Aus der FTD vom 12.7.2004 www.ftd.de/abb ABB lässt die Muskeln spielen Von Haig Simonian, Zürich
Der schweizerisch-schwedische Anlagenbauer ABB betrachtet die französischen Unternehmen Alstom und Areva als potenzielle Partner oder gar mögliche Ziele für eine Teilübernahme. Die Neuordnung der Anlagenbau-Branche sei unumgänglich.
Das sagte ABB-Chef Jürgen Dormann im Interview mit der Financial Times. Übernahmen in unmittelbarer Zukunft schloss Dormann zwar aus. Mittelfristig könne man jedoch aktiv an der Konsolidierung teilnehmen, kündigte der ABB-Chef an.
Diese Aussagen markieren eine außergewöhnliche Kehrtwende für ein Unternehmen, das Ende 2002 am Rande des Bankrotts stand. Dormann übernahm damals zusätzlich zu seiner Rolle als Chairman auch die Funktion des Chief Executive Officer (CEO). In den kommenden Wochen soll die schrittweise Übergabe der Geschäfte an den neuen Vorstandschef Fred Kindle beginnen.
Die Prognose des Konzernchefs entbehrt nicht einer gewissen Ironie - musste ABB doch 1999 und 2000 in zwei Schritten die marode Turbinensparte an Alstom verkaufen. Dieser Kauf trug wesentlich zu den aktuellen Problemen Alstoms bei.
Umfassendes Interesse an Alstom und Areva
Dormann sagte, ABBs Interesse an Alstom umfasse nicht nur periphere Ausrüstung bei Stromerzeugungstechnologie, sondern Turbinen an sich: "Ich will unseren Hut in den Ring werfen. Das ist etwas, worüber wir mittelfristig reden wollen." Er nannte eine Reihe früherer Alstom-Tätigkeitsfelder, etwa Schaltanlagen, an denen ABB interessiert sein könnte. Die Sparten wurden dieses Jahr im Zuge der Rettungsmaßnahmen für Alstom dem französischen Nuklearkonzern Areva übertragen.
Gespräche habe es noch nicht gegeben, sagte Dormann. Zunächst müsse sich ABB um seine eigene Erholung kümmern. ABB wird dieses Jahr voraussichtlich seinen ersten Gewinn seit 2000 verzeichnen.
Die Tatsache, dass er mit der französischen Unternehmenslandschaft gut vertraut sei, werde ABB bei Verhandlungen wohl nützlich sein, sagt Dormann: "Ich glaube, es besteht die Möglichkeit für ABB, sich sichtbarer zu beteiligen." Dormann ist in Frankreich als ehemaliger Chef des deutsch-französischen Pharmakonzerns Aventis bekannt.
Mangel an Geduld bewiesen
Das Geschäft mit der Stromerzeugungs-Technologie teilen einige wenige Großkonzerne unter sich auf: General Electric aus den USA, Siemens aus Deutschland sowie Alstom und Areva aus Frankreich. ABB bleibt führend bei der Ausrüstung für Stromübertragung und -verteilung. Wegen technologischer Probleme und Sparzwängen hatte sich das Unternehmen aus dem Turbinen-Geschäft zurückgezogen.
Dormann sagte, ABBs Entscheidung, die Turbinensparte zu verkaufen, habe einen Mangel an Geduld bewiesen, technologische und finanzielle Herausforderungen in Angriff zu nehmen. "Da gibt es einen Teil des Geschäfts, wo eine natürliche Verbindung besteht." Von Übernahmen wollte Dormann nicht sprechen, stattdessen von einer Art der Zusammenarbeit. "Innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren wären wir in der Lage, ein Partner zu werden. Ich rede nicht von Übernahmen, sondern von Partnerschaft. Ich glaube, es besteht Spielraum für Partnerschaft, aber ich definiere das nicht."
Vergangene Woche hatten sich Frankreich und die EU-Kommission auf einen Rettungsplan für Alstom geeinigt. Vereinbart ist, dass der angeschlagene Konzern in den kommenden vier Jahren bei einigen seiner Sparten eine nicht näher definierte "Partnerschaft" mit einem anderen Hersteller eingehen muss.
Ex-Alstom-Sparten im Blick
Dormann stellte in Frage, ob sich die Ex-Alstom-Sparten, die Areva übertragen wurden, in den richtigen Händen befinden. Seiner Ansicht nach liege ein Eigentümerwechsel "nicht außerhalb des Möglichen".
Die Elektrizitätsausrüstungs-Branche ist zyklisch und anfällig für Krisen. Die Nachfrage dürfte in den kommenden Jahren jedoch lebhafter werden; Boom-Länder, vor allem China, leiden an Strommangel, und in Europa und den USA steht die Modernisierung von Kraftwerken an.
Alstoms Probleme haben dieses Jahr Spekulationen über eine europaweite Konsolidierung laut werden lassen. Vor allem Siemens hat sich sehr interessiert an Alstom gezeigt. Bisher hat die französische Regierung jedoch auf eine Lösung im eigenen Land gedrungen. © 2004 Financial Times Deutschland |