von Jörg Hackhausen, Christian Panster und Christian Schnell
Der Bulle vor der Frankfurter Börse: Wer jetzt einsteigt, sollte sich genau die Bilanzkennziffern ansehen, um die richtigen Aktien zu erwischen. Quelle: dpa FRANKFURT. BASF, Siemens, Volkswagen. Ein Unternehmen nach dem anderen präsentiert beeindruckende Gewinne. Erstmals seit zehn Jahren werden in diesem Jahr wohl alle 30 Dax-Konzerne schwarze Zahlen schreiben. Es scheint, als sei die Krise abgehakt. Anleger sind dennoch vorsichtig, der Dax kommt kaum vorwärts. Seit Wochen schwankt er um die Marke von 6 000 Punkten - und liegt damit kaum höher als am Anfang des Jahres. Warum?
Natürlich registrieren die Investoren sehr genau, was ihnen die Unternehmen vorsetzen. Doch sie bleiben misstrauisch, ob sich die Gewinne angesichts von Schuldenkrise und wackeliger Weltkonjunktur in den nächsten Quartalen halten lassen.
Dax-Rekord könnte spätestens 2012 fallen, sagen Experten
Normalerweise hat die Börse ein gutes Gespür. Sie nimmt vorweg, was dann später Realität wird. Aber es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Könnte es sein, dass die Börsianer diesmal zu pessimistisch sind? "Das wirtschaftliche Umfeld, das zeigen die jüngsten Konjunkturdaten, hat sich deutlich besser entwickelt als die meisten Marktteilnehmer und Volkswirte dies zu Beginn des Jahres erwartet haben", sagt Carsten Klude, Chefstratege bei der Hamburger Privatbank MM Warburg. Sobald sich die Erkenntnis durchsetze, dass keine neue Rezession drohe, dann gehe es mit den Kursen nach oben. Klude wagt sich weit vor. Er glaubt, dass der alte Dax-Rekord von gut 8 000 Punkten "spätestens im Jahr 2012" in Angriff genommen wird. Dabei ist Klude nicht gerade als notorischer Optimist bekannt. Als die Aktienkurse im Zuge der Finanzkrise abrutschten, sagte er einen Dax-Sturz auf 3 600 Punkte voraus - was zwischenzeitlich auch eintrat.
Auch Thorsten Weinelt, Leiter der Aktienanalyse bei der Unicredit in München, zählt gewöhnlich nicht zu den Optimisten. Aber auch er sieht Potenzial. Der Aufschwung, den viele deutsche Unternehmen zuletzt mit ihren Quartalszahlen untermauert haben, könne mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung dazu führen, dass noch Großinvestoren am Markt einsteigen.
"Insbesondere institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds haben die Erholungsrally seit Ende des ersten Quartals verpasst, nicht zuletzt weil die Risikobudgets nicht vorhanden waren", sagt Weinelt. Weil diese Anleger gewöhnlich mit hohen Summen am Markt einsteigen, eignen sich für sie auch nur die besonders großen und liquiden Titel aus dem Dax oder bestenfalls noch aus MDax oder TecDax.
Aber selbst wenn die Experten recht behalten und der Dax noch Luft nach oben hat - einfach ist die Aktienauswahl im Moment nicht. Die Kurse vieler Papiere sind in den vergangenen zwölf Monaten weit vorgeprescht. Damit sind sie schon ziemlich teuer. Wer jetzt einsteigt, sollte auf die Aktien schauen, die - gemessen an wichtigen Bilanzkennziffern - noch Aufwärtspotenzial versprechen.
VW-Zahlen schlagen selbst die "wildesten Erwartungen"
Innerhalb des Dax steht die Volkswagen-Aktie nach den hervorragenden Halbjahreszahlen weit oben auf der Favoritenliste. Daniel Schwarz, Analyst bei der Commerzbank, hat sein Kursziel am Freitag von 85 auf 100 Euro angehoben. Zum Wochenausklang kosteten die VW-Papiere knapp über 81 Euro. "Die Zahlen schlugen selbst die wildesten Erwartungen", begründet er seine Empfehlung. Gemessen am Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) und dem Verhältnis von Aktienkurs zu Umsatz (KUV) erscheinen die VW-Vorzüge derzeit günstig bewertet.
Eine anderes Unternehmen, das Anleger im Blick haben sollten, ist Leoni. Der Automobilzulieferer aus dem MDax stellt Kabel und sogenannte Bord-Netze her und ist unter anderem an der Entwicklung von Elektroautos beteiligt. Die Aktie ist in diesem Jahr um mehr als 40 Prozent gestiegen. Auch nach dem Kursanstieg sei noch Potenzial vorhanden, sagt Analyst Adam Hull von der WestLB. Der Markt unterschätze das Umsatzwachstum und dessen Auswirkungen auf die Gewinne. Hull empfiehlt die Aktie zum Kauf.
Interessant sind auch solche Aktien, die von Anlegern zuletzt verschmäht wurden - aber trotzdem gute Zahlen aufweisen. Der Stahlhändler Klöckner & Co gehört dazu. Seit Jahresanfang ist der Kurs um rund zehn Prozent unter 16 Euro gefallen. Gemessen an Umsatz und Gewinn erscheint die Aktie günstig. Das Unternehmen profitiere von der Nachfrage aus der Automobilindustrie und steigenden Stahlpreisen, sagt Marc Gabriel vom Düsseldorfer Bankhaus Lampe.
Auch die Aktie des Telekomanbieters Freenet hat in diesem Jahr mehr als zehn Prozent verloren - und erscheint damit wieder günstig. Der Telekomanbieter habe eine Phase des Wandels hinter sich und generiere nun hohe Barmittel, die hohe Auszahlungen an die Aktionäre erlaubten, sagt Laurie Fitzjohn-Sykes von der Citigroup. Positiv bei Freenet sei, dass das Unternehmen das iPhone verkaufe. |