... langsames Aufwerten des Yuan! http://www.zeit.de/2007/47/China-Dollar Das Dilemma des reichen Mannes Von Georg Blume Wohin mit den vielen Dollars? Wenn China seine Devisenpolitik ändert, schadet es sich selbst. 
© ZEIT Grafik Bis vor Kurzem noch galt China bloß als Werkstatt der Welt, weil das Land alle nur erdenklichen Billigprodukte herstellte und exportierte. Von China als Weltfinanzmacht war keine Rede. Jetzt aber geht es Schlag auf Schlag. Erst war es der KP-Konzern PetroChina, vor wenigen Jahren noch ein marodes Staatsunternehmen. Nach seiner Erstnotierung an der Shanghaier Börse, stieg er – gemessen am Wert – zum teuersten Unternehmen der Welt auf. Noch vor dem amerikanischen Ölkonzern Exxon. Dann kam der chinesische Zentralbanker Xu Jian und sagte: »Der Status des Dollar als Leitwährung wankt und die Kreditwürdigkeit von Vermögenswerten in Dollar fällt.« Es war der Tag, an dem der Dollar gegenüber dem Euro auf ein neues Rekordtief fiel. Unvorstellbar war nicht die Kursentwicklung, sondern die Tatsache, dass erstmals die Chinesen bei solchen Dingen mitredeten. Die Männer der Kommunistischen Partei schickten den Dollar mit ihren Wortmeldungen auf Talfahrt. »Wir können unser eigenes Geld nicht ausgeben« Damit könnten sie sich durchaus selbst schaden, denn sie stehen vor einem ebenfalls unvorstellbaren Problem. Nämlich dem, zu viel Dollars zu haben. »Wir können unser eigenes Geld nicht ausgeben«, klagt Zuo Dapei, Ökonom am Wirtschaftsinstitut der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Peking. Schuld sei die chinesische Zentralbank. »Sie hat die Devisenreserven zu schnell wachsen lassen«, sagt Zuo. Die chinesische Zentralbank kauft seit Jahren Dollar in rauen Mengen auf, um den Wechselkurs des Renminbi künstlich niedrig zu halten. Renminbi bezeichnet im Chinesischen die Währung, Yuan nur deren Einheit – in der internationalen Finanzszene wird das allerdings meist gleichgesetzt. Ein niedriger Yuan-Kurs hilft der chinesischen Exportwirtschaft, weil die Waren für Ausländer so billiger sind. China hat auf diese Weise den größten Devisenberg der Welt angehäuft. Die Reserven betragen mittlerweile mehr als 1400 Milliarden Dollar. Vor zwei Jahren hatte Peking die Bindung an den Dollar das erste Mal etwas gelockert. Der Yuan darf mittlerweile in einem Korridor von 0,5 Prozent pro Tag auf- und – theoretisch – auch abwerten. In den vergangenen zwei Jahren hat das dazu geführt, dass die chinesische Währung jeweils knapp fünf Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet hat. Das klingt undramatisch. Wäre der Yuan frei konvertibel, würde er vermutlich um 30 oder 40 Prozent gegenüber dem Dollar zulegen. Aber für die Zentralbanker in Peking dürften auch fünf Prozent nicht unerheblich sein: Bei geschätzten Dollar-Anlagen von 1.000 Milliarden bedeutet das einen Verlust von 50 Milliarden Dollar. Selbst korrupten KP-Kadern mögen da Skrupel gekommen sein: Schade um das viele Staatsvermögen in einem Land, in dem noch Millionen unter der Armutsgrenze leben. Um das Staatsvermögen zu verringern, reicht es allerdings auch schon, öffentlich die Devisenpolitik zu überdenken. Unter anderem bereicherte Cheng Siwei die Debatte um den indirekten Vorschlag, doch mehr Euro statt Dollar einzukaufen. »Wir sollten starke Währungen gegenüber den schwächeren bevorzugen«, sagte der Vizevorsitzende vom ständigen Ausschuss des Volkskongresses in Peking. Cheng galt bisher als konservativer KP-Finanzpolitiker, der sich um Kleinanleger, nicht aber um globale Währungsfragen kümmerte. Seine Worte trugen vergangene Woche prompt zum Fall des Dollar bei. Gerade deshalb aber erschienen sie im Rückblick wenig durchdacht. »Die Kommentare waren in erster Linie selbstzerstörerisch, sie haben der Anlage geschadet, die sie eigentlich schützen sollen«, bewertet Stephen Green von der Standard Chartered Bank in Shanghai Chengs Aussage. Bei Standard Chartered geht man deshalb nicht davon aus, dass Peking sich dazu entschlossen hat, Dollarreserven zu verkaufen: »Es ist unklar, was für ein Mandat Mister Cheng überhaupt hat, so etwas zu verkünden.« China steht vor einem Dilemma. »Theoretisch hat Cheng recht, und wir sollten die Devisenreservenstruktur optimieren«, sagt Zhou Dunren, Ökonomieprofessor am Finanzforschungsinstitut der Fudan-Universität in Schanghai. »Aber in der Praxis ist das sehr schwer zu handhaben.« Die Kursreaktionen gaben dem Professor recht. Jeder weitere Versuch, weniger in Dollar zu investieren, liefert ein Signal und zieht den Dollar-Kurs weiter in den Keller. Das bringt der Pekinger Zentralbank Milliardenverluste. Noch mehr in den Dollar zu stecken, wo der Kurs der US-Währung auch aufgrund der hausgemachten Gründe in den Vereinigten Staaten sinkt, führt ebenfalls zu Milliardenverlusten. Aber was tun? Peking ist sehr vorsichtig. Bisher legte man zwei Drittel der Reserven in amerikanischen Staatsanleihen an, finanzierte damit einen Teil des US-Haushaltsdefizits und stützte den Dollar. Alle waren zumindest eine Weile zufrieden damit. Die Chinesen produzierten billig, die Amerikaner konsumierten billig. Aber das Geld, das in Peking herumlag, wurde immer mehr. Die Amerikaner fordern seit Jahren, eine stärkere Aufwertung des Yuan zuzulassen. Die Europäer haben sich dem Kanon längst angeschlossen – eine Delegation aus Brüssel soll der Forderung demnächst Nachdruck verleihen. Denn gegenüber dem Euro wertet der Yuan sogar noch ab. Was für die europäische Exportwirtschaft Gift ist. Jetzt, wo die amerikanische Wirtschaft wegen der Kreditkrise schwächelt und der Dollar fällt, ist die Lage umso brisanter. Alle Welt schaut auf Peking. Jeder will wissen: Was machen die Chinesen mit ihren Dollars? Stoßen sie die US-Währung ab? Diversifizieren sie ihre Anlagen? Plötzlich droht der Devisenberg in Peking zum Vulkan zu werden. »Das Geld, dass die Chinesen haben, kann der Weltmarkt nicht verdauen. Es ist einfach zu viel«, sagt ein amerikanischer Analyst in Peking, dessen Firma von ihm Anonymität verlangt. Es ist genau diese Tatsache, die alle nervös macht. Ein neu gegründeter chinesischer Staatsfonds für Auslandsinvestitionen legte seine ersten Milliarden bei der US-Heuschrecke Blackstone an. Prompt gab die Blackstone-Aktie nach. In China schimpften viele über die inkompetenten Fondsmanager der Zentralbank. Doch ohnehin schien die Idee grotesk, dass das kommunistische China seine Rücklagen US-Finanzspekulanten zur Verfügung stellte. »Was ist das für eine schöne neue Welt, in der die KP Heuschrecken dopt?«, wundert sich der amerikanische Analyst. Der chinesischen Bevölkerung passt es nicht länger, wie ihr Staatsvermögen bei der Zentralbank verwaltet wird. Schon gibt es im Internet zahlreiche Debatten und Umfragen, wie die Devisenreserven am besten anzulegen seien. Jeder möchte ein bisschen mitbestimmen, wenn es um volkseigene 1400 Milliarden Dollar geht. Bei einer Internetumfrage der Pekinger Volksuniversität empfahlen 29 Prozent, die Devisen in strategisch wichtige Reserven wie Gold und Öl anzulegen. Immerhin 22 Prozent verlangten soziale Investitionen in Bildung, Krankenversorgung und Rente. Nur sechs Prozent wollten in US-Aktien mit hohen Gewinnchancen investieren. »Der Devisenberg ist das Ergebnis einer verfehlten Politik« Die gleiche Debatte spaltet die Pekinger Führung. Finanzreformer wie der ausscheidende Zentralbankchef Zhou Xiaochuan wollen Chinas verschlossene Kapitalmärkte öffnen. Für sie ist eine konvertible Währung, die auch das Rücklagenproblem lösen würde, nur noch eine Frage von wenigen Jahren. Doch auf die liberalen Reformer, die noch Ex-Premier Zhu Rongji in ihre Ämter hievte, folgen heute nicht selten marktskeptischere Kader um Parteichef Hu Jintao. Sie trauen den internationalen Finanzmärkten nicht. Für sie sind die Devisenreserven Rücklagen für das alternde China. Mehr als 1400 Milliarden Dollar für 1,3 Milliarden Chinesen macht nur rund tausend Dollar pro Person. Sie rechnen lieber sozial- als währungspolitisch. Derweil fordern Wirtschaftslobbyisten ungeduldig, dass China entschieden neue Wege in der Währungspolitik einschlägt. Die Chinesen müssten endlich ihre Angst vor dem aufgeben, was Japan nach dem Plaza Accord von 1985 ereilte, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Damals trennte sich Japan vom starren Wechselkurs. Der Yen wertete binnen kürzester Zeit um 50 Prozent auf, Japan erntete zehn Jahre lang Rezession. Die Regierung will eine langsame Aufwertung, weil dies das rasante Wirtschaftswachstum abbremst, aber keine Bruchlandung provoziert. Auf der anderen Seite stehen die immer weiter steigenden Handelsüberschüsse mit den USA und der EU, die zusehends verärgert darüber sind. Nur ein stärkerer Yuan, so Wuttke, werde die Überschüsse politisch erträglich machen können. Ist Chinas Devisenberg also Ausdruck neuer Finanzmacht oder Ergebnis einer verfehlten Exportpolitik? »Eher das Ergebnis einer verfehlten Politik«, sagt Huang Yiping, Chefökonom des US-Finanzdienstleisters Citigroup in Hongkong. Doch man wird den Eindruck nicht los, als wäre das am Ende westliches Wunschdenken. |