Analysten munkeln: Der Zahlungsabwickler Wirecard steht kurz vor der Übernahme. Aktionären winkt eine saftige Prämie
Es ist wie jedes Jahr: Es sind nur noch wenige Tage bis zum Abflug in den Surf-Urlaub nach Ägypten – und im Büro stapelt sich die Arbeit! Wie aber komme ich nun an meine neuen Badelatschen, meine neue Sonnenbrille und meinen neuen Neopren-Anzug, wenn ich von morgens bis abends im Büro sitze? Die Lösung heißt: World Wide Web. Klick, und die Reef-Strandschlappen für 39,95 Euro gehören mir. Klick, und die neue Oakley-Brille für 119,95 Euro gehört mir. Klick, und der neue Surf-Anzug von Rip Curl für 94,95 Euro gehört mir.
Shoppen von zu Hause (oder im Büro!) wird immer bequemer. Keine inkompetenten Verkäufer, keine lange Schlange an der Kasse, keine nervige Parkplatzsuche in der Innenstadt. Einmal geklickt – und der Urlaub ist gerettet, sofern die Ware rechtzeitig kommt.
Lukratives Geschäft. Damit es für die Online-Käufer künftig noch komfortabler wird, arbeiten fast alle Internet-Händler wie Amazon, Sport Scheck & Co. immer mehr mit den sogenannten Zahlungsverkehrs-Abwicklern zusammen. Unternehmen wie Datacash oder Cybersource übernehmen dabei für die Netz-Krämer den kompletten Bezahldienst. Für die Zahlungsabwickler ein äußerst lukratives Geschäft, schließlich stecken sie bei jeder Transaktion rund zwei Prozent der Verkaufssumme ein.
Das wissen auch die großen Kreditkartenunternehmen wie Mastercard & Co. Um mit an dem hochprofitablen Geschäft zu verdienen, schluckte Visa im April dieses Jahres das 155-Mann-Unternehmen Cybersource für stolze zwei Milliarden Dollar. „Diese Akquisition wird es Visa ermöglichen, neue und bessere Dienste für robuste, sichere Online-Zahlung bereitzustellen“, erklärt Visa-Chef Joseph W. Saunders. Vor wenigen Tagen legte Visa-Konkurrent Mastercard nach und kaufte für mehr als 400 Millionen Euro den britischen Zahlungsabwickler Datacash. Mit den Übernahmen wollen die Kreditkarten-Konzerne ihr Netz weiter mächtig ausbauen, Konkurrent Paypal weiter Marktanteile abjagen und an dem globalen Wachstumsmarkt Online-Zahlungsverkehr kräftig mitverdienen. Die Chancen stehen gut. „Ein Fünftel aller Kreditkartenzahlungen gehen mittlerweile online über die Bühne“, erklärt Malte Krüger von der Frankfurter Unternehmensberatung Paysis. Das entspricht einem Anteil von 11,4 Prozent aller im Internet getätigten Zahlungen. Tendenz stark steigend!
Letztes Objekt der Begierde. Nun haben Kreditkartenunternehmen jedoch ein Problem: Es gibt keinen relevanten Zahlungsabwickler mehr, den sie übernehmen könnten. Einzige Ausnahme: Wirecard. Das Kerngeschäft des Münchner Unternehmens ist neben dem gängigen „Click to pay“-Geschäft seine gleichnamige Wirecard. Dabei handelt es sich um eine virtuelle Kreditkarte mit Prepaid-Funktion. Um diese zu bekommen, muss der Kunde nur ein Konto bei der Wirecard Bank eröffnen und mit einem Guthaben aufladen. Wenige Minuten später kann die Shopping-Tour beginnen. Der Vorteil der Wirecard gegenüber der herkömmlichen Überweisung ist, dass die Transaktionen sofort gebucht werden. Der Einkäufer hat dadurch seine Schuld beglichen, der Händler muss keinen Zahlungsausfall befürchten. Darüber hinaus bekommt der Kunde sofort seine Ware nach Hause geliefert, eine Überweisung und dadurch auch die Lieferung dauern mehrere Tage.
Die Vorteile von Wirecard haben mittlerweile nicht nur die Kunden entdeckt. Aus Finanzkreisen verlautet, dass mittlerweile alle großen Kreditkartenanbieter den letzten unabhängigen Bezahlsystem-Anbieter auf ihre Shopping-Liste gesetzt haben. Die besten Chancen werden derzeit jedoch dem amerikanischen American- Express-Konzern zugerechnet.
Die Wirecard-Aktionäre können sich schon jetzt freuen: Wenn es zu einer Übernahme durch American Express in den nächsten Wochen kommt, ist ein saftiger Aufschlag auf den aktuellen Börsenkurs so gut wie garantiert. „Die Kreditkartenunternehmen möchten noch näher an den Endkunden heran“, sagt Marcus Sander, Analyst der australischen Macquarie Bank. Das geht am schnellsten durch Übernahmen. Sollte sich die Übernahme noch hinziehen, dürfte die Aktie wegen der anhaltend guten Zahlen des Unternehmens weiter kräftig steigen. Im ersten Halbjahr 2010 steigerte Wirecard den Umsatz um 20 Prozent auf 124 Millionen Euro, den Gewinn je Aktie um 30 Prozent auf 26 Cent. Für das Gesamtjahr erwartet Wirecard-Chef Markus Braun einen Ebitda-Gewinn von bis zu 75 Millionen Euro – im Jahr zuvor waren es lediglich 60,7 Millionen Euro.
Ganz günstig wird es für American Express jedoch nicht werden. Denn steigt der American-Express-Anteil über die 30-Prozent-Hürde, müssen die Amerikaner den Wirecard-Aktionären per Wertpapiergesetz (WpÜG) ein Pflichtangebot unterbreiten. Dieses sieht vor, dass American Express den Wirecard-Aktionären den durchschnittlichen Börsenkurs der vergangenen drei Monate bieten muss. Das sind derzeit 8,06 Euro je Papier. Die Aktie notiert mit 8,71 Euro aber über dem Durchschnittskurs. In diesem Fall wird so gut wie niemand seine Aktien hergeben. „Für Wirecard dürfte ein ähnlich hoher Multiplikator wie für Cybersource und Datacash bezahlt werden“, schreibt Jochen Reichert, Analyst des Investmenthauses SES Research, in seiner Studie „Ist Wirecard das nächste Akquisitionsziel?“.
Satter Aufschlag. Bei den vorangegangenen Transaktionen wurde das 20-Fache des Ebitda-Gewinns bezahlt. Im Fall Wirecard würde dies 1,5 Milliarden Euro bedeuten. Aktuell liegt der Börsenwert nur bei 880 Millionen Euro – ein Aufschlag von 70 Prozent. Frankfurter Analysten gehen davon aus, dass die Aktie bei einem Übernahmeangebot sofort auf 14 bis 16 Euro springen könnte – doppelt so hoch wie die aktuelle Notierung. Wie gesagt: eben eine Win-win-Situation für Wirecard-Aktionäre. ----------- Grüne Sterne beruhen auf Gegenseitigkeit! |