gründet sich erstens auf Lebenserfahrung. Ich hab in Deutschland erlebt, wie eine ganze Gesellschaft den engen moralinsauren Muff der Nachkriegszeit - der in vielerlei Hinsicht ähnlichen gesellschaftlichen Druck ausübte, wie der, den wir in konservativen islamischen Communities wahrnehmen - innerhalb einer Generation abzuschütteln in der Lage war, weil das süße Gift der Freiheit so infektiös war.
Zweitens: Wenn ich nicht glaube, dass persönliche Freiheit, individuelle Selbstverantwortung und eine liberale Grundhaltung des "leben und leben lassen" eine erstrebenswerte individuelle Wahl ist: Was hätte das denn für einen Wert? Und das ist drittens ein geselllschaftlich immer wieder neu auszufechtender Kampf. Es gibt ja auch die Verlockung des Gegenteils: das sich Unterwerfen unter eine Gruppenkonvention als einfacherer Weg, sich mittels eines straighten Gruppenrahmens sich der Mühsal der ganz persönlichen Identitätsfindung zu entledigen. Freiheit kann auch anstrengend sein, weil sie Verantwortung fürs eigene Handeln fordert. Das ist beileibe nicht jedermanns und jederfraus Sache. Mitlaufen kann sehr bequem sein. Und vor allem: Wenn das gesellschaftliche Umfeld als feindliches, bedrohliches Außen empfunden wird, ist es sogar das (evolutionäre) Mittel der Wahl- Ich sehe viele Tendenzen etwa in so einer Pegida-Bewegung durchaus als eine ähnliche antifreiheitliche, antiindividuelle Erscheinung. Das drückt sich in der Regel als feindlicher Abgrenzungsdrang und -druck nach außen aus, mit starker gruppendynamischer Wirkung nach innen hinsichtlich des Anpassungsdrucks an die Gruppenidentoität. Da kommen sich religiöse, nationalistische oder radikale politische Bewegungen durchaus nahe. Sie mögen sich inhaltlich, definitorisch und die Feindbilder betreffend unterscheiden. Aber sie funktionieren am Ende ähnlich. Das erklärt auch teilweise die Hinwendung von jungen Muslimen zu "ihrer" Ingroup=Religion, insbesondere in einer Lage, wo sich genau um diesen Fokus ("Islam") herum die Konfrontation verschärft. Aber man kann sich darauf verlassen: Sobald sich Konflikte in solchen Ingroup-Formationen auftun, sprengen sie sich aufgrund ihrer straighten Schwarz-Weiß-Identitäten selbst. (Der typische Spaltpilz der Radikalen.) Und da kommt es auf die Existenz von vielfältigen Alternativen an. So lange wir in der Lage sind, eine einigermaßen offene Gesellschaft zu halten, in der es vielfältige Optionen gibt (das ist "Freiheit"), ist das am Ende der Fluchtpunkt, auf den es aus der Enge der Überidentifikation mit einem Gruppenich rausläuft. Das ist der Kern einer offenen Gesellschaft: dass sie anhand der vielfältigen Optionen den entscheidenden Kontrapunkt setzt gegen die Unterordnung unter einen Zwang, sich auf Gedeih und Verderb z.B. einer überkommenen Tradition zu unterwerfen unter Verzicht auf die eigenen Möglichkeiten, die sich einem rundherum ja auch bieten. Heißt: bis zu einem gewissen Grad gehören Ungleichzeitigkeiten, unterschiedliche, auch sehr konservative Lebensmodelle zu einer offenen Gesellschaft. So lange sie nicht anfangen, sich anzumaßen, den anderen Vorschriften zu machen, auch so sein zu müssen, ist das Teil dieser Vielfalt. Darum wird es in einer offenen Gesellschaft IMMER irgendwelche Auseinandersetzungen geben. Das tragen nicht die Muslime hier herein, sie stellen nur eine weiter Gruppe in diesen Auseinandersetzungen.
Ich vertraue darauf, das wir das verdauen können. Warum sollen 70-75 Millionen, die null-bock auf den ganzen Schmonz überkommener islamischer Lebensverregelung haben, diese Anwandlungen nicht aushalten bzw. dagegen nisich nicht behaupten zu können? Entweder, wir stehen wirklich auf das, was uns gut und wichtig ist an unserer Freiheit, dann sollten wir deren Vorteile auch verteidigen und vor allem rüberbringen können, oder wir machen uns ins Hemd vor Angst, der Schwanz könnte mit dem Dackel wedeln...
----------- Alles ist relativ. |