Eine deutsche Bau-Firma klingt nicht gerade viel versprechend und mutet eher langweilig an. Vor allem, wenn man die bröckelnde Baukonjunktur in Deutschland im Hinterkopf hat. Bei Bilfinger Berger sieht es aber anders aus, und eine ge- nauere Betrachtungsweise bietet sich an. So hat der Konzern bislang Bauaufgaben für private und öffentliche Auftraggeber umgesetzt, verdiente damit aber kaum Geld. Das Management musste sich also etwas einfallen lassen. Und siehe da, das Unternehmen entschloss sich zu einer Ausdehnung des Geschäfts. In unseren Augen ein sinnvoller Schritt. Nun entwickelt Bilfinger Berger immer häufiger Komplettlösungen von der Planung über die Fi- nanzierung bis hin zum Betrieb. Dabei konzentriert sich der Kon- zern auf Projekte der Verkehrsinfrastruktur und des öffentlichen Hochbaus. Die privatwirtschaftlichen Betreiberaktivitäten sind in einer langfristig angelegten Expansionsphase. Aber schon jetzt nimmt die Neuausrichtung weg vom reinen Bau-Unternehmen hin zum Dienstleister für Immobilien mehr und mehr Gestalt an. Gerade hat der Konzern die die Firma DiPro Professional Property Servi- ces GmbH von ThyssenKrupp übernommen.
DiPro hat sich auf das kaufmännische Facility-Management spezia- lisiert und betreut überwiegend komplette Immobilienportfolios. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete die Firma eine Leistung von 16 Mio. Euro. Zudem arbeitet DiPro profitabel und soll nach Meinung des Vorstandschefs Herbert Bodner von Beginn an einen positiven Beitrag zum Konzern-Ergebnis leisten. Für das laufende Jahr erwartet er, dass das seit 2002 aufgebaute Dienst- leistungsgeschäft etwa ein Viertel der Konzernleistung erwirt- schaften wird. Der Anteil am operativen Ergebnis wird auf rund die Hälfte zunehmen. Diese Zahlen beweisen, dass die Strategie erfolgreich ist. Alle im Zuge der Neuausrichtung erworbenen Ge- sellschaften leisten einen positiven Beitrag zum Konzernergebnis. Ergebniskomponenten aus früheren Finanzbeteiligungen werden so durch operativ erwirtschaftete Erträge mehr als ersetzt - eine Entwicklung, die sich laut Vorstand auch künftig fortsetzen wird. Im kommenden Geschäftsjahr wird Bilfinger Berger in Deutschland die Leistung in dieser Sparte auf mehr als 400 Mio. Euro steigern. Eigenen Angaben zufolge gehöre das Unternehmen dann zu den Marktführern für anspruchsvolles technisches und kaufmännisches Facility-Management.
Ein zweiter Pluspunkt für den deutschen Baukonzern ist die in- ternationale Ausrichtung. Bilfinger Berger ist mit zahlreichen Niederlassungen und Beteiligungen auf allen Kontinenten vertre- ten. Zur Strategie gehört, diese weltweite Präsenz weiter aus- zubauen. Im Mittelpunkt stehen dabei Regionen, in denen der Kon- zern bereits erfolgreich vertreten ist. 2003 setzte der Konzern diese Taktik weiter um. In Australien kaufte er die börsenno- tierte Abigroup für rund 110 Mio. Euro. Das Unternehmen ist vor allem im Ingenieur- und Straßenbau tätig und stellt eine ideale Ergänzung zu der seit 1993 zum Konzern gehörenden australischen Baulderstone Hornibrook dar. Neben Bauaktivitäten übernimmt Abigroup Wartung und Instandhaltung von Gas- und Wassernetzen so- wie von Mautstrassen. Hinzu kommt die Beteiligung an erfolgrei- chen privatwirtschaftlichen Betreiberprojekten. Abigroup erbrach- te 2003 eine Leistung von 440 Mio. Euro, die schon im laufenden Jahr durch Großprojekte deutlich steigen soll. In den USA wurde das Engagement im margenstarken Servicegeschäft ausgeweitet. Die im Herbst 2003 erworbene Firma Centennial ist einer der fuhren- den Anbieter von Instandhaltungs-, Wartungs- und Erweiterungs- Maßnahmen im Hochbau.
Und auch 2004 wird die strategische Ausrichtung untermauert. Bil- finger Berger hat im Mai 2004 die polnische Straßenbaugesell- schaft WPRD gekauft. Diese dürfte im Zuge der EU-Osterweiterung von einer steigenden Nachfrage nach Infrastruktur-Projekten pro- fitieren. Mit dem Erwerb ergänzt Bilfinger Berger die Aktivitä- ten seiner polnischen Beteiligung Hydrobudowa-6, die seit 1994 zum Konzern gehört.
Die Rechnung scheint aufzugehen. Sowohl die Neuausrichtung als auch die weltweite Präsenz bescherten dem Konzern im laufenden Jahr zahlreiche Auslands-Aufträge. Diese stammen vor allem aus dem Infrastrukturbereich und bieten gute Perspektiven für An- schlussgeschäfte. Jüngstes Beispiel ist Ungarn. Hier wird die Gesellschaft zusammen mit den österreichischen Partnern Porr und Swietelsky eine Mautautobahn im Wert von 470 Mio. Euro planen, finanzieren, bauen und über einen Zeitraum von 22 Jahren betrei- ben. Der Anteil von Bilfinger Berger an diesem Projekt beträgt 40 Prozent.
Aufträge kommen aber auch aus dem Inland. Neben mehreren Groß- auftragen in den vergangenen Monaten wurde gerade mit dem Kreis Unna ein Vertrag unterzeichnet. Bilfinger Berger wird demnach den Sitz der Kreisverwaltung sanieren, erweitern und anschließend über einen Zeitraum von 25 Jahren betreiben. Das Projekt bein- haltet zudem die Modernisierung und den Betrieb von zwei weiteren Immobilen in der nordrhein-westfälischen Stadt. Das Investi- tionsvolumen beläuft sich auf 20 Mio. Euro.
Die Geschäfte laufen also gut. Wichtig ist aber, was für den Konzern unter dem Strich übrig bleibt. Und auch hier ist Bilfin- ger Berger auf dem richtigen Weg. 2003 erwirtschaftete der Kon- zern einen Umsatz von 4,56 Mrd. Euro, ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 15,7 Prozent. Die Leistung lag bei 5,59 Mrd. Euro und damit 13,7 Prozent höher als 2002. In dieser Größe sind neben den Umsätzen auch die Erlöse nicht konsolidierter Gesellschaf- ten sowie die Einnahmen assoziierter Unternehmen enthalten. Zudem gehören die in Arbeitsgemeinschaften mit anderen Bauunternehmen erbrachten Leistungen zu dieser Kennzahl. Erfreulich ist zudem, dass Bilfinger Berger die Gewinne erhöhen konnte. Das EBITA kletterte um 37,5 Prozent auf 101,2 Mio. Euro, das EBIT legte um 30 Prozent auf 136,7 Mio. Euro zu. Allerdings beinhaltet diese Grosse einen steuerfreien Veräußerungsgewinn von 237,9 Mio. Euro aus dem Verkauf der Buderus-Beteiligung. Dem gegenüber standen Aufwendungen aus Sondereinflüssen und Sonderabschreibun- gen von 190 Mio. Euro. In Summe kommt es daher zu einem Sonderer- trag von 47,9 Mio. Euro. Insgesamt erreichte der Konzern einen Nachsteuergewinn von 125,9 Mio. Euro, nach 114,7 Mio. Euro ein Jahr zuvor.
Die erfreuliche Entwicklung 2003 setzt sich 2004 fort. Die Um- sätze legten im 1. Halbjahr um 23,7 Prozent auf 2,67 Mrd. Euro zu. Die Leistung verbesserte sich um 11 Prozent auf 2,83 Mrd. Euro. Allerdings verringerte sich der Auftragseingang um 4 Pro- zent auf 2,8 Mrd. Euro. Dennoch übertraf der Auftragsbestand mit 6,25 Mrd. Euro den Vorjahreswert um 13 Prozent. Bei den Umsätzen verbesserten sich vor allem die Segmente Ingenieurbau, Dienst- leistungen und Betreiberprojekte. Dank dieser guten Vorgaben stiegen auch die Gewinne. Das EBIT kletterte von 4 auf 17 Mio. Euro. Erfreulich entwickelte sich auch das EBT. Es lag mit 17 Mio. Euro deutlich über Vorjahresniveau von 9 Mio. Euro. Und das trotz des entfallenen Beteiligungsergebnisses von Buderus, das im 1. Halbjahr 2003 noch 11 Mio. Euro beigetragen hat. Positiv be- merkbar machte sich zudem ein ausgeglichenes Zinsergebnis. Nach- dem im 1. Halbjahr 2003 noch 6 Mio. Euro Zinsaufwendungen in den Büchern standen, sorgte nun eine höhere Nettoliquidität für eine Null. Darüber hinaus fielen Goodwillabschreibungen weg. Al- lerdings erhöhte sich wegen des stark gewachsenen operativen Er- gebnisses auch der Steueraufwand deutlich. Lag er im Vorjahr noch bei einer Million Euro, zahlte Bilfinger und Berger nun 6 Mio. Euro Ertragsteueren. Nichtsdestotrotz bleibt unter dem Strich ein ordentlicher Gewinn übrig. Nach 8 Mio. Euro im Vorjahr klingel- ten nun 10 Mio. Euro in der Kasse. Die Erträge zum 30. Juni lie- gen in Folge branchenspezifischer saisonaler Effekte aber regel- mäßig unter dem Niveau des Gesamtjahres. Daher dürfte hier im 2. Halbjahr noch einiges hinzukommen. Besser gesagt: muss, wenn der Konzern seine Prognosen erfüllen will. Der Firmenlenker er- wartet, dass die Leistung seines Konzerns auf 6 Mrd. Euro steigt. Ferner ist er sich sicher, ein besseres Ergebnis als 2003 zu er- zielen. Operativer Gewinn und EBT sollen demnach überproportio- nal steigen. Den um Sondereinflüsse und Goodwillabschreibungen bereinigten Überschuss von 2003 will der Konzern übertreffen. Genauere Angaben machte er nicht. Unserer Berechnung nach müss- ten es jedoch mehr als 78 Mio. Euro sein. Die Ziele sind nicht zu hoch gegriffen und wir sind optimistisch, dass der Konzern sie erreichen wird.
Fazit: Bilfinger Berger macht Nägel mit Köpfen. Sowohl die Neu- ausrichtung des Geschäfts als auch die Akquisitionsstrategie ist sinnvoll und liefert bereits Erfolge. Alle neu erworbenen Gesell- schaften tragen positiv zum Konzernergebnis bei. Ergebniskompo- nenten aus früheren Finanzbeteiligungen werden durch operativ erwirtschaftete Erträge mehr als ersetzt. Laut Vorstand wird sich dieser Trend weiter fortsetzen. Die Entwicklung des Unter- nehmens im 1. Halbjahr 2004 untermauert diese Einschätzung. Dank einer steigenden Ertragskraft, einer soliden Finanzlage sowie ei- ne konsequent umgesetzten Strategie gehört das Unternehmen damit zu den besten der Branche. Zudem sollten die Ergebnisse in der zweiten Jahreshälfte weiter kräftig zulegen. Die nächste Bi- lanz zieht der Konzern am 18. November. Bereits hier dürfte Bil- finger Berger gute Ergebnisse vorweisen. Die fundamentalen Aus- sichten sind also bestens. Und auch aus charttechnischer Sicht ist der Wert interessant. Nach einer mehrmonatigen Abwärts- und anschliessenden Seitwärtsbewegung ist die Aktie nach oben ausge- brochen.
BILFINGER BERGER - WKN: 590900, ISIN: DE0005909006
Kurs Xetra 21.10.04: 28,50 Euro 52-Wochen-Hoch: 32,40 Euro 52-Wochen-Tief: 25,21 Euro Empfohlener Stopp-Loss: 26,00 Euro Anlageurteil: "Long Term buy"
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