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BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung will das Aus für eine Reihe von Atommeilern mit mehr Ökostrom kompensieren und forciert entsprechend den Ausbau der Stromtrassen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kündigte an, dass dazu bis zu 3600 Kilometer neue Trassen nötig seien. Umwelt- und Naturschützer gehen davon abgesehen, dass sie grundsätzlich Probleme mit neuen Hochspannungsleitungen haben, von einem wesentlich geringeren Ausbauvolumen aus.
Auf die Verbraucher dürften in jedem Fall höhere Strompreise zukommen. Angesichts der Nuklearkatastrophe von Fukushima ist jedoch eine Mehrheit der Bundesbürger einer Umfrage zufolge bereit, mehr für Strom zu zahlen, wenn er nicht aus Kernkraftanlagen kommt.
BUNDESNETZPLAN
Brüderle will Eckpunkte für ein "Netzausbaubeschleunigungsgesetz" an diesem Montag offiziell vorstellen. Die Herausforderungen seien vergleichbar mit dem Ausbaubedarf der Infrastruktur nach der Wiedervereinigung, heißt es in dem Eckpunktepapier. In einem "Bundesnetzplan" sollen die notwendigen Trassenkorridore ausgewiesen und für den Bau von Hochspannungsleitungen reserviert werden. Mit einem "Offshore-Masterplan" sollen etwa Windräder vor den Küsten gebündelt an das Stromnetz angeschlossen werden.
Gemeinden müssten den Leitungsausbau "im Interesse des Gemeinwohls" hinnehmen, heißt es in dem Papier, das der dpa am Sonntag vorlag. Sie sollten dafür einen finanziellen Ausgleich erhalten. Brüderle will die Länderzuständigkeit bei den Genehmigungsverfahren für Stromtrassen beenden und durch ein bundesweit einheitliches Verfahren ersetzen.
"Ein schnellerer Umbau unserer Energieversorgung hin zu den Erneuerbaren ist nicht zum Nulltarif zu haben", sagte der FDP-Politiker der "Wirtschaftswoche". Sollten die Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet werden, bräuchte Deutschland zur Kompensation neue Gas- und Kohlekraftwerke. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) forderte im Magazin "Focus" vom Bund ein neues Energiekonzept und ein sechs Milliarden Euro teures Sonderinvestitionsprogramm zum Ausbau der erneuerbaren Energien.
GEMEINSAME EUROPÄISCHE SICHERHEITSSTANDARDS FÜR ATOMKRAFTWERKE
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt auf gemeinsame europäische Sicherheitsstandards für AKW und will dies beim Europäischen Rat Ende kommender Woche thematisieren. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles geht davon aus, dass die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin nach ihrem Meinungsumschwung in der Atom-Frage beschädigt sei. In der "Bild am Sonntag" sagte Nahles: "Sie hat sich als Politikerin entlarvt, die ihre Meinung je nach Stimmung wechselt."
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte der schwarz-gelben Koalition Gespräche über einen neuen Energiekonsens für Deutschland angeboten. Die SPD sei bereit, den Ausbau neuer Stromnetze zu fördern, die Erdverkabelung voranzutreiben und die Modernisierung fossiler Kraftwerke mitzutragen, sagte er der ""Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Samstag).
Die Grünen wollen das Atomzeitalter in Deutschland bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode - also bis 2017 - beenden. Bis dahin sollen alle Kernkraftwerke endgültig stillgelegt werden, beschloss die Bundespartei auf einem kleinen Parteitag am Samstag in Mainz.
GESETZENTWURF
Die Grünen wollen in den nächsten Tagen einen Gesetzentwurf zur Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke in den Bundestag einbringen. In dem Entwurf, der dem "Tagesspiegel" (Montag) vorliegt, heißt es, dass die vor 1980 gebauten Atomkraftwerke "nicht oder besonders unzureichend gegen den Fall eines Flugzeugabsturzes oder eines terroristischen Angriffs mit einem Flugzeug gesichert" seien.
Nach dem Aus für das Atomkraftwerk Neckarwestheim I geht die baden-württembergische FDP davon aus, dass auch der Meiler Philippsburg I endgültig abgeschaltet wird. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke wandte sich damit in einem dpa-Gespräch gegen die Haltung von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU).
Bundestagspräsident Norbert Lammert forderte im Deutschlandfunk eine schnelle Prüfung der Rechtslage. Niemand sei daran interessiert, dass die betroffenen Kraftwerksbetreiber die in abgeschalteten Atomkraftwerken noch vorhandenen Reststrommengen auf andere Kernkraftwerke übertrügen.
Der CDU-Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen, Oliver Wittke, will eine breite bundesweite Diskussion in der Union über einen raschen Atomausstieg. "Eine Laufzeit bis 2035 ist zu lang", sagte er am Samstag der dpa.
Nach einer Emnid-Umfrage für "Focus" würden mehr als zwei Drittel der Bürger (69 Prozent) höhere Stromrechnungen in Kauf nehmen, wenn der Strom nicht mehr aus Kernenergie stammt. Das Institut Emnid befragte am 16. und 17. März 1000 repräsentativ ausgewählte Menschen./rm/DP/ksb
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