Datum 15.03.2012
Herr Dr. Trier, 2011 war ein grandioses Jahr für Softing. Der Umsatz stieg um 29% auf etwa 41 Mio. € und das EBIT konnte sich auf 4,2 Mio. € fast verdreifachen. Was waren die größten Wachstumstreiber?
Erfreulicherweise steuerten beide Segmente der Softing AG, also die Industrial Automation wie auch die Automotive Electronics, zum starken Wachstum bei. Ein bedeutender Erfolgsfaktor waren unsere neuen, innovativen Produkte und Services, die wir in Schlüsselbranchen wie etwa in der Öl- und Gas-Industrie, dem Maschinenbau sowie in der Automobilindustrie anbieten. Mitverantwortlich für das gute Abschneiden war aber auch der Ausbau unserer Vertriebsaktivitäten in den letzten Jahren, der uns in Kombination mit einem guten Jahr für unsere Kunden nun dieses überdurchschnittliche Wachstum bescherte.
Sie haben eine Kapitalerhöhung angekündigt. Wofür benötigen Sie das Geld? Warum verwenden Sie keinen Bankkredit, in Zeiten niedriger Zinsen, sondern teures Eigenkapital?
Wir haben in der Vergangenheit eine Kombination aus organischem Wachstum und Akquisitionen praktiziert. Dabei konnten wir durch die Übernahme kleinerer Firmen auch sehr gezielt strategische oder geographische Lücken schließen. Wir sind nun jedoch an einem Punkt angelangt, an dem uns in einigen Märkten eine vergleichsweise größere Akquisition einen richtigen Schub geben kann. Hierzu führen wir Gespräche und analysieren Targets, wenngleich ich ein Zeitfenster von bis zu 12 Monaten für die Realisierung einer Übernahme offenhalten will. Dabei werden uns die Mittel der Kapitalerhöhung helfen. In erster Linie geht es bei der Kapitalerhöhung darum, bei einem passenden Target schnell agieren zu können und selbst das Tempo zu bestimmen. Damit kann man wirtschaftlich weit mehr bewegen als in der Frage der Kapitalkosten des Fremd- oder Eigenkapitals. Zumindest in unserer Größenordnung spielen die unterschiedlichen Kapitalkosten eine untergeordnete Rolle.
Wäre das geplante Wachstum in 2012 ohne Kapitalerhöhung nicht zu schultern gewesen?
Ohne Kapitalerhöhung wollten wir trotz kontinuierlich besserer Liquidität keine größere Akquisition stemmen. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir nicht mehr die 30-Mio.- Euro-Umsatzfirma des Jahres 2010 sind. Wir laufen in Richtung 45 Mio. Euro und bei einer Akquisition kommen schnell weitere 5 bis 15 Mio. Euro hinzu, für die wir die operativ notwendige Liquidität bereitstellen müssen. In guten Jahren mag das gehen, aber wir wollen immer „wetterfest“ aufgestellt sein. Es gilt im Unternehmen der Grundsatz, dass wir auch zwei Krisenjahre aus eigener Kraft überstehen müssen.
Die Geschäftsaktivität von Softing ist, wie von Ihnen bereits angesprochen, in die beiden Segmente „Industrial Automation“ und „Automotive Electronics“ unterteilt. Können Sie unseren Lesern anhand von praktischen Beispielen die Einsatzgebiete von Softing-Technologie veranschaulichen.
Im Segment Industrial Automation stellen wir unseren Kunden Hard- und Software zum Austausch von Daten in industriellen Netzwerken zur Verfügung. Konkret bedeutet dies, dass etwa bei einem Gaskraftwerk die Daten der Sensoren über unsere Hardware verdichtet an die zentrale Steuerung weitergeleitet werden. Wenn diese Verbindung ausfallen sollte, wird dies automatisch erkannt. Die Daten werden dann über einen zweiten Pfad geleitet. So stellen wir sicher, dass die Zentrale sicher mit Daten versorgt wird und das Kraftwerk weiter betrieben werden kann. Im Segment Automotive Electronics dreht sich alles um die Datenversorgung der in den Fahrzeugen eingesetzten Steuergeräte. In der Fachwelt läuft dies unter dem erweiterten Begriff der „Diagnose“. Mittelklassefahrzeuge haben heute schnell 50 und mehr Steuergeräte, die über zwei bis teilweise fünf verschiedene Netzwerke miteinander verbunden sind. Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer nutzen unsere Hard- und Software, um diese Steuergeräte zu entwickeln, um bei der Produktion die nötigen Daten auf die Steuergeräte zu bringen und um beim Werkstattbesuch den Zustand der Bordelektronik zu überprüfen bzw. Softwarestände zu aktualisieren. Softing liefert hierzu die Adapter zum Einstecken in die Diagnosebuchse und Software für die Testcomputer der Werkstätten.
Die Übernahme der Samtec im Herbst 2011 wird im laufenden Jahr voraussichtlich etwa 4 Mio. € zu den Umsatzerlösen beitragen. Wie hoch schätzen Sie das organische Wachstumspotenzial in 2012? Ist ein zweistelliges, organisches Umsatzwachstum machbar?
Die Samtec ist in den Zahlen des letzten Jahres bereits mit fast 1,5 Mio. EUR am Umsatz beteiligt. Wir erwarten unverändert, in diesem Jahr organisch zweistellig zu wachsen. Das ist im derzeitigen Marktumfeld ehrgeizig, aber aufgrund unserer guten Positionierung durchaus machbar. Auch wenn die Zahlenbasis am Jahresanfang noch dünn ist, deutet alles darauf hin, dass wir dieses Ziel erreichen können.
Warburg Research erwartet eine Anhebung der Dividende von 0,11 Euro auf 0,20 Euro je Aktie. Ist diese Schätzung realistisch? Wie sieht Ihre weitere Dividendenstrategie aus?
Ja, das halte ich für eine realistische Dimension, wenngleich die Gremien hierzu noch nicht entschieden haben. Softing ist ein nachhaltig planendes Unternehmen. Mit der Einführung einer Dividende für das Geschäftsjahr 2010 war das Ziel verbunden, mit Ausnahme von Krisenjahren regelmäßig eine Dividende zu zahlen. Daher wird auch keine Dividende für die guten Ergebnisse in 2011 mit der Kapitalerhöhung verrechnet, das wäre für uns das falsche Signal, selbst wenn es numerisch für das Unternehmen aufs Gleiche hinausliefe. Wir wollen auch zukünftig gutes Geld verdienen und Teile dieses Ertrags an die Aktionäre ausschütten.
Die Automatisierung industrieller Fertigungsabläufe dürfte insbesondere in China bald eine zunehmende Bedeutung erlangen. Wie sieht Ihre Internationalisierungsstrategie aus?
Wir haben in den letzten Jahren unsere Vertriebsstrukturen fast ausschließlich im Ausland ausgebaut. In Asien arbeiten dauerhaft Vertriebsmitarbeiter für Softing, weitere sind in regem Pendelverkehr zwischen Deutschland und Asien. China ist natürlich ein Thema, mindestens genau so gute Chancen sehen wir aber in Ländern wie Südkorea und Indien. Die Chancen dort schätze ich für die Automotive Electronics am höchsten ein, hier besteht auf Jahre großer Nachholbedarf, um das Niveau der deutschen Automobilbauer zu erreichen.
Sie konnten mit einem führenden Konzern im Bereich der Erdölexploration ein Projekt abschließen. Wie kam es zu diesem Projekt? Unternehmen Sie gezielt Vertriebsanstrengungen in dieser Branche?
Ehrlich gesagt kam in diesem Fall der Kunde auf uns zu, was für unser Know-how in diesem Segment spricht. Wir waren für diese Aufgabenstellung schlicht der einzige Anbieter, dem der Kunde die Entwicklung eines passenden Produkts zugetraut hat. Die Prozessindustrie und darin der Bereich Öl- und Gas sind jedoch ganz klar Schwerpunkte unseres Vertriebs.
Das Wachstum von Softing liegt in etwa in ähnlicher Größenordnung wie bei anderen Automobilzulieferern, was darauf hindeutet, dass Sie vom Volumenwachstum der Branche profitieren. Sind neue Produkte, Innovationen oder neue Geschäftsfelder in Planung, die bei stagnierender Branchenkonjunktur hohe Wachstumsraten ermöglichen werden?
Zunächst sind wir kein klassischer Automobilzulieferer. Von Softing fährt ganz bewusst nichts im Auto mit. Damit begrenzen wir nicht nur unsere Haftungsrisiken. Wir sind so auch ein gutes Stück von der Automobilkonjunktur entkoppelt. Die Entwicklungsabteilungen und die Werkstattbetriebe der Hersteller sind nicht direkt von den Verkaufserfolgen abhängig. Nur bei existenzbedrohenden Krisen wie in 2009 schlägt dies auch auf unsere Kunden zurück. Wir werden gegen Ende dieses Jahres mit unserer Diagnose- Software „DTS“ in einer neuen Version kompatibel zur neuesten DIN-ISO Norm sein. Damit werden wir die ersten sein, die ihren Kunden dies bieten können. Der Markt honoriert dies bereits durch konkrete Anfragen und wir haben jetzt schon Angebote ausliegen.
In der Vergangenheit war Softing anfällig für zyklische Schwankungen. 2009 und 2006 war das operative Ergebnis deutlich negativ. Wie sieht Ihre Strategie aus, um die Anfälligkeit für Zyklen zu verringern?
Im Grunde ist unsere Struktur kaum anfällig für Zyklen, da unsere beiden Segmente jeweils eigene Zyklen haben. Lediglich im Jahre 2009 lag erstmalig alles zeitgleich darnieder. Allerdings blieb das Segment Automotive Electronics bei der Ergebnisentwicklung über Jahre weit hinter der Industrial Automation zurück und musste immer wieder mit Verlusten kämpfen. Dies führte zu einem Vorstandswechsel und einer klaren Neuausrichtung noch in 2010. Wenn Sie die Ergebnisbeiträge der beiden Segmente ab 2010 vergleichen, wird der Erfolg der Neuausrichtung schnell deutlich. Es gilt klarer denn je der Grundsatz, dass nur die Geschäfte bei uns eine Chance haben, die dauerhaft zum Wachstum und zum Ergebnis beitragen. Der Rest wird saniert oder abgestoßen.
Herr Dr. Trier, 2002 kamen Sie als Sanierer zu Softing, heute steht das Unternehmen als wachstumsstarker und profitabler Konzern da. Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Jahre aus? Wo wird der Softing-Konzern in fünf Jahren stehen?
Ich denke, der Erfolg ist der Grund, dass ich nach 10 Jahren noch das Unternehmen leiten darf. In dieser Zeit konnte ich viele gute Mitarbeiter in der zweiten und dritten Ebene aufbauen und mit einer „DNA“ ausstatten, die für das Wachstum unverzichtbar ist. Für das laufende Jahr rechne ich im Vergleich zu 2002 mit einem rund vierfachen Umsatz und einer rund sechsfachen Marktkapitalisierung. Im Umsatz will ich in den nächsten 5 Jahren in Richtung 80 bis 100 Mio. Euro gehen. Die Marktkapitalisierung muss im Vergleich zu 2002 deutlich jenseits des Zehnfachen stehen. Dies würde einem Börsenwert von mehr als 60 Mio. Euro entsprechen. Unseren Mitarbeitern wird dies bei guten Löhnen Entwicklungschancen und einen sicheren Arbeitsplatz bieten, den Aktionären steigende Kurse und Dividenden. Schließlich sollen alle am Erfolg der Softing AG partizipieren |