10 Jahre T-Aktie Lehren aus der Börsentragödie Ende nächster Woche, am 18. November 2006, wird die T-Aktie seit zehn Jahren an der Börse sein. Für die meisten Anleger ist dieses Jubiläum alles andere als ein Grund zum Feiern. Vermögensprofis erklären wie Anleger die Fehler der Vergangenheit vermeiden können. Von Daniel Eckert
Berlin - Vermutlich hat keine Aktie in Deutschland so viel privates Vermögen vernichtet wie das Papier des Fernmeldekonzerns mit dem magentafarbenen "T". Die WELT nimmt den zehnten Jahrestag des Telekom-Erstemission zum Anlass, einen Rückblick auf die Historie der Volksaktie zu werfen. Heute beleuchten wir die Lehren, die Anleger aus der deutschen Börsentragödie T-Aktie ziehen können.
"Was musste ich mir in den Jahren 1999 und 2000 an Spott anhören", erinnert sich Jens Erhardt von der gleichnamigen Vermögensverwaltung in München. Der Asset-Manager hatte sich 1996 skeptisch zu den Aussichten des Ex-Monopolisten geäußert. In einer Studie hatte er sogar ausdrücklich vor dem Zeichnen der T-Titel gewarnt. Als der Kurs zwischen 1998 und 2000 dann nur noch den Weg nach oben kannte und von umgerechnet 16 Euro auf mehr als 100 Euro schoss, foppte ihn so mancher damit, dass er, der Meisterinvestor, den Telekom-Boom verpasst habe. Doch am Ende behielt Erhardt Recht. Schon im Herbst 2001 war das T-Papier wieder da, wo sie vor dem Millenniumsboom gestanden hatte.
"Es lag auf der Hand, dass die Konkurrenz in der Telekommunikationsbranche stark zunehmen würde. Zudem litt und leidet der Bonner Konzern unter hohen Kostenstrukturen", so Erhardt. Das alles habe man erkennen können, wenn man sich nur ein wenig mit den Zahlen des Konzerns und der Branche auseinander gesetzt hätte. Die erste Maxime, welche Aktionäre beherzigen sollten, lautet mithin. Schau dir das Unternehmen, in das Du investierst, genau an. Glaube nicht alles, was Dir die Manager oder auch Analysten suggerieren. Das kostet Zeit und ist im Einzelfall nicht gerade einfach. Wer sich die Mühe nicht machen kann oder will, sollte besser die Finger von Einzeltiteln lassen. "Die Gefahr, bei einer individuellen Aktie einen großen Verlust zu erleiden, ist ungleich größer als bei einem Index", weiß Bernd Schimmer von der Hamburger Sparkasse (Haspa). Tatsächlich hätten Anleger mit allen Aktien des Dax seit November 2006 eine Jahresrendite von 8,3 Prozent erzielt - trotz 11. September, Millenniumscrash und Bärenmarkt. Mit der T-Aktie hingegen war unter dem Strich kein Geld zu verdienen.
Lehre Nummer zwei lautet daher: Verliebe dich nie in eine noch so attraktive Einzelstory, sondern streue deine Börsen-Investments möglichst breit. Vermögensstratege Thomas Ulrich vom Bankhaus Lampe ist sogar der Meinung, dass Einzelaktien-Investments bei Portfolios von weniger als 200 000 Euro verbieten: "Allein um in einer Anlageregion wie Europa eine Risikostreuung zu erzielen, braucht man mindestens 20 Positionen à 10 000 Euro." Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Sparer mit einem kleinen Anlagevolumen gut daran tun, sich an breit gestreute Fonds oder Indexzertifikate zu halten. Und die Diversifikation erstreckt sich nicht nur auf Dividendenpapiere. "Das gesamte Depot sollte ausgewogen sein", sagt Günter Schlösser von der Vermögensverwaltung PortfolioConcept.
Daraus folgt Regel Nummer drei: In ein Depot gehören nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen, Immobilien und eventuell alternative Investments wie Rohstoffe - gerade dann, wenn Aktien gerade als das Nonplusultra gelten wie in der New-Economy-Euphorie. "Meide die Extreme", rät Professor Wolfgang Gerke. Statistisch gesehen reduziert ein Asset-Mix das Risiko, ohne dass sich die Renditechancen markant vermindern. "Das gilt umso mehr, wenn Anleger ihre Investments nicht nur über die Branchen und Asset-Klassen streuen, sondern auch zeitlich", sagt Gerke. Der dazugehörige vierte Lehrsatz besagt: Investiere dein Geld gestaffelt und nicht auf einen Schlag. Das Problem ist, dass Anleger immer wieder mit der breiten Masse gehen wollen - weil es eben viel mehr Spaß macht, beim Hype dabei zu sein als im vermeintlichen Schmollwinkel zu sitzen. Viele Private haben in den Boom-Jahren überstürzt ihre Sparbücher geplündert oder sogar Kredite aufgenommen, um von den sich höher und höher schraubenden Kursen zu profitieren.
Ganz davon abgesehen, dass Aktien-Kauf auf Pump immer waghalsig ist, folgt daraus Lehre Nummer fünf: Meide Herdenverhalten. Wenn Aktien in Boulevard-Zeitungen gefeiert werden und zum vorherrschenden Party-Thema avanciert sind, ist es Zeit, das Weite zu suchen. Zu letzterer Maxime lässt sich jedoch eine Variation formulieren: Mit der Masse der Anleger zu gehen, ist solange in Ordnung, wie man rechtzeitig die Reißleine zieht. So hätten etwas risikofreudigere Anleger durchaus bis ins Jahr 2000 T-Aktie besitzen können, wenn sie sich mit Stopp-Loss-Limits abgesichert hätten. Ein Stopp-Loss-Limit ist eine Art dauerhaft gültiger Verkaufsauftrag, der dann greift, wenn der Kurs des jeweiligen Papiers eine bestimmte Marke unterschreitet, etwa 20 Prozent unter dem Einstandspreis. Maxime Nummer sechs lautet also: Lasse Gewinne laufen, sichere dich aber gegen Verluste ab.
Artikel erschienen am 08.11.2006
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