Nirgendwo war besser abzulesen als an der Börse, welche Schlussfolgerungen die Menschen aus der Reaktor-Katastrophe in Japan ziehen: Die Aktien der Hersteller von Solarmodulen, von Windpark-Bauern und Betreibern grüner Kraftwerke explodierten weltweit. In Deutschland jagten die Kurse von Solarworld um 48 Prozent in die Höhe, Phoenix Solar und SMA Solar Technology stiegen um gut 20, Pennystock Conergy in der Spitze um 160 Prozent, der Windanlagenbauer Nordex um 46 Prozent. Weltweit betrachtet blieben die Kurszuwächse zwar bescheidener, doch auch hier standen Aktien aus dem Sektor Erneuerbare Energien auf den Kauflisten: Der US-Photovoltaik-Konzern First Solar und die chinesischen Solarfirmen Suntech Power und Yingli verzeichneten Kursgewinne von bis zu 20 Prozent binnen zwei Handelstagen.
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Inzwischen ist klar, dass der Kaufrausch der Anleger in Deutschland kaum mehr war als ein kurzes Aufbäumen: Den Kurszuwächsen folgten rasch Gewinnmitnahmen. Auf Sicht der letzten drei Jahre etwa notiert die Aktie von Solarworld 62 Prozent im Minus. Auch im Fünfjahresvergleich gehören die Solar- und Windwerte im Tec-Dax zu den großen Verlierern. Mehr noch: Nach den kräftigen Kursgewinnen der vergangenen zwei Wochen haben Analysten die Papiere reihenweise abgestuft: Katharina Cholewa, Analystin der WestLB, etwa senkte den Daumen für Nordex von „reduce“ auf „sell“ und für Solarworld von „add“ auf „neutral“. Die Perspektiven hätten sich auch nach der Atomkatastrophe nicht so deutlich verbessert, wie viele Marktteilnehmer annähmen, sagt die Analystin. Es sei auch ungewiss, ob andere Regionen wie Asien oder die USA sich von der Atomkraft abwenden könnten. Gleichzeitig drückten hohe Lagerbestände und sinkende Preise auf die Margen. Solarmodule und Anlagen können in Asien in großen Stückzahlen und deutlich billiger hergestellt werden, bei hoher Qualität. Unternehmen wie Yingli – Sponsor von Bayern München und Großexporteur auf den deutschen Markt – oder Suntech Power gehören deswegen eher zu den Favoriten der Analysten. Die UniCredit stuft Solarworld dagegen sogar als Verkaufsposition mit einem Kursziel von acht Euro ein. Einen Rückfall von aktuell 7,80 auf fünf Euro befürchten die Analysten der NordLB für Nordex. Die Energiewende sei bisher „nicht mehr als ein Hoffungsschimmer“, die Kursgewinne nach der japanische Katastrophe seien übertrieben gewesen. Zudem werde der immer stärkere Energiebedarf der Erde nicht allein durch erneuerbare Energien gedeckt werden können, glaubt NordLB- Analyst Holger Fechner. Auch bei den meisten anderen Banken rangieren die deutschen Aktien aus dem Öko-Sektor bestenfalls auf „halten“.
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