HANDELSBLATT, Sonntag, 01. Mai 2005, 10:00 Uhr
Insolvenzberater profitieren mehr, wenn sie ein Unternehmen zerschlagen, statt es wieder auf Kurs zu bringen
Sie können nicht mal Bilanzen lesen
Von Christop Lixenfeld
Einst träumten die Cargolifter- Chefs davon, tonnenschwere Lasten mit riesigen Zeppelinen über die Kontinente zu transportieren. Doch der Traum platzte, mit einem riesigen medialen Knall ging das Unternehmen in die Insolvenz. Nachdem in der gigantischen Halle in Brand in Brandenburg längst ein künstlicher Südseestrand aufgeschüttet ist, werden jetzt auch die Patente und Markenrechte verwertet.
War die Cargolifter-Insolvenz vermeidbar? Ihre Vorstände und Aufsichtsräte meinen: ja. Das Unternehmen sei gezielt demontiert worden. Dieser Auffassung ist auch die „Initiative Zukunft in Brand“, eine Interessenvertretung der Cargolifter- Aktionäre, deren Wut sich auch gegen Insolvenzverwalter Rolf-Dieter Mönning richtet: Der habe die Halle viel zu billig verkauft, und das Unternehmen in der Öffentlichkeit schlecht geredet. Sie fordern seine Ablösung – bislang ohne Erfolg.
Dass Insolvenzverwalter Unternehmen zerschlagen, statt sie zu retten, ist der Normalfall. Fälle wie Walter Bau, wo der Verwalter unbedingt alles zusammen halten will, sind die Ausnahme. Die meisten der jährlich 40 000 Insolvenzverfahren sind für die Firmen das Ende.
Dass so wenige gerettet werden, liegt auch an der Qualität der Insolvenzverwalter. „Wer mit einem solchen Aufgabe betraut wird, muss plötzlich wie der Vorstand eines großen Unternehmens agieren und kommunizieren. Das können die wenigsten,“ räumt Eberhard Braun ein, Insolvenzverwalter bei der Schultze & Braun und seit 25 Jahren im Geschäft. „Die meisten fangen ja mit diesem Job an, indem sie einem anderen Insolvenzverwalter die Tasche tragen. Dann bilden sie sich vielleicht in irgendwelchen BWL- Kursen weiter, und das war’s.“ Nachweisen müssen sie solche Kenntnisse nicht, die Anwaltszulassung genügt. „Einige können nicht mal Bilanzen lesen“, urteilt Norbert Landwehr aus Köln, dessen Firma Landwehr, Himmelsbach & Kollegen Firmen in Krisen berät.
Eigentlich wäre es Aufgabe der Insolvenzgerichte, jeweils geeignete Berater zu bestimmen. Doch das Auswahlverfahren ist völlig undurchsichtig. Richter – sie äußern sich nur höchst ungern dazu – , entscheiden einsam und allein. Machen die Banken, die meist die größten Gläubiger sind, Vorschläge, fürchten die Gerichte um ihre Unabhängigkeit.
Im vergangenen Sommer hatte das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass zudem immer die selben Insolvenzverwalter zum Zuge kämen. Das Gericht mahnte an, dass jeder, der sich um einen Fall bewirbt, auch eine Chance auf den Zuschlag bekommen sollte. Doch wer die Voraussetzungen erfüllt, kommt zwar jetzt auf die Kandidatenliste – aber nicht mehr. Wer warum den Zuschlag bekommt, bleibt intransparent.
Doch dass der Insolvenzverwalter, der am Morgen danach bei einer Firma in Not antritt, möglicherweise der Falsche ist, ist nur die Hälfte des Problems. Noch verheerender ist es für die Firmen, dass die Verwalter meist gar kein Interesse mehr an der Rettung haben. „Insolvenzverwalter haften für alle Entscheidungen, die sich aus der Weiterführung der Firma ergeben,“ so Eberhard Braun. „Da haben sich schon viele die Finger verbrannt. Dass aber einer haftbar gemacht worden wäre, weil er ein rettbares Unternehmen liquidiert hätte, habe ich noch nie gehört.“
Statt durch Anreize Insolvenzverwalter zum Erhalt des Unternehmens zu motivieren, lege ihnen die Art der Honorierung eher das Gegenteil nahe, kritisiert Rainer Himmelsbach, Anwalt und Restrukturierungsberater. „Es geht nur um Massegenerierung. Und das bedeutet: möglichst schnell zerschlagen und alles zu Geld machen.“ Bezahlt werden Insolvenzverwalter nach dem Vermögenswert der liquidierten Werte. Zwar errechnet sich ein entsprechendes Honorar auch beim Weiterführen oder Verkauf der gesamten Firma, aber beides ist weit arbeitsintensiver und zeitraubender als das Filetieren.
Haben die Manager der Firma dann noch eine Managerhaftpflichtversicherung, die Regressansprüche gegen sie persönlich abdeckt, kann der Sequester doppelt verdienen: Erst verklagt er den Manager, weil seine Fehler den Laden in die Schieflage gebracht hätten – und rechnet das separat nach Gebührenordnung ab. Zahlt die Versicherung daraufhin, erhöht diese Summe die Insolvenzmasse und damit das Honorar des Verwalters. „Das funktioniert am besten, wenn man das Unternehmen ganz stringent zerschlägt“, so Himmelsbach. „Denn wenn der Laden zu retten ist, kann die Führung ja nicht alles falsch gemacht haben. Und dann hätte es folglich auch keinen Anlass zum Prozess gegeben.“
Himmelsbachs Kanzlei ist darauf spezialisiert, Unternehmen vor dem Besuch des Insolvenzverwalters zu bewahren, schließlich sei die Eröffnung eines solchen Verfahrens „die größte denkbare Kapitalvernichtung“. Dabei würden die Werte eines Unternehmens regelrecht verramscht. Und die Idee des Gesetzgebers von 1999, mit Insolvenzplanverfahren mehr Firmen zu retten – die hat sich bisher nicht durchgesetzt.
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