12.07.2006 Pöbeleien könnten Italien den Titel kosten
München - Noch ist nicht endgültig geklärt, was Marco Metarazzi während der Verlängerung des WM-Endspiels in Berlin so alles erzählt hat, bevor sich sein Gegenüber Zinedine Zidane zu einem rüden Kopfstoß gegen den Inter-Verteidiger hinreißen ließ.
Marco Materazzi war nach dem Kopfstoß von Zinedine Zidane außer sich |
Gegen den Franzosen jedenfalls läuft bereits ein Disziplinarverfahren, das "Zizou" am Ende seinen MVP-Titel kosten könnte. Die Fifa allerdings hat bereits angekündigt, auch die Hintergründe von Zindanes "Ausraster" eingehend untersuchen zu wollen - mit möglicherweise noch weitaus drastischeren Folgen für Materazzi und die italienische Mannschaft.
WM-Titel in Gefahr
Das Fifa-Reglement nämlich sieht durchaus drakonische Strafen für bestimmte Beleidigungen vor: Im schlimmsten Fall droht der "Squadra Azzurra" sogar die Aberkennung des WM-Titels. Voraussetzung dafür wäre jedoch der Nachweis, dass Marco Materazzi seinen Kontrahenten mit herabwürdigenden oder verunglimpfenden Äußerungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft beleidigt hat.
"Sohn einer terroristischen Hure"
Nach Analysen von professionellen Lippenlesern kursieren derzeit mindestens zwei verschiedene Versionen des "Gesprächs" aus der 110. Minute. Und beide unterstellen dem Italiener diskriminierende, rassistische und sexistische Beleidigungen aus der untersten Schublade.Laut der ersten Variante soll er Zidane als "Sohn einer terroristischen Hure" beschimpft haben. Ein anderer Lippenleser behauptet, der 32-Jährige habe die Schwester des französischen Kapitäns zweimal als Prostituierte bezeichnet.
Materazzi verteidigt sich
Materazzi selbst hat inzwischen eingeräumt, Zidane beleidigt zu haben, streitet aber jeglichen rassistischen Inhalt ab. "Ich bin ungebildet. Ich weiß gar nicht, was ein islamischer Terrorist ist", versucht sich der 32-Jährige zu verteidigen. Er habe lediglich auf eine unverschämte Bemerkung von Zidane reagiert und dabei nur Dinge gesagt, die auf dem Fußball-Feld Gang und Gäbe seien.Was nun auch immer unter Fußball-Profis zum üblichen Umgangston gehört - sollte die Fifa eindeutige Beweise finden, die die Version der Lippenleser bestätigen, könnte sie die italienische Mannschaft auch im Nachhinein disqualifizieren und ihr den WM-Titel aberkennen.
Die rechtliche Situation:
Die Rechtsgrundlage liefert Artikel 55 des Disziplinarreglements, den die Fifa erst im März dieses Jahres verschärft hat. Im Absatz 4 heißt es:"Verhalten sich Spieler, Offizielle von Verbänden oder Clubs sowie Zuschauer in irgendeiner Form diskriminierend oder menschenverachtend (…), so werden der entsprechenden Mannschaft, sofern zuordenbar, bei einem ersten Vergehen automatisch drei Punkte abgezogen. In Spielen ohne Punktevergabe wird die entsprechende Mannschaft, sofern zuordenbar, disqualifiziert."
Zidane äußert sich am Mittwoch
Am Mittwochabend will Zidane sein Schweigen brechen und sich im französischen Fernsehen zu den Geschehnissen im Endspiel äußern. Aber selbst wenn er dabei die rassistischen Beleidigungen bestätigt, bliebe die Beweislage für die Fifa eher dürftig: Es stünde dann Aussage gegen Aussage. Denn auf die Gutachten diverser Lippenleser - die zudem zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen - wird kein Sportgericht ein derart gravierendes Urteil wie die Disqualifikation der italienischen Mannschaft stützen.
Rassismus-Diskussion in Italien
Doch auch wenn die "Squadra Azzurra" den Titel behalten darf: Es bleibt ein fader Beigeschmack, zumal die Rassismus-Diskussion im italienischen Fußball nicht erst seit der WM auf der Tagesordnung steht.Zu allem Überfluss fühlte sich nun auch noch der Rechtspopulist Roberto Calderoli um seine Meinung gefragt und sorgte mit einer üblen Schimpftirade gegen die französische Mannschaft für einen Eklat.
"Neger, Moslems und Kommunisten"
Der Politiker aus der italienischen Oppositionspartei Lega Nord beschimpfte die "Equipe Tricolore" als "Mannschaft, die auf ihre Identität verzichtet hat, indem sie Neger, Moslems und Kommunisten eingesetzt hat".Calderolis Äußerungen lösten in Frankreich einen Proteststurm aus: "Ich bin geschockt, vor allem, weil mehrere französische Spieler bei italienischen Klubs unter Vertrag stehen. Solche Worte können nur rassistischen Hass nähren", erklärte der französische Botschafter Yves Aubin de la Messuziere.
Calderoli - ein "alter Bekannter"
Calderoli hatte in der Vergangenheit schon häufiger mit Provokationen und Entgleisungen Aufmerksamkeit erregt. Der ehemalige Minister für Reformen im Kabinett von Ministerpräsident Silvio Berlusconi war erst im Februar zurückgetreten, nachdem er bei einem TV-Auftritt ein T-Shirt mit den Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed getragen hatte. Bei den anschließenden Unruhen vor dem italienischen Konsulat in der libyschen Hafenstadt Bengasi waren elf Menschen ums Leben gekommen.
Stefan Moser
http://www.sport1.de/de/sport/artikel_212058.html
Ich würde einmal gerne von einem der vielen Italienischen Fußballfans im Forum hören, das das Verhalten Materazzis möglicherweise auch nicht ganz korrekt war.
Immer nur: Egal was er gesagt hat..... Es ist eben nicht egal!
Auch der italienische Verband und die Spieler haben sich an die Regeln zu halten. Pöbeleien sind nicht ok. Aber keiner der Pöbler-Fans erkennt anscheinend das Regelwerk der Fifa an.