aktionären und ab Mitte 2017 mit einem neuen Hauptstadtflughafen als Heimatdomizil AB neben DUS auch BER. Diese beiden großen Drehkreuze ausbauen und gegen Konkurrenz verteidigen. Die steigende Auslastung aufgrund Streckenkürzung und operative Kosteneinsparungen (Personal, Ölpreis, etc.) schaffen den Turnaround und den Weg zurück in die Profitabilität. AB geht seinen Weg, die ganzen Spekulationen und Angst-Szenarios gibt es hier "alle Jahre wieder", man sollte sich informieren und nicht wie viele hier unqualifizierte Kommentare mit wirklich falschen Aussagen zum Delisting, Insolvenz, etc. schreiben und Anleger an einem Tag "wie heute" verunsichern, das ist ganz schlechter Stil - zuerst informieren, dann schreiben - einen schönen Tag allerseits!! |