einer Prognase über die Preisentwicklung. Dieser Artikel stammt aus dem heutigen Handelsblatt
Fossiler Energieträger mit geringerer Belastung für das Klima
Gewinnung Erdgas ist ein brennbares Naturgas, das in unterirdischen Lagerstätten vorkommt. Anbieter Hauptanbieter von Erdgas sind neben Russland die USA und Kanada. Zu den großen Förderstaaten gehören auch Großbritannien und Algerien. Verwendung Erdgas wird als Brennstoff in Kraftwerken und zur Wärmeerzeugung in Gebäuden eingesetzt. Zunehmend wird es aber auch als Kraftstoff verwendet. Klimaschutz Erdgas gilt wegen des niedrigen Kohlenstoffgehalts als fossiler Energieträger mit den geringsten Treibhausgasemissionen bei der Verbrennung. Auf dem Vormarsch ist auch die Verwendung von Erdgas als abgasarmer Autokraftstoff.
Schlüsselrolle für Erdgas
Experten sehen die Abhängigkeit von russischen Lieferquellen als Problem
H.-J. SCHÜRMANN | DÜSSELDORF Erdgas gilt bei der Mehrzahl der Experten als Wachstumsenergie Nummer eins. Großes Absatzpotenzial zeichnet sich vor allem in der Stromerzeugung und im Verkehrsbereich ab. Der Rotterdamer Energieprofessor Peter Odell, international bekannt für Außenseiterpositionen, die sich anschließend oft als richtig erwiesen haben, schätzt sogar, dass das Erdgas um die Mitte des 21. Jahrhunderts zum bedeutendsten Energieträger der Welt werden könnte. Odells gewagte Prognose: Um das Jahr 2100 soll Erdgas zweieinhalb Mal soviel Energie liefern wie Erdöl. Auch wenn diese Einschätzung aus der Sicht der meisten Experten allzu euphorisch ausfällt, ist unbestritten, dass dem Erdgas eine Schlüsselrolle in der Energieversorgung zukommt. Der Essener Energieprofessor Dieter Schmitt sagte dem Handelsblatt: „Alles arbeitet derzeit für Erdgas, und zwar aus Russland.“ Ambitionierte Begrenzungsziele für den Ausstoß von Kohlendioxid-Emissionen begünstigten nachhaltig das CO2-arme Erdgas; damit würde die Kohle als wichtigster Gaskonkurrent in der Verstromung stark benachteiligt. Die Bundesregierung halte zudem daran fest, die CO2-freien Kernkraftwerke vorzeitig stillzulegen. Deutschlands Erdgasbedarf werde damit kräftig klettern; kurz- bis mittelfristig könnten laut Schmitt nur wachsende Gasbezüge aus Russland diesen Bedarf decken. Damit sei aber auch klar: Die Abhängigkeit von einem nur schwer einzuschätzenden Regime nehme deutlich zu. Und Moskau werde keinesfalls im Gegenzug für geöffnete Gasmärkte in Europa die eigenen Energiemärkte für ausländische Firmen vollständig öffnen. Der in der Europäischen Energiecharta verankerte Grundsatz reziproker Marktöffnungen bleibe ein frommer Wunsch. In einem Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Russland sollte man darauf setzen, dass wenigstens international einklagbare Titel für die vereinbarten Konditionen in den Lieferverträgen und für ausländische Investitionen in Russland abgestimmt werden könnten. Auch Iain C. Conn, Spitzenmanager der BP-Gruppe und Mitglied der High Level Group der EU-Kommission für Energiepolitik, fordert eine pragmatische Haltung gegenüber Russland. Sein Fazit: „Wir sollten akzeptieren, dass die Beteiligungen Russlands an den europäischen Märkten grundsätzlich etwas Positives ist. Sie führt dazu, dass sich wichtige russische Wirtschaftsunternehmen in die Strukturen und Erfordernisse der EU-Märkte integrieren.“ Russland liefert derzeit 50 Prozent aller Erdgasimporte der EU und 30 Prozent aller Erdölimporte der EU. Die Konditionen in den langfristigen Gasbezugsverträgen zwischen Russland und Westeuropa spiegeln die Entwicklung an den Weltölmärkten wider: Die Erdgaspreise folgen den Ölpreisen. Gazprom, Russlands Staatsmonopolist, ist derzeit dabei, vorübergehende Knappheiten auf den internationalen Märkten voll auszureizen und dabei die flexiblen Bestandteile von Lieferverträgen einseitig zu verändern. Gazprom prüft eine Erhöhung der Exportpreise für Erdgas nach Westeuropa um rund 15 Prozent für das Jahr 2007. Die Ausnutzung einer kurzfristigen Marktverengung im kommenden Winter ist aber nur eine Seite der Medaille; auf der anderen Seite wachsen die Zweifel, ob Gazprom in der Lage sein wird, die Produktionskapazitäten schnell genug zu erhöhen, damit ein wachsender Bedarf im In- und Ausland überhaupt abgedeckt werden kann. Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris hegt jedenfalls große Befürchtungen, dass die russische Gasindustrie nicht genügend investiert. IEA-Exekutivdirektor Claude Mandil warnte zuletzt mehrfach, dass Gazprom schon in einigen Jahren „in Lieferengpässe im Verhältnisse zu ihren bestehenden Verträgen“ geraten könnte. Wenn Russland weniger Gas produziere, werde das „geografische Ungleichgewicht“ zwischen Gasproduzenten und -verbrauchern weiter wachsen. Deutschlands mit Abstand größte Importgesellschaft, die Eon Ruhrgas AG in Essen, geht davon aus, dass in Europa in den nächsten beiden Wintern das Gas knapp werden könnte. Zwischen 2009 und 2015 soll sich die Versorgungslage dann wieder leicht entspannen. Angesichts der Dominanz des russischen Gasanteils sieht Schmitt die Notwendigkeit, die Gasbezüge in Zukunft stärker zu diversifizieren. Soweit wie möglich sollten die Bezüge aus Norwegen ausgebaut werden. Neue Gasaufkommensgebiete wie der Nahe Osten, Nordafrika oder der kaspische Raum könnten erst mittelfristig erschlossen werden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Europäer bei ihren Diversifikationsanstrengungen auf dem sich etablierenden Welterdgasmarkt gegen andere Verbraucherländer – neben den USA und Japan, auch Schwellenländer wie China oder Indien – konkurrieren müssten. Während Wintershall durch eine breit angelegte Kooperation mit Gazprom – Joint Ventures in Russland und Libyen – die Erdgasoptionen wirtschaftlich fortentwickeln will, setzen Eon und RWE zusätzlich auf den Ausbau von Aktivitäten beim Bezug von verflüssigtem Erdgas. Je mehr gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Produzenten- und Verbrauchsregionen geschaffen werden könnten, umso größer werde die Chance für einen langfristig wettbewerbsfähigen Erdgaseinsatz insgesamt, meint Schmitt.
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