Weisheit und Wahrheit: Börsenweisheiten unter der Lupe Macht Hin und Her die Taschen leer? Die Weisheit: "Hin und Her macht Taschen leer."
Die Wahrheit: Stimmt!
Hin und Her macht Taschen leer" - dieser kleine Reim soll Anleger davon abhalten, ständig von einem Investment in das nächste zu wechseln. Aber ist die Warnung wirklich angebracht? Schließlich prasseln ständig neue Informationen auf die Börse und die Anleger ein. Wer da nicht hin und wieder seine Strategie anpasst, riskiert abgehängt zu werden. Oder etwa nicht?
Schauen wir zunächst einmal, was passiert, wenn Sie als Anleger Wertpapiere kaufen und verkaufen: Wer einen klassischen Investmentfonds an die Fondsgesellschaft zurückgibt, zahlt dafür in aller Regel nichts. Zwar gibt es Fonds, die einen Rücknahmeabschlag verlangen, aber die sind selten. Wer allerdings von einem Fonds in einen anderen wechseln will, muss möglicherweise einen Ausgabeaufschlag zahlen. Dessen Höhe liegt oft bei bis zu 5 Prozent der Anlagesumme. Da ist die komplette Rendite eines Jahres schnell weg. Allerdings haben informierte Anleger gleich mehrere Möglichkeiten, diesen Ausgabeaufschlag zu vermeiden. Und ohne Ausgabeaufschlag schadet auch ein häufiger Wechsel des Fonds nicht. Wer Aktien, Anleihen, ETFs und andere börsengehandelte Papiere handelt, der zahlt für jede Transaktion eine Gebühr. Als Näherung können wir mit 1 Prozent des Anlagevolumens rechnen. Wer also ETF-Anteile im Wert von 2.000 Euro verkauft, bekommt nach Abzug der Gebühren nur 1.980 Euro. Wer dieses Geld in einen neuen ETF investieren will, zahlt 19,80 Euro und bekommt nur Fondsanteile im Wert von 1960,20 Euro. Und so geht es weiter. Wer einige Male wechselt, ist auch hier schnell eine Aktienmarkt-Jahresrendite los. Zu diesen offensichtlichen Gebühren kommen bei jedem Kauf und Verkauf Kosten, die besser versteckt sind - die so genannte Geld-Brief-Spanne. Für börsengehandelte Wertpapiere gibt es nämlich in der Regel zwei Kurse: den (höheren) Briefkurs, zu dem Sie das Papier kaufen können, und den (niedrigeren) Geldkurs, zu dem Sie das Papier verkaufen können. Wenn Sie eine Aktie kaufen und direkt danach wieder verkaufen, würden Sie also sogar dann Verlust machen, wenn es gar keine Börsengebühren gäbe. Wie hoch die durch die Geld-Brief-Spanne verursachten Kosten sind, lässt sich pauschal nicht sagen. Der amerikanische Finanzwissenschaftler William Bernstein gibt sie mit 0,3 Prozent für die Aktien großer Unternehmen und mit bis zu 3 Prozent für Aktien aus Schwellenländern an. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Wer Wertpapiere mit Gewinn verkauft, zahlt Abgeltungssteuer, sobald sein Freistellungsauftrag ausgeschöpft ist. Auch das schmälert den Gewinn. Wer noch steuerfreie Altbestände im Depot hat, verliert durch einen Verkauf den Steuervorteil. Jedes neue Investment unterliegt der Abgeltungssteuer.
Hin und Her, ohne einen Finger zu rühren
Das ist aber noch nicht alles. "Hin und Her" kann nämlich auch passieren, ohne dass Sie einen Finger rühren - wenn Sie Anteile an einem Investmentfonds besitzen. Schließlich müssen auch die Fonds selbst Gebühren bezahlen, wenn sie mit Aktien oder Anleihen handeln. Die werden von den Fondsgesellschaften zwar nicht als Teil des Gesamtkostenquote (TER) ausgewiesen, sie schlagen aber trotzdem ins Kontor. Große Investmentfonds zahlen zwar weniger direkte Börsengebühren als Privatanleger, dafür haben sie mit einem Kostenfaktor zu kämpfen, der für Kleinanleger gar keine Rolle spielt, nämlich mit dem so genannten Market Impact. Der Fachbegriff steht für das Phänomen, dass große Kauf- oder Verkaufsaufträge den Kurs von Wertpapieren beeinflussen. Das heißt: Eine Aktie kann schon deshalb steigen, weil ein großer Investmentfonds eine große Stückzahl kauft. Und sie kann schon deshalb fallen, weil ein Fonds sie in großen Mengen verkaufen will. Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je größer der Fonds und je kleiner das Handelsvolumen des betreffenden Wertpapiers ist. Den Angaben von William Bernstein zufolge liegen die durch Fonds verursachten Market-Impact-Kosten bei den Aktien kleinerer US-Unternehmen bei etwa 1 Prozent, bei Aktien aus Schwellenländern noch deutlich höher. Auch Fonds kommt der häufige Handel von Wertpapieren also teuer zu stehen.
Wer die vielen im Text genannten Zahlen aufmerksam gelesen und addiert hat, merkt: Da kommt ganz schön was zusammen. Und: Diese Kosten durch herausragende analytische Fähigkeiten oder atemberaubendes Market Timing auszugleichen ist nicht möglich - für Profis nicht und für Privatanleger schon gar nicht. Dafür sprechen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse. Nur ein Beispiel: In einer Studie von Brad Barber und Terrance Odean zeigte sich, dass US-amerikanische Anleger im Durchschnitt zwischen 1991 und 1996 im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 16,4 Prozent erzielten. Die 20 Prozent der Anleger, die am häufigsten kauften und verkauften, schafften dagegen nur 11,4 Prozent. Es ist also wirklich so: Hin und Her macht Taschen leer - jedenfalls die der Anleger. Banken und Börsen dagegen freuen sich über aktive Investoren. Und sollte der Gesetzgeber tätig werden, beispielsweise durch Einführung einer Finanztransaktionssteuer, dann könnte zukünftig auch der Fiskus an jedem einzelnen Kauf und Verkauf zusätzlich verdienen.
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