Soll Berlin bei Nord Stream 2 kuschen?
10:21 18.02.2021
Horst Teltschik zu begonnenen Gesprächen mit Biden-Regierung
Die Biden-Regierung hat mit Berlin Gespräche über die Zukunft der Gaspipeline begonnen, schreibt ?The Wall Street Journal? (WSJ) unter Berufung auf einen deutschen Regierungsbeamten. Es geht um US-Sanktionen gegen die betroffenen Unternehmen, die mit Zugeständnissen zu vermeiden wären. Kann die Bundesregierung Washington Paroli bieten? Gleich nach der Vereidigung von Joe Biden als US-Präsident meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie wolle mit der neuen US-Regierung über Nord Stream 2 sprechen. Zwar sei ihre Grundeinstellung zum Projekt unverändert, man müsse sich jedoch darüber unterhalten, ?welche Wirtschaftsbeziehungen im Gasbereich mit Russland akzeptabel sind und welche nicht?. Hintergrund: Die drohenden US-Sanktionen gegen fast 200 deutsche Unternehmen, die am Projekt beteiligt sind. Bis vergangenen Dienstag musste die Biden-Verwaltung eine Liste der betroffenen Unternehmen vorlegen.
?Ein schlechter Start in die Beziehungen?
Viele Gegner des deutsch-russischen Projekts dürften gerade ihre Hoffnungen auf Biden setzten. Horst Teltschik, ehemals ein politischer Beamter, Wirtschaftsmanager und der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, ist dabei - jedoch in einem anderen Sinne. ?Jetzt haben wir einen vernünftigen US-Präsidenten?, äußerte Teltschik gegenüber SNA, der bei aller Kritik gegenüber Russland doch positive Schritte in dessen Richtung gemacht habe, wie bei der Verlängerung des New-Start-Vertrages. Teltschik begrüßt generell die Aufnahme der Gespräche mit den USA über die ganze Bandbreite von Themen. Ein Einzelprojekt wie Nord Stream 2 herauszunehmen, ohne die Gestaltung des Verhältnisses zu Russland grundsätzlich zu diskutieren, macht aus seiner Sicht keinen Sinn.
?Das wäre ein schlechter Start in die Beziehungen, ein unfreundlicher Akt gegenüber den Europäern, jetzt die Unternehmen in mehreren EU-Ländern einseitig mit Sanktionen zu belegen?, warnt Teltschik sanft. ?Ich persönlich halte von Sanktionen sowieso nichts und habe in meiner politischen Laufbahn schon erlebt, wie oft sie von allen Seiten umgangen wurden, auch von den USA.? Solange die beiderseitigen Positionen nicht ausführlich besprochen worden seien, bleibe für die Bundesregierung also Spielraum, den man nicht kaputt machen sollte.
Ein Abschaltmechanismus mit Bezug auf die Ukraine?
Auch die Bereitschaft Deutschlands, ein Moratorium für das Projekt zu verhängen, wird nach Angaben des WSJ besprochen. Laut einem Bericht des ?Handelsblatts? wird in Berlin auch der sogenannte Abschaltmechanismus für die Importe über die Pipeline nicht mehr ausgeschlossen - für den Fall, dass Gazprom die Energielieferungen über die Ukraine einschränkt. Auch Teltschik spricht sich nicht unbedingt gegen einen derartigen Abschaltmechanismus aus - als eine Art Warnung vor einem neuen ?Aggressionsakt Russlands?. Es bleibe jedoch dabei, dass der Bau der Pipeline eine Entscheidung der Bundesregierung und, solle es so sein, der beteiligten EU-Länder sei, und keineswegs eine Entscheidung der Nato oder etwa eine gemeinsame deutsch-amerikanische. Darauf pocht etwa die US-Senatorin von den Demokraten Jeanne Shaheen. Die Ankunft der russischen Infrastruktur in einem Nato-Land gefährde alle Nato-Mitglieder, wird sie vom WSJ zitiert. Die Fertigstellung von Nord Stream 2 zuzulassen, sei kein konstruktiver Weg für die transatlantische Allianz, beharrt Shaheen. Ob das Milliardenangebot des Finanzministers Olaf Scholz (SPD) für den Bau von LNG-Terminals in den Augen der Amerikaner ?ein konstruktiver Weg? wäre? Unklar bleibt, ob es vom Tisch ist.
Solch ein Angebot sowie einseitige Zugeständnisse lehnt Teltschik kategorisch ab - ?sie sind banal und keine Dauerlösung?. Stattdessen könnte man endlich ein Freihandelsabkommen zustande bringen, was leider nicht zustande gekommen ist. .... https://snanews.de/20210218/nord-stream-2-gespraeche-951183.html |