Der Pythagorische Satz, dass nur von Gleichem Gleiches erkannt werde, ist in vielerlei Beziehungen und auch in dieser wahr, dass Jeder den Andern nur so weit versteht, als er ihm gleich steht, oder wenigstens ihm homogen ist: was also Jeder an Jedem sicherlich wahrnimmt, ist das Allen Gemeinsame, das Gemeine, das Kleinliche, das Niedrige unsrer Natur: hierin begreift Jeder den Andern vollkommen: was aber Einer vor dem Andern voraus hat, ist für diesen nicht vorhanden, der vielmehr, so ausserordentliche Gaben es auch sein mögen, in Jenem doch stets nur seines Gleichen sehn wird, um so mehr, als er nur seines Gleichen sehn will; bloss eine unbestimmte Scheu, mit Groll gemischt, wird er empfinden, über etwas, das ihm in Jenem nicht klar wird, weil es über seine Kräfte hinausgeht, daher nicht zusagt. Hierauf beruht es, dass nur der Geist den Geist vernimmt, dass Werke des Genies nur von Genies gänzlich gefasst und geschätzt werden und eben deshalb lange Zeit brauchen, ehe sie mittelbar unter denen zu Ansehn gelangen, für die sie eigentlich nie dasein werden. - Hierauf ferner beruht die Frechheit mit der Jeder Jedem ins Angesicht sieht, voll Zuversicht, dass ihm nie etwas Anderes begegnen könne, als ein erbärmliches seines Gleichen, wie auch die Dreistigkeit, mit der Jeder Jedem widerspricht. Endlich beruht es hierauf, dass grosse Vorzüge des Geistes isolieren, und die Hochbegabten sich stets vom vulgus (und das heisst Allen) entfernt hielten, indem sie unter diesem nur als ihm gleich sich mitteilen, nur den Allen gemeinen Teil ihres Wesen äussern können, sich also recht eigentlich gemein machen, ja selbst wenn sie ein auf Autorität fest begründetes Ansehn haben, dieses unter Jenen und persönlich bald einbüssen, indem Alle für die Eigenschaften, darauf es gegründet ist, blind sind, wohl aber das Niedrige Allen Gemeinsame an ihnen wahrnehmen, wo dann bald sich das Arabische Sprichwort bewährt: scherze mit dem Sklaven; bald wird er dir den Hintern zeigen. - Aus dem obigen folgt auch noch dies, dass ein Hochbegabter im Umgang mit Andern stets denken muss, dass der vorzüglichste Teil seines Wesens unter einer Nebelkappe steckt: desgleichen, dass wenn er genau wissen will, wie viel er einem Andern sein kann, er nur zu betrachten hat, wie viel dieser ihm ist; welches meistens herzlich wenig sein wird: daher er den Andern nicht besser gefällt, als sie ihm.
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