@jef, man kann den Leuten nicht einseitige Argumentation vorwerfen („auf Teufel komm raus short“), aber selber genau das gleiche machen mit einseitiger Argumentation auf der Long-Seite. Historische absolute Aktienkurse als Basis einer „Unterbewertung“ zu nehmen, ist absolut sinnbefreit. Die (Tourismus-) Welt ist eine andere, die TUI ist eine andere.
In den beiden Monaten vor Corona notierte die TUI Aktie im Schnitt bei 10 Euro bei 0,6 Mrd Aktien, somit 6 Mrd. MK + 1 Mrd. Nettoverschuldung = 7 Mrd. EV Bewertung vor Corona. Nach der KE und unter Annahme der Bund-Wandlung wird TUI 2,1 Mrd. Aktien haben, bei aktuell 3,35 Euro Kurs = 7 Mrd. MK bei 2,3 Mrd. EK Nettoverschuldung (3,3 Mrd. zum 30. Sep abzüglich der Mrd. aus der KE) = >9 Mrd EV Bewertung. D.h. TUI wird jetzt bereits 30% höher bewertet als vor der Krise. Wie will man da eine Unterbewertung ableiten? Vor der Krise gab es eine Dividende, die nächsten Jahre nicht mehr - noch ein Punkt auf der Negativliste.
Ja, TUI zieht gerade ein Kostensenkungsprogramm durch und hat dabei schon Erfolge erzielt. Aber TUI zahlt in diesem Jahr rund 400 Mio Euro mehr Zinsen als vor Corona, davon werden wohl die nächsten Jahren ein mind. dreistelliger Zinskostenblock verbleiben. Dazu verliert man die Ergebnisbeiträge aus dem Kreuzfahrtgeschäft (Einbringung in JV), aus dem Toscana-Dorf, alleine 60 Mio EBITDA aus den RIU-Hotels, aus den Nordotels, aus den Spezial-Reiseanbieter, etc. All diese Aktivitäten wurden verkauft, um die Bilanz zu kitten. Weiter werden/könnten folgen.
Also, ja, dass die Bilanz sich verbessert, ist sicherlich richtig (aber auch ne Binse bei einer KE). Aber welche operative Ertragskraft bleibt dann? Und wieviel von den eingesammelten 1,1 Mrd. Euro werden in den nächsten 6-9 Monaten wieder verbrannt. Kommt dann in einem Jahr die nächste KE und Du musst wieder nachschießen, mit welcher Aktienzahl muss man dann rechnen?
Ansonsten zum Nachholeffekt: ich weiß nicht, wie das bei Dir ist, aber ich starte das Jahr mit 30 Urlaubstagen und ende mit 0 Tagen, der Rest verfällt bzw. kann ich nicht nicht ins nächste Jahr nehmen. Ist also nicht so, dass ich meine „eingesparten“ aus den Corona-Jahren 2020/21 die nächsten fünf Jahre „nachholen“ kann.
Der hohe Ölpreis, die zusätzliche CO2 Bepreisung, das Thema Flugscham und der Fakt, dass viele deutsche Gefallen gefunden haben an einem Urlaub in Deutschland (auch vor dem Hintergrund immer wärmerer Sommer in Deutschland), unterstützt die TUI-Story auch nicht unbedingt. Ja, die Leute wollen weiterhin in den Urlaub - aber das heißt noch lange nicht, dass die TUI Aktie ein gutes Investment ist. Aber ich wiederhole mich… |